Streit um Versicherung für Landwirte
Policen gegen Wetterextreme ohne staatliche Zuschüsse sehr teuer – Bund und Land im Clinch
RAVENSBURG/STUTTGART - Späte Fröste bedrohen die Existenz von Obstbauern, Dürre bringt Viehhalter in Bedrängnis – zuletzt haben die Wetterextreme den Bauern enorm zu schaffen gemacht. Versicherungen sollen helfen, die Risiken abzufedern. Doch die Policen müssten öffentlich gefördert werden. Trotz aller Versprechen bleibt zum Ende des Jahres unklar, wer wie viel zahlt. Die FDP im Stuttgarter Landtag wirft Agrarminister Peter Hauk (CDU) deshalb vor, die Bauern mit leeren Versprechen zu täuschen.
Bislang können sich deutsche Landwirte die sogenannten Mehrgefahrenversicherungen nicht leisten. Die Policen sind zu teuer. Zahlreiche andere Staaten fördern die Versicherungen daher mit Steuergeldern. Das soll nun auch in Deutschland möglich werden, darin sind sich Bund und Länder einig. Norbert Rollinger, der Vorstandschef der R+V-Versicherung, begrüßt das. „Wir stehen als Versicherungswirtschaft bereit, hier einen Versicherungsschutz zu bieten. Wir halten das auch für sinnvoll im Hinblick auf die europäischen Nachbarländer, die solche Zuschüsse gewähren. Die müssten übrigens bei 50 bis 60 Prozent der Prämie liegen“, sagte Rollinger der „Schwäbischen Zeitung“. Die Preise für die Policen seien Bauern zu teuer, weil ihr gesamter Gewinn pro Hektar in die Prämien fließen würde.
Ähnlich sieht das Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbands: „Fest steht, dass wir angesichts zunehmender Extremwetterereignisse auch im Hinblick auf Versicherungslösungen etwas tun müssen.“Baden-Württembergs Agrarminister Hauk hatte versprochen, sich für einen Zuschuss vom Bund einzusetzen. Doch das Bundeslandwirtschaftsministerium sagt klipp und klar: Dafür seien die Länder zuständig, der Bund werde keine zusätzlichen Mittel geben.
Der Abgeordnete Klaus Hoher (FDP) kritisiert Hauk scharf: „Ich habe langsam das Gefühl, Grüne und CDU wollen die Landwirte hinter die Fichte führen.“Hauk sei bereits daran gescheitert, steuerfreie Rücklagen für Bauern in Berlin durchzusetzen. Er mache weiter leere Versprechungen.
STUTTGART - Später Frost im Frühjahr, Starkregen oder Dürre im Sommer: Die Wetterextreme nehmen zu, die Landwirte leiden darunter. Abhilfe soll unter anderem eine Versicherung bringen, die Ernteausfälle ersetzt. In vielen Ländern wie in Österreich bezuschusst der Staat solche Policen. Das soll auch in Deutschland passieren. Doch wer ab wann zahlt, bleibt trotz vieler Versprechen unklar.
2017 war ein teures Jahr – für Landwirte, aber auch für den Steuerzahler in Baden-Württemberg. Rund 50 Millionen Euro zahlte das Land an Bauern aus, deren Ernte durch den späten Frost vernichtet wurde. 2018 traf die wochenlange Dürre vor allem jene, die Futter anbauen. Der Bauernverband schätzt, dass Landwirte im Norden des Landes zwischen 40 und 55 Prozent weniger Mais und Heu ernten konnten als im Vorjahr, im Süden bis zu 25 Prozent. Das Land wird Dürrehilfen auszahlen, wie viel steht noch nicht fest.
Mit dem Klimawandel werden solche Ernteausfälle zunehmen. Deswegen unterstützen CDU und Grüne im Land die Forderung der Landwirte nach einer neuen, mit öffentlichen Geldern geförderten Versicherung. In Deutschland kann sich nämlich kaum ein Obstbauer gegen Frostschäden versichern. Die Prämien wären zu hoch, denn vor allem Kernund Steinobst ist empfindlich. Darum gibt es Policen bislang nur für einige wenige Feldfrüchte – und auch die sind sehr teuer. Ähnliches gilt für Dürreschäden. Zahlreiche Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bezuschussen deshalb solche Versicherungen. China etwa übernimmt 80 Prozent solcher Prämien, die USA zahlen ihren Landwirten 65 Prozent. Bund hält sich für nicht zuständig Sowohl Agrarminister Peter Hauk (CDU) als auch sein grüner Regierungspartner fordern deshalb immer wieder die Unterstützung des Bundes. Doch der hält sich gar nicht für zuständig. So heißt es aus dem Haus von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU): „Für Hilfsmaßnahmen infolge Naturrisiken sind grundsätzlich die Länder zuständig. Das Ministerium würde es daher begrüßen, wenn die Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeit und Möglichkeiten eine länderfinanzierte Förderung von entsprechenden Versicherungen anbieten würden.“Eine Finanzierung von Versicherungen auf Bundesebene aber sehe man kritisch. Auch ein Blick in das Protokoll der letzten Agrarministerkonferenz ergibt: Wer auf Mittel aus Berlin hofft, könnte enttäuscht werden. Dort betont der Bund, man könne zwar darüber diskutieren ab 2020 entsprechende Mittel bereitzustellen, dafür werde dann aber an anderer Stelle gestrichen, neues Geld für die Förderung der Landwirte gebe es dafür nicht.
Deshalb bringt die FDP im Stuttgarter Landtag in Rage, dass CDU und Grüne weiter den Schein erweckten, als sei die Versicherung in greifbarer Nähe. Der liberale Agrarexperte Klaus Hoher sagt: „Ich habe langsam das Gefühl, Grüne und CDU wollen die Landwirte hinter die Fichte führen. Minister Hauk erzählt, er sei mit Bund und Ländern in Gesprächen über eine staatlich bezuschusste Mehrgefahrenversicherung, obwohl die Bundesregierung schon mitgeteilt hat, dass sie sich weder verfassungsrechtlich zuständig fühlt, noch frisches Geld zuschießen wird.“
Auch die Grünen sind unglücklich. „Ich bin total enttäuscht vom Bund. Es zeigt sich einmal mehr, dass diese Regierung weit entfernt ist von jeder Reformfähigkeit.“Es könne nicht sein, dass der Bund keine eigenen Mittel geben wolle. Dennoch will das Land in Vorleistung gehen und für den kommenden Doppelhaushalt 2020/21 Mittel einstellen, um eine Unterstützung für entsprechende Policen zumindest zu starten. Rund fünf Millionen Euro pro Jahr, so schätzen Experten, würde das den Landeshaushalt kosten – wenn der Bund ebenso viel gibt. Hauk hält sich bedeckt Landwirtschaftsminister Hauk tut sich naturgemäß schwerer, seine Parteifreundin Klöckner zu kritisieren. Aus seinem Haus heißt es daher ausweichend, es gebe dazu noch Debatten. „Das Ministerium gestaltet diesen noch laufenden Diskussionsprozess auf Bundesebene maßgeblich mit und setzt sich für eine deutliche Stärkung des Risikomanagements ein“, erklärte ein Sprecher. Die Hilfen müssten in den entsprechenden Förderprogrammen ab 2020 ermöglicht werden, damit „prinzipiell EU und Bund als zusätzliche Mittelgeber zur Entlastung des Landes sowie der Landwirte herangezogen werden könnten“.
FDP-Mann Hoher hält das für Nebelkerzen: „Meines Erachtens ist dieses eher unrealistische Gerede von bezuschussten Versicherungen ein klarer Versuch der CDU, vom eigenen Wortbruch abzulenken.“