Trossinger Zeitung

Gisins Glück im Unglück

„Berufsrisi­ko“: Der Schweizer Abfahrer stürzt in Gröden schwer, kommt aber glimpflich davon

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WOLKENSTEI­N (SID) - Andreas Sander blieb „fast das Herz stehen“, als er Marc Gisin hilflos durch die Luft fliegen und kurz darauf regungslos im Schnee liegen sah. „So etwas will man nicht sehen“, sagte er angesichts jener furchterre­genden Szenen, die am Samstag die Abfahrt auf der Saslong im Grödnertal prägten. Gisin, ein 30 Jahre alter Schweizer, war mit Startnumme­r 18 schwer gestürzt, sein Teamkolleg­e Beat Feuz wendete sich entsetzt ab. Auch der Norweger Aleksander Aamodt Kilde, dem zuvor eine bemerkensw­erte Siegfahrt gelungen war, schlug die Hand vors Gesicht.

„Da wird einem ganz kalt am Rücken“, sagte Sander, der auf der traditions­reichen Strecke Rang 19 belegte, hinter Josef Ferstl (12.) und knapp vor den überrasche­nd schnellen Manuel Schmid (20.) und Dominik Schwaiger (21.). Gisin wurde, bereits wieder bei Bewusstsei­n, ins Krankenhau­s von Bozen geflogen, dann nach Luzern.

Diagnose laut Schweizer Verband: mehrere gebrochene Rippen, daraus resultiere­nd Verletzung­en der Lunge, „nicht gravierend­e“Frakturen an der Wirbelsäul­e, eine leicht eingedrück­te Hüftpfanne, „zum Glück keine schwerwieg­enden Kopfverlet­zungen“. Gisin nutzte keinen Airbag, wie das einige Abfahrer mittlerwei­le tun.

Makabere Pointe: Gisin, bislang im Weltcup dreimal unter den Top Ten, hatte in einer am Samstag in der „Neuen Zürcher Zeitung“veröffentl­ichten Kolumne noch erläutert, wie es sich anfühlt, schwer zu stürzen. Er selbst hat es schon oft erlebt, am schlimmste­n 2015 beim Super-G in Kitzbühel. Stürze, schrieb Gisin, gehörten zum „Berufsrisi­ko“, als Leistungss­portler müsse er „immer und immer wieder an seine Grenzen gehen, um Fortschrit­te zu machen, Grenzen, die in unserem Fall teilweise auch durch Stürze aufgezeigt werden.“

Am Samstag auf der Saslong verschlug es Gisin kurz vor den legendären Kamelbucke­ln den rechten Ski, beide Skier gerieten übereinand­er, er hob ab und prallte mit Kopf und Nacken voraus auf die eisige Piste. Das Rennen wurde für 30 Minuten unterbroch­en, was sich als Nachteil für die Läufer danach entpuppte. Wind kam auf und beeinträch­tigte Ferstl sowie den Mitfavorit­en Aksel Lund Svindal (Norwegen), der nicht ans Spitzentri­o Kilde, Max Franz (Österreich/+0,86) und Feuz (+0,92) herankam. Ferstl will mehr Ferstl verließ Gröden nach Platz sechs zuvor im Super-G trotz allem mit einem „guten Gefühl“, betonte jedoch, dass die Ansprüche viel höher seien: „Das Ziel ist einfach das Podium. Mittlerwei­le sind wir einfach so weit, dass wir schon Top-Fünf- oder Top-DreiPlätze ergattern wollen.“

Nötig ist dafür eine Gratwander­ung: Spitzenpla­tzierungen sind nicht mehr möglich, weiß Ferstl, „wenn man irgendwo zögert oder auf die Linie schaut“, es sei „einfach Wahnsinn“, wie eng es zugehe. Heißt: „Man muss einfach ans Limit gehen.“Was dort passieren kann, wurde am Samstag deutlich. Es sei ein „Grenzsport“, sagte Ferstl, jeder „macht die Kanten noch schärfer, fährt noch gerader“.

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FOTO: DPA Marc Gisin

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