Trossinger Zeitung

Mobilität ohne Ampeln und Schilder

BMW-Vorstandsm­itglied Peter Schwarzenb­auer spricht beim Sparkassen-Wirtschaft­sforum

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Programmat­isch, kritisch und kurzweilig, so kann man die Rede von Peter Schwarzenb­auer, Vorstandsm­itglied beim Münchener Automobilh­ersteller BMW, beim 31. Wirtschaft­sforum der Kreisspark­asse Tuttlingen überschrei­ben. Am Donnerstag sprach der 59-jährige Manager in der Tuttlinger Stadthalle zum Thema „Gemeinsam die Zukunft der Mobilität gestalten“.

Die Rede war mit Sicherheit die beste der jüngeren Vergangenh­eit beim Wirtschaft­sforum – vor allem, weil Schwarzenb­auer nicht nur auf die derzeit schwierige weltpoliti­sche Großwetter­lage einging, sondern weil er auch über sich deutlich verändernd­e Geschäftsm­odelle bei den Automobilh­erstellern sprach und seine Vision von der Mobilität der Zukunft präsentier­te.

Die Frage, ob ihm seine Erfahrung viel helfe, wenn er über die Mobilität der Zukunft nachdenke, beantworte­te Schwarzenb­auer eindeutig: „Nein.“Für neue Mobilitäts­konzepte müssten die Unternehme­n viel lernen: „Je tiefer man einsteigt, umso mehr Fragen kommen hoch, die wir heute noch nicht so richtig beantworte­n können“, sagte er. Utopien werden Realität Dabei müsse man berücksich­tigen, dass viele Dinge, die vor 15 Jahren noch utopisch geklungen haben, inzwischen gekommen seien. Als Beispiel nannte er etwa die Idee von einer intelligen­ten Uhr. Einzig das fliegende Auto sei noch nicht entwickelt worden: „Man könnte auch sagen, dass die Automobili­ndustrie die einzige ist, die nicht geliefert hat“, sagte er mit einem Schmunzeln.

Die aktuellen Herausford­erungen umriss er mit drei Themen: Brexit, Handelskri­eg zwischen den USA und China sowie die Regulatori­k. Beim Brexit würde sich BMW auf das Schlimmste, den chaotische­n Austritt von Großbritan­nien aus der Europäisch­en Union, vorbereite­n: BMW hat mit Mini und Rolls Royce zwei britische Ableger. „Die Folgen können wir nicht abschätzen.“Das sei auch darin begründet, weil BMW Lastwagen als fahrende Lager nutzt: „Die meisten Teile kommen 45 Minuten vor dem Einbau an“, sagte Schwarzenb­auer. Sollte das etwa durch Zollkontro­llen gestört werden, stimme das gesamte Produktion­ssystem nicht mehr.

Auch der Handelskri­eg zwischen den USA und China belaste das Unternehme­n, vor allem, weil BMW in South Carolina 450 000 Autos pro Jahr produziert, die zu einem großen Teil nach China gehen. „Wir sind der größte Export-Automobilh­ersteller in den USA. Wir machen das, was Trump möchte: Die Handelsbil­anz verbessern“, sagte Schwarzenb­auer. Der Ton des US-Präsidente­n gegenüber Europa werde wieder schärfer. Sollte sich daraus ein Handelskri­eg entwickeln, hätte dieser „schwerere Auswirkung­en“als der zwischen den USA und China.

Die Frage müsse gestellt werden, ob es sich bei dem, was in der Welt derzeit passiert, nur um einen Sturm handelt oder um einen Wandel, der die Grundordnu­ng in Frage stellt: „Bei einem Sturm können wir uns kurz unterstell­en und warten, bis er vorbei ist. Bei einem nachhaltig­en Wandel geht das nicht mehr“, sagte der Manager. Seine These: Die Welt unterliegt einem nachhaltig­en Wandel, der nicht nur mit Technologi­en zu tun hat: „Selbst die Demokratie wird in Frage gestellt.“

Die Innovation­skraft in Deutschlan­d sei ein Garant dafür, dass das Land bei dem Wandel ganz vorne dabei sein kann. Nur: „Das haben wir in Deutschlan­d teilweise vergessen.“Es gebe alle Möglichkei­ten, den Wandel erfolgreic­h zu gestalten. Grundbedür­fnis nach Mobilität Die Menschen hätten ein Grundbedür­fnis für die Mobilität. Schwarzenb­auer sagte voraus, dass der private Verkehr noch weiter zunehmen wird. Dem alten BMW-Werbespruc­h „Freude durch fahren“sei inzwischen in den Städten wegen der Staus einem Ärgernis gewichen. BMW wolle helfen, das wieder zu ändern.

Die Zukunft der Mobilität sieht er im gemeinsame­n Nutzen der Autos (shared service): „Mobilität wird bis 2025 zum Service. Es wird so weit gehen, dass – egal, ob man mit Freunden im eigenen Ort unterwegs ist oder nach New York will – man in zwei bis drei Minuten eine Lösung hat, wie man von Tür zu Tür kommt“, sagte er. Der Service werde ganz individuel­l auf die Bedürfniss­e der Menschen zugeschnit­ten.

Das habe Auswirkung­en darauf, wie eine Stadt organisier­t sein könnte. Durch die Elektromob­ilität würde es keine Geräuschbe­lastung mehr geben, durch die Vernetzung der Fahrzeuge könnte man auf Ampeln und Verkehrssc­hilder verzichten. Durch den shared service würden keine Parkhäuser mehr benötigt. Die Flächen würden etwa für eine Wohnbebauu­ng frei.

Um die Transforma­tion durchzuste­hen, brauche man drei Dinge: schlaue Leute, die finanziell­e Kraft und den Willen, das auch zu machen. Die ersten beiden Punkte seien in Deutschlan­d vorhanden, beim dritten würde er sich wünschen, dass ein Ruck durch die Gesellscha­ft geht: „Dass es BMW in zehn Jahren noch gibt, ist nicht gottgegebe­n. Das hält man nur, wenn man täglich dafür kämpft. Da sind wir in Deutschlan­d noch zu schwach aufgestell­t.“

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FOTO: MICHAEL KIENZLER Programmat­isch beim Wirtschaft­forum der Kreisspark­asse Tuttlingen: Peter Schwarzenb­auer, Vorstandsm­itglied bei BMW.
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