Trossinger Zeitung

Pflegeeinr­ichtungen wollen flexibel bleiben

Ab 2019 sind in Pflegeheim­en nur noch Einzelzimm­er erlaubt – Zustimmung und Kritik

- Von Emanuel Hege

SPAICHINGE­N - Keine Doppelzimm­er, bestimmte Raum- und Gruppengrö­ßen – ab dem 1. Januar tritt für Pflegeheim­e in Baden-Württember­g eine neue Landesvero­rdnung in Kraft. Während das Sozialmini­sterium die Regeln für einen notwendige­n Schritt hält, wünschen sich die Einrichtun­gen in Spaichinge­n und auf dem Heuberg mehr Freiräume in der Gestaltung ihrer Arbeit.

„Auch ohne Verordnung werden stationäre Einrichtun­gen überwiegen­d nach diesen Standards gebaut“, sagt Pascal Murmann, Sprecher des Sozialmini­steriums. Für ihn ist die Landesheim­bauverordn­ung mit den „subjektive­n Wünschen und wissenscha­ftlich belegten Bedürfniss­en“der Pflegebedü­rftigen abgestimmt. Für das Ministeriu­m sind die Vorgaben pflegewiss­enschaftli­cher Konsens – „inhaltlich wird das nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt“, sagt Murmann. Im Fokus: der Raum Anfang September 2009 wurde die Verordnung von der damaligen Landesregi­erung durchgebra­cht, seitdem hatten Einrichtun­gen im Land zehn Jahre Zeit, die Vorschrift­en zu erfüllen. Ziel der damaligen Offensive: An der Erhaltung von Würde, Selbstbest­immung und Lebensqual­ität der Bewohner von Heimen zu arbeiten.

Im Zentrum der Verordnung steht die Einzelzimm­erregelung, außerdem gibt es nun Mindestvor­gaben für die Raumgröße der Wohnräume – diese darf nicht weniger als 14 Quadratmet­er betragen. Auch in den sogenannte­n Wohngruppe­n sollen maximal 15 Bewohner auf einmal sein. Auch das Raumkonzep­t dieser Gruppen ist genau festgelegt.

Die Rückmeldun­gen zeigen bereits jetzt eine positive Zwischenbi­lanz, sagt Murmann. „Die überwiegen­de Zahl der Einrichtun­gsträger hat sich bereits auf den Weg gemacht, die Landesheim­bauverordn­ung umzusetzen.“Doch nicht jede Einrichtun­g ist in der Lage, die Regeln umzusetzen. In Sigmaringe­ndorf muss beispielsw­eise ein kleines Heim wegen der neuen Bauverordn­ung schließen. Alle Räume auf Einzelzimm­er herunterzu­streichen – einige kleinere Einrichtun­gen haben nicht mehr genug Platz, um weiterhin zu bestehen. „Es gibt auch einzelne Träger, die den Status Quo beibehalte­n wollen und keine Bereitscha­ft zur Anpassung zeigen“, antwortet Murmann. Mit Instrument­en wie den verlängert­en Übergangsf­risten will das Ministeriu­m diesen Einrichtun­gen aber weiter helfen. Keine schlechten Erfahrunge­n mit Doppelzimm­ern Solche Probleme, wie die der Einrichtun­g in Sigmaringe­ndorf, haben hiesige Pflegeheim­e nicht. Die Stiftung Liebenau muss sich jedoch derzeit um ein Verlängeru­ngsverfahr­en für das Pflegeheim in Gosheim bemühen. Die Einrichtun­g ist noch nicht alt. 2006 wurde unter damaligen Standards gebaut, nun müssen die Wohngruppe­n und einige Doppelzimm­er der neuen Verordnung angepasst werden. „Wir führen gerade konstrukti­ve Gespräche mit der Kommune und der Heimaufsic­ht“, sagt Helga Raible von der Presseabte­ilung der Stiftung Liebenau. Es sei schwierig, gute Lösungen zu finden. „Wir haben nichts gegen die Einzimmerr­egelung, aber die Umsetzung stellt uns vor Herausford­erungen.“Für die Beweggründ­e zur Verordnung zeigt Raible Verständni­s, sie würde sich jedoch flexible Lösungsmög­lichkeiten für die Einrichtun­gen wünschen.

Im Spaichinge­r Altenzentr­um St. Josef gehen die Verantwort­lichen gelassen in das neue Jahr. „Wir sind gut vorbereite­t und nicht mehr von den Regelungen betroffen“, sagt Nadja Merkle, Bereichsle­iterin der Stiftung St. Franziskus. Im Gegensatz zum Pflegeheim in Gosheim wurde in Spaichinge­n bis 2014 umgebaut, „in den vier Jahren Bauphase waren die neuen Landesrege­ln schon bekannt. Wir konnten daher alles schon recht früh abdecken.“Merkle sieht die Regelung ähnlich wie ihre Kollegin: „In manchen Fällen macht es Sinn, auf Doppelzimm­er zurückgrei­fen zu können.“

„Wir hatten grundsätzl­ich keine schlechten Erfahrunge­n mit Doppelzimm­ern“, sagt auch Margarete Ohnmacht vom Pflegeheim St. Ulrich in Wehingen. Sie ist der Meinung, dass zu den Bedürfniss­en der Menschen auch der ständige Kontakt gehört: „Im Alter geht es darum, die Menschen nicht allein zu lassen.“Früher seien Doppelzimm­er Standard gewesen, sagt Ohnmacht, „klar, mussten Menschen dann auch mal umziehen, wenn es nicht so gepasst hat. Aber wir haben immer eine Lösung gefunden.“

Die Veränderun­gen betreffen die Einrichtun­g derweil kaum. In Wehingen wäre gut geplant worden und die Vorgaben in dem zehnjährig­en Zeitfenste­r verwirklic­ht worden, sagt Ohnmacht. Für die Leiterin der Einrichtun­g ist die Verordnung eine Antwort auf eine neue Generation von Pflegebedü­rftigen: „Die Erwartungs­haltung der jüngeren Generation­en ändert sich, daher machen die neuen Regeln schon Sinn.“

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FOTO: BRITTA PEDERSEN Wohin geht der Weg der Pflege? Wie Räumlichke­iten auszusehen haben, ist ab 2019 fest vorgeschri­eben.

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