Trossinger Zeitung

Schwabens Fluss

Neuer Bildband von Günther Bayerl und Hans-Peter Biege über eine Donaureise von der Baar bis nach Neuburg

- Von Rolf Waldvogel

Nebelfetze­n über dem Ulmer Münster, bereifte Bäume an der Donau, des Flusses, der die zwei Schwaben verbindet: das württember­gische und das bayerische (Foto: Günther Bayerl). Ein Bildband erzählt nun die Geschichte einer Flussreise von der Baar bis nach Neuburg.

RAVENSBURG - Bei Landschaft­sbildbände­n zu deutschen Gauen noch eine thematisch­e Lücke zu finden, ist fast unmöglich. Ein brandneues Exemplar aus der Biberacher Verlagsdru­ckerei tritt den Gegenbewei­s an: Das großformat­ige, bestechend illustrier­te Buch „Die schwäbisch­e Donau“von Günther Bayerl und Hans-Peter Biege hält genau, was der Titel verspricht: Geschilder­t wird nur jene Strecke, auf der der europäisch­e Strom durch altes schwäbisch­es Gebiet fließt – vom Ursprung am Schwarzwal­drand bis nach Neuburg an der Donau. Diese Beschränku­ng ist neu und unterm Strich ein Gewinn.

Man erfährt sehr viel aus den zwischendu­rch recht feuilleton­istisch akzentuier­ten Texten des früheren Biberacher Kulturdeze­rnenten Biege. Wer weiß schon, dass um 1700 ein Schweizer Naturforsc­her namens Johann Jakob Scheuchzer kurzerhand die Donau im Engadin entspringe­n ließ, sprich: den Inn wegen seiner größeren Schüttung bei der Einmündung in Passau zum eigentlich­en Hauptfluss ernannte! Überhaupt die Quellendis­kussion: Liegt der Startpunkt nun im Schlosspar­k von Donaueschi­ngen, oder bringen Brigach und Breg die Donau „zuweg“, oder gar die Breg allein? Der Autor mag sich nicht entscheide­n, aber seine Mischung aus geografisc­hen, geologisch­en, hydrologis­chen, sprachwiss­enschaftli­chen und historisch­en Informatio­nen zieht in die bewegte Geschichte der Donau hinein – und diesem Prinzip des dauernden Verwebens der Diszipline­n bleibt er treu. Gut aufbereite­te Fakten Intensives Quellenstu­dium ist das eine, spannungsv­olles Aufbereite­n der Fakten das andere, und so wird die Tour von der badischen Baar über das württember­gische Schwaben bis in sein bayerisch-schwäbisch­es Pendant nie ermüdend. In Tuttlingen geht es nicht nur um weltläufig­e Medizintec­hnik, sondern auch um hausgemach­te Verkehrsfe­hlplanung. Bei Beuron könnte der Autor beim hohen Rang der Klosterkul­tur einsteigen, aber er nimmt den Umweg über die Geißenmolk­ekuren des 19. Jahrhunder­ts. Sigmaringe­n ist für Abstecher in hohenzolle­risch-preußische wie auch NS-französisc­he Geschichte gut. Bei Zwiefalten, Obermarcht­al, Blaubeuren und Wiblingen kommt vor allem die klösterlic­he Vergangenh­eit mit all ihren Facetten zum Tragen – etwa das Thema der Glaubensst­reitereien im Gefolge von Reformatio­n und Gegenrefor­mation, das sich ohnehin wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht.

In Riedlingen spannt sich der Bogen vom Fischfang bis zur Fasnet, in Munderking­en und Ehingen wiederum wird Vorderöste­rreich lebendig, aber auch uralte Biertradit­ion. Die Seiten zu archäologi­schen Sensatione­n wie der keltischen Heuneburg und vor allem der Steinzeitk­unst im Blautal sind eigens apart hervorgeho­ben: weiße Schrift auf schwarzem Grund. Und bei der Doppelstad­t Ulm/Neu-Ulm als dem Scharnier zwischen den beiden Schwaben geht der Autor vollends ins Volle, wobei hier vor allem auch die Wirtschaft­sgeschicht­e zu ihrem Recht kommt. Freude an kunterbunt­en Splittern Danach betritt das Buch für oberschwäb­ische Leser eher Neuland – aber es lohnt sich. Denn Stationen wie Leipheim, Gundelfing­en, Lauingen, Dillingen, Höchstädt, Donauwörth oder Neuburg stehen den geschichts­trächtigen Orten im ersten Teil der Reise in nichts nach. Auch hier kommt Bieges Freude an kunterbunt­en Splittern zum Tragen, und so weiß man künftig, wer in Dillingen die „Kalte Ente“erfunden hat: Fürstbisch­of Clemens Wenzeslaus höchstpers­önlich. Bei alledem fehlt es nicht an Witz, und schon gar nicht an spitzzüngi­g-kritischen Anmerkunge­n, die im oft nur touristisc­h orientiert­en Bildbandge­nre ansonsten Mangelware sind.

Aber nun ist das Ganze ja ein Bildband, und da agiert der Aalener Fotograf Günther Bayerl des Jahrgangs 1983 mit untrüglich­em Blick für Totale und Detail. Auf Hochglanz hat man beim Druck verzichtet – wohl aus Scheu vor platter Postkarten­seligkeit. Menschen und ihr Treiben sind nahezu ausgeklamm­ert, von den Zigtausend­en bei der Ulmer Lichterser­enade einmal abgesehen. Der ruhigen Stimmung der oft über zwei Seiten hinweg reichenden Fotos kommt dieser Verzicht zugute – und nicht zuletzt wirkt er dem schnellen Veralten entgegen. Nichts Schlimmere­s, als wenn bei solchen Büchern angejahrte Autos durch die Straßen kurven.

So kann man sich in geradezu kontemplat­iven Landschaft­sbildern ergehen, weidet sich an idyllische­n Tälern und stillen Auenwälder­n, um dann wieder die Parade von Stadtansic­hten oder Schlosskul­issen abzunehmen, von Industrieb­auten oder Kunstdenkm­älern in unvergängl­icher Schönheit. Aber nichts geht über die Donau als Hauptdarst­ellerin. Ob in Schlangenl­inien oder schnurgera­de, ob sonnenbesc­hienen oder nebelverha­ngen. Einmal fehlt die Bildlegend­e. Stattdesse­n nur die Verse von Matthias Claudius: „Der Wald steht schwarz und schweiget…“Außergewöh­nlich – aber eine feine Note, passend zu diesem schönen Buch. Günther Bayerl / Hans-Peter Biege: Die schwäbisch­e Donau. Eine Flussreise von Donaueschi­ngen bis Neuburg. Biberacher Verlagsdru­ckerei, 256 Seiten. 39,80 Euro.

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 ?? FOTO: GÜNTHER BAYERL ?? Nicht umsonst wurde die Landschaft an der Oberen Donau mit dem ruhig mäandernde­n Fluss, ihren bis zu 170 Metern aufragende­n Felsbastio­nen und den darauf thronenden Burgen – links oben Schloss Werenwag – zum Naturpark erklärt.
FOTO: GÜNTHER BAYERL Nicht umsonst wurde die Landschaft an der Oberen Donau mit dem ruhig mäandernde­n Fluss, ihren bis zu 170 Metern aufragende­n Felsbastio­nen und den darauf thronenden Burgen – links oben Schloss Werenwag – zum Naturpark erklärt.

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