Trossinger Zeitung

„Die Hilfe ist im Interesse reicher Staaten“

UN-Kommissar Türk, Architekt des Flüchtling­spakts, über den Sinn des neuen Abkommens

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GENF - Nach dem überaus umstritten­en UN-Migrations­pakt, bei dem es vor allem um Menschen ging, die aus wirtschafl­ichen Gründen ihr Heimatland verlassen, folgt nun der Globale Pakt für Flüchtling­e: Heute werden fast alle UN-Mitglieder, darunter auch Deutschlan­d, in New York das rechtlich nicht bindende Abkommen annehmen, das in den vergangene­n zwei Jahren erarbeitet wurde. Worum es geht, erläutert der Österreich­er Volker Türk (53/Foto: dpa), der beigeordne­te UN-Hochkommis­sar für Flüchtling­e und einer der Architekte­n des Abkommens, im Gespräch mit Jan Dirk Herbermann. Herr Türk, seit 1951 gibt es die Genfer Flüchtling­skonventio­n. Warum braucht die Welt auch noch den Globalen Flüchtling­spakt? Seit 2011 beobachten wir einen draViele matischen Anstieg der Flüchtling­szahlen. Die vielen Konflikte etwa in Syrien, im Irak, in Afghanista­n, Libyen oder Südsudan treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Inzwischen sind es fast 70 Millionen Kinder, Frauen und Männer. Wir sehen uns mit einer globalen Krise konfrontie­rt. Die Genfer Flüchtling­skonventio­n von 1951 regelt die Rechte der Flüchtling­e und die Pflichten der Staaten. Die Konvention reicht aber nicht aus, die epochale Krise zu bewältigen. Der neue Pakt soll die Verantwort­ung und Lasten dieser Krisen gerechter verteilen. Können Sie das konkreter fassen? Menschen auf der Flucht haben in armen, teilweise bitterarme­n Ländern Schutz gefunden. Diese Länder wie Jordanien, Libanon, Kenia oder Uganda haben oft nicht die nötigen finanziell­en Mittel, um die Flüchtling­e zu versorgen. Hier greift der neue Pakt, der rechtlich nicht bindend ist. Der Pakt soll dafür sorgen, dass die Länder, die es sich leisten können, den schwachen Aufnahmelä­ndern mehr Hilfe geben. Dadurch wollen wir den Druck von den enorm betroffene­n weniger starken Staaten nehmen und somit das internatio­nale System stabiler machen. Die Zusagen werden freiwillig sein. Wir hoffen natürlich auf die Großzügigk­eit der Staaten und globale Solidaritä­t. Wie erklären Sie Europas Steuerzahl­ern, dass sie für die globale Solidaritä­t mehr zahlen sollen? Die Hilfe für die Flüchtling­e in den Aufnahmelä­ndern des Südens ist im Interesse der reichen Staaten im Norden. Wenn die Flüchtling­e anständig versorgt sind, haben sie keine Motivation, weiterzuzi­ehen. Sie hoffen, dass reiche Staaten Flüchtling­e dauerhaft aufnehmen? Das ist auch ein Ziel des Paktes. Wir ermutigen die Länder, besonders schwache und verletzlic­he Flüchtling­e, etwa alleinsteh­ende Mütter und Kinder, aufzunehme­n. Diese Umsiedlung­sprogramme basieren natürlich auch auf Freiwillig­keit. Dennoch sagten die USA als einziges Land in einer UN-Vorabstimm­ung Nein zum Flüchtling­spakt … Wir bedauern das. Die USA stellten aber klar, dass sie die internatio­nale Flüchtling­shilfe weiter unterstütz­en.

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