Kontrollverlust
Recherchenetzwerk deckt Missstände bei der Zulassung und dem Einsatz von Implantaten auf
Autozulieferer Webasto baut Batteriefertigung in China auf
MÜNCHEN (dpa) - Der Autozulieferer Webasto baut eine Batteriefertigung für Elektro-Lastwagen und -Busse in China auf. Dafür vereinbarte das Unternehmen eine langfristige Zusammenarbeit mit dem chinesischen Zellenhersteller Wanxiang A123. Erstes gemeinsames Projekt sei die Entwicklung und Produktion eines BatterieBauteils für chinesische Nutzfahrzeuge, teilte Webasto mit.
H&M stellt verlustreiche Marke Cheap Monday ein
STOCKHOLM (dpa) - Der schwedische Modekonzern Hennes & Mauritz (H&M) will seine verlustreiche Marke Cheap Monday bis Juni 2019 einstellen. Von der Maßnahme seien etwa 80 Mitarbeiter betroffen, teilte der Konzern am Dienstag mit. Als Grund nannte H&M einen durch die Digitalisierung bedingten, schnellen und weitreichenden Wandel in der Modeindustrie.
Fielmann forciert virtuelle Realität und 3D-Anprobe
HAMBURG (dpa) - Die größte deutsche Optikerkette Fielmann geht einen Schritt in Richtung Brillenverkauf über das Internet. Über eine Tochtergesellschaft habe sich Fielmann mit rund 20 Prozent an dem französischen Technologieunternehmen Fittingbox S.A. beteiligt, teilten die Hamburger mit. Fittingbox habe eine 3D-Technologie entwickelt, mit der die Kunden virtuell in einer künstlichen Realität ihre Brillen anprobieren können.
Bosch steckt 250 Millionen Euro in Weiterbildung
STUTTGART (lsw) - Der Technikkonzern Bosch will im kommenden Jahr erneut 250 Millionen Euro in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investieren. Der Autozulieferer hat gerade erst ein bundesweit einzigartige Weiterbildungsangebot für Facharbeiter im Bereich Industrie 4.0 mit der Industrie- und Handelskammer entworfen, wie BoschArbeitsdirektor Christoph Kübel in Stuttgart sagte. Die ersten zwölf Mitarbeiter haben diese Qualifizierung gerade abgeschlossen. RAVENSBURG - Fehlerhafte Medizinprodukte sollen im vergangenen Jahr in Deutschland für 14 000 Komplikationen, darunter Verletzungen und Todesfälle, verantwortlich sein. Zu diesem Befund kommt ein weltweites Recherchenetzwerk, das sich Zulassung, Kontrolle und Fehlermanagement von Medizinprodukten angesehen hat. Hierzulande beteiligten sich die Sender NDR und WDR sowie die „Süddeutsche Zeitung“an den Recherchen, deren Ergebnisse in den „Implant Files“veröffentlicht wurden.
Der Kernvorwurf: Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die vor der Zulassung genauestens geprüft werden, würden Medizinprodukte nicht von staatlichen Stellen kontrolliert und Probleme nicht systematisch erfasst. Damit kämen auch neue Medizinprodukte auf den Markt, die schlecht oder gar nicht getestet wurden. Das System sei „manipulierbar, fehlerhaft und verantwortlich für ungezählte Tote“. Im Zentrum der Kritik: Implantate – also Produkte, die dauerhaft in den menschlichen Körper eingesetzt werden, wie Herzkatheter, Kniegelenke oder Brustimplantate.
Die Rechercheergebnisse schlagen aktuell hohe Wellen – und sie sind auch im „Weltzentrum der Medizintechnik“in Tuttlingen zu spüren. Mehr als 400 Unternehmen mit rund 8000 Beschäftigten arbeiten in Europas größtem MedizintechnikCluster an Produkten, die vom einfachen Skalpell (Klasse 1) bis hin zu Hochrisikoprodukten (Klasse 3) wie eben Implantate reichen.
Die Einstufung der Produkte in die einzelnen Klassen orientiert sich am Gefahrenpotential, das von den Produkten für den Patienten ausgeht. Je höher die Klasse, desto höher sind die Zulassungskriterien für die Hersteller. Nach Erhebungen der Interessenvertretung Medical Mountains aus Tuttlingen vom Jahr 2016 stellen ein gutes Fünftel der Firmen (22,5 Prozent) aus der Region solche Hochrisikoprodukte der Klasse 3 her beziehungsweise wirken daran mit. „Kein Kommentar“Öffentlich dazu äußern möchte sich keiner der Medizintechnikhersteller. Die Firma Aesculap, die unter anderem künstliche Kniegelenke herstellt, verwies auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“auf den Bundesverband Medizintechnologie BVMed. Dieser wiegelte am Tag nach dem Bekanntwerden der „Implant Files“in einer Pressemitteilung ab: „Das regulatorische System für Medizinprodukte enthält gleich hohe, teilweise höhere Anforderungen als an Arzneimittel.“
Und bei KLS Martin, einem Unternehmen, das unter anderem Implantate und Implantatsysteme für die Handchirurgie im Produktportfolio hat, hieß es, „dass wir in diesem Fall von einer Stellungnahme absehen möchten“. Die Nerven, so scheint es, liegen blank. Einzig der Endoskopspezialist Karl Storz äußert sich auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“zu den „Implant Files“: „Es sind uns momentan keine Studien bekannt, die belegen, dass behördliche Zulassungsverfahren mehr Produktsicherheit hervorbringen. Unabhängig davon, ob der Marktzugang für Medizinprodukte staatlich oder nicht-staatlich organisiert ist, muss sich jeder Hersteller und jede Prüforganisation an die geltenden Gesetze halten“, erklärte Unternehmenssprecherin Regina Stern.
Fakt ist: Ein Medizinprodukt muss laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das für die Sicherheit von Medizinprodukten beauftragen eine „Benannte Stelle“ihrer Wahl damit, ihre Produkte zu prüfen und bezahlen sie dafür. Die Unternehmen finanzieren also die Prüfinstanzen. Viele Anträge werden den Recherchen zufolge zudem nur auf dem Papier geprüft. Konfrontiert mit der Problematik hieß es bei DQS, die in Frankfurt ihren Hauptsitz haben, mit einer Außenstelle aber auch in Tuttlingen vertreten sind: „Kein Kommentar.“Implantate können zudem ganz ohne klinische Tests auf den Markt gelangen, wenn der Hersteller argumentiert, dass das neue Produkt so ähnlich ist oder funktioniert wie eines, das bereits einmal auf dem Markt war. „Pragmatische Umsetzung“Mit der neuen Medizinprodukteverordnung (MDR), die im Mai 2017 in Kraft getreten ist und deren Regularien nach einer Übergangsfrist im Mai 2020 gelten, soll die Sicherheit und Qualität von Medizinprodukten EU-weit auf ein neues Niveau gehoben werden. Auslöser war der Skandal um minderwertige Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse im Jahr 2010. Damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt soll es künftig mehr klinische Studien geben. Doch gegen ein allzu strenges Regelwerk ist die Branche erfolgreich Sturm gelaufen – und tut es noch.
Eine zentrale Kontrollinstanz die die Zulassung der Medizinprodukte verantwortet, und die bei der Europäischen Arzneimittelkommission angesiedelt werden sollte, wurde schon vor Jahren abgeschmettert. Volker Kauder (CDU), ehemaliger Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dessen Wahlkreis Tuttlingen ist, hatte sich damals wiederholt dagegen stark gemacht. Mit Erfolg. Damit bleibt das Grundproblem bestehen: Ein System, das komplett in privater Hand ist und wo sich Hersteller und Prüfer bestens kennen.
In der jüngeren Vergangenheit intervenierte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) mehrmals gegen die MDR. In einem aktuellen Schreiben an die EU-Kommission, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, heißt es: „Ich habe daher die große Bitte an Sie, wenn schon keine materiellen Änderungen der MDR mehr möglich sein sollten, zumindest alle bestehenden Auslegungsoptionen und Spielräume für eine möglichst pragmatische Umsetzung der MDR zu nutzen.“