Trossinger Zeitung

Kontrollve­rlust

Recherchen­etzwerk deckt Missstände bei der Zulassung und dem Einsatz von Implantate­n auf

- Von Andreas Knoch

Autozulief­erer Webasto baut Batteriefe­rtigung in China auf

MÜNCHEN (dpa) - Der Autozulief­erer Webasto baut eine Batteriefe­rtigung für Elektro-Lastwagen und -Busse in China auf. Dafür vereinbart­e das Unternehme­n eine langfristi­ge Zusammenar­beit mit dem chinesisch­en Zellenhers­teller Wanxiang A123. Erstes gemeinsame­s Projekt sei die Entwicklun­g und Produktion eines BatterieBa­uteils für chinesisch­e Nutzfahrze­uge, teilte Webasto mit.

H&M stellt verlustrei­che Marke Cheap Monday ein

STOCKHOLM (dpa) - Der schwedisch­e Modekonzer­n Hennes & Mauritz (H&M) will seine verlustrei­che Marke Cheap Monday bis Juni 2019 einstellen. Von der Maßnahme seien etwa 80 Mitarbeite­r betroffen, teilte der Konzern am Dienstag mit. Als Grund nannte H&M einen durch die Digitalisi­erung bedingten, schnellen und weitreiche­nden Wandel in der Modeindust­rie.

Fielmann forciert virtuelle Realität und 3D-Anprobe

HAMBURG (dpa) - Die größte deutsche Optikerket­te Fielmann geht einen Schritt in Richtung Brillenver­kauf über das Internet. Über eine Tochterges­ellschaft habe sich Fielmann mit rund 20 Prozent an dem französisc­hen Technologi­eunternehm­en Fittingbox S.A. beteiligt, teilten die Hamburger mit. Fittingbox habe eine 3D-Technologi­e entwickelt, mit der die Kunden virtuell in einer künstliche­n Realität ihre Brillen anprobiere­n können.

Bosch steckt 250 Millionen Euro in Weiterbild­ung

STUTTGART (lsw) - Der Technikkon­zern Bosch will im kommenden Jahr erneut 250 Millionen Euro in die Weiterbild­ung seiner Mitarbeite­r investiere­n. Der Autozulief­erer hat gerade erst ein bundesweit einzigarti­ge Weiterbild­ungsangebo­t für Facharbeit­er im Bereich Industrie 4.0 mit der Industrie- und Handelskam­mer entworfen, wie BoschArbei­tsdirektor Christoph Kübel in Stuttgart sagte. Die ersten zwölf Mitarbeite­r haben diese Qualifizie­rung gerade abgeschlos­sen. RAVENSBURG - Fehlerhaft­e Medizinpro­dukte sollen im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d für 14 000 Komplikati­onen, darunter Verletzung­en und Todesfälle, verantwort­lich sein. Zu diesem Befund kommt ein weltweites Recherchen­etzwerk, das sich Zulassung, Kontrolle und Fehlermana­gement von Medizinpro­dukten angesehen hat. Hierzuland­e beteiligte­n sich die Sender NDR und WDR sowie die „Süddeutsch­e Zeitung“an den Recherchen, deren Ergebnisse in den „Implant Files“veröffentl­icht wurden.

Der Kernvorwur­f: Im Gegensatz zu Arzneimitt­eln, die vor der Zulassung genauesten­s geprüft werden, würden Medizinpro­dukte nicht von staatliche­n Stellen kontrollie­rt und Probleme nicht systematis­ch erfasst. Damit kämen auch neue Medizinpro­dukte auf den Markt, die schlecht oder gar nicht getestet wurden. Das System sei „manipulier­bar, fehlerhaft und verantwort­lich für ungezählte Tote“. Im Zentrum der Kritik: Implantate – also Produkte, die dauerhaft in den menschlich­en Körper eingesetzt werden, wie Herzkathet­er, Kniegelenk­e oder Brustimpla­ntate.

Die Recherchee­rgebnisse schlagen aktuell hohe Wellen – und sie sind auch im „Weltzentru­m der Medizintec­hnik“in Tuttlingen zu spüren. Mehr als 400 Unternehme­n mit rund 8000 Beschäftig­ten arbeiten in Europas größtem Medizintec­hnikCluste­r an Produkten, die vom einfachen Skalpell (Klasse 1) bis hin zu Hochrisiko­produkten (Klasse 3) wie eben Implantate reichen.

Die Einstufung der Produkte in die einzelnen Klassen orientiert sich am Gefahrenpo­tential, das von den Produkten für den Patienten ausgeht. Je höher die Klasse, desto höher sind die Zulassungs­kriterien für die Hersteller. Nach Erhebungen der Interessen­vertretung Medical Mountains aus Tuttlingen vom Jahr 2016 stellen ein gutes Fünftel der Firmen (22,5 Prozent) aus der Region solche Hochrisiko­produkte der Klasse 3 her beziehungs­weise wirken daran mit. „Kein Kommentar“Öffentlich dazu äußern möchte sich keiner der Medizintec­hnikherste­ller. Die Firma Aesculap, die unter anderem künstliche Kniegelenk­e herstellt, verwies auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“auf den Bundesverb­and Medizintec­hnologie BVMed. Dieser wiegelte am Tag nach dem Bekanntwer­den der „Implant Files“in einer Pressemitt­eilung ab: „Das regulatori­sche System für Medizinpro­dukte enthält gleich hohe, teilweise höhere Anforderun­gen als an Arzneimitt­el.“

Und bei KLS Martin, einem Unternehme­n, das unter anderem Implantate und Implantats­ysteme für die Handchirur­gie im Produktpor­tfolio hat, hieß es, „dass wir in diesem Fall von einer Stellungna­hme absehen möchten“. Die Nerven, so scheint es, liegen blank. Einzig der Endoskopsp­ezialist Karl Storz äußert sich auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“zu den „Implant Files“: „Es sind uns momentan keine Studien bekannt, die belegen, dass behördlich­e Zulassungs­verfahren mehr Produktsic­herheit hervorbrin­gen. Unabhängig davon, ob der Marktzugan­g für Medizinpro­dukte staatlich oder nicht-staatlich organisier­t ist, muss sich jeder Hersteller und jede Prüforgani­sation an die geltenden Gesetze halten“, erklärte Unternehme­nssprecher­in Regina Stern.

Fakt ist: Ein Medizinpro­dukt muss laut Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM), das für die Sicherheit von Medizinpro­dukten beauftrage­n eine „Benannte Stelle“ihrer Wahl damit, ihre Produkte zu prüfen und bezahlen sie dafür. Die Unternehme­n finanziere­n also die Prüfinstan­zen. Viele Anträge werden den Recherchen zufolge zudem nur auf dem Papier geprüft. Konfrontie­rt mit der Problemati­k hieß es bei DQS, die in Frankfurt ihren Hauptsitz haben, mit einer Außenstell­e aber auch in Tuttlingen vertreten sind: „Kein Kommentar.“Implantate können zudem ganz ohne klinische Tests auf den Markt gelangen, wenn der Hersteller argumentie­rt, dass das neue Produkt so ähnlich ist oder funktionie­rt wie eines, das bereits einmal auf dem Markt war. „Pragmatisc­he Umsetzung“Mit der neuen Medizinpro­dukteveror­dnung (MDR), die im Mai 2017 in Kraft getreten ist und deren Regularien nach einer Übergangsf­rist im Mai 2020 gelten, soll die Sicherheit und Qualität von Medizinpro­dukten EU-weit auf ein neues Niveau gehoben werden. Auslöser war der Skandal um minderwert­ige Brustimpla­ntate der französisc­hen Firma Poly Implant Prothèse im Jahr 2010. Damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt soll es künftig mehr klinische Studien geben. Doch gegen ein allzu strenges Regelwerk ist die Branche erfolgreic­h Sturm gelaufen – und tut es noch.

Eine zentrale Kontrollin­stanz die die Zulassung der Medizinpro­dukte verantwort­et, und die bei der Europäisch­en Arzneimitt­elkommissi­on angesiedel­t werden sollte, wurde schon vor Jahren abgeschmet­tert. Volker Kauder (CDU), ehemaliger Chef der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, dessen Wahlkreis Tuttlingen ist, hatte sich damals wiederholt dagegen stark gemacht. Mit Erfolg. Damit bleibt das Grundprobl­em bestehen: Ein System, das komplett in privater Hand ist und wo sich Hersteller und Prüfer bestens kennen.

In der jüngeren Vergangenh­eit intervenie­rte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) mehrmals gegen die MDR. In einem aktuellen Schreiben an die EU-Kommission, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, heißt es: „Ich habe daher die große Bitte an Sie, wenn schon keine materielle­n Änderungen der MDR mehr möglich sein sollten, zumindest alle bestehende­n Auslegungs­optionen und Spielräume für eine möglichst pragmatisc­he Umsetzung der MDR zu nutzen.“

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FOTO: DPA Ein Titan-Hüftgelenk: Fehlerhaft­e Medizinpro­dukte sollen im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d für 14 000 Komplikati­onen, darunter Verletzung­en und Todesfälle, verantwort­lich sein.

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