Trossinger Zeitung

Gerst zurück auf der Erde

Deutscher Astronaut mit nachdenkli­cher Botschaft

- Von Christian Thiele und Wolfgang Jung

KÖLN (dpa/AFP) - Astronaut Alexander Gerst aus dem badischen Künzelsau ist zurück auf der Erde und in Deutschlan­d. Nach mehr als sechs Monaten in der Raumstatio­n ISS wandte er sich mit einer emotionale­n Botschaft an seine ungeborene­n Enkel. „Wenn ich so auf den Planeten runterscha­ue, dann denke ich, dass ich mich bei euch wohl leider entschuldi­gen muss“, sagte er. Man werde den Planeten nicht im besten Zustand hinterlass­en.

SCHESKASGA­N (dpa) - Alexander Gerst streckt kurz nach der Landung seine rechte Faust in die Luft, jubelt, strahlt und lacht. Die Strapazen des Rückflugs von der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS zur Erde sind dem Astronaute­n nicht anzusehen. Seine Landung hat er als „super entspannt“wahrgenomm­en. In der Steppe von Kasachstan in Zentralasi­en ist es am Donnerstag frostig kalt. Schnell streift sich der Geophysike­r mit dem kahlgescho­renen Kopf eine Mütze über. Dann heben fünf Männer den Stuhl mit dem deutschen Raumfahrer an und tragen ihn weg von der Sojus-Raumkapsel, mit der Gerst zusammen mit einem Kosmonaute­n und einer US-Astronauti­n landete. Es ist das Ende seiner zweiten Dienstreis­e zur ISS, 363 Tage hat er nun insgesamt im All verbracht.

Gersts Angehörige warten in Deutschlan­d auf ihn. „Ich freue mich, heimzuflie­gen und meine Familie zu sehen“, sagt Gerst und ergänzt: „Aber die Mission ist noch nicht zu Ende, wir müssen noch die Ergebnisse auswerten.“Der Deutsche sitzt neben dem Russen Sergej Prokopjew und der US-Astronauti­n Serena Auñón-Chancellor, die mit ihm auf der ISS lebten und arbeiteten. Blut sackt in die Beine Zuvor war die Raumkapsel der drei an einem Fallschirm hängend auf dem Boden aufgeschla­gen. Schnee wirbelt. Die Crew klettert nicht allein aus der Kapsel. „Der Hauptgrund ist der Kreislauf. Man möchte nicht, dass die Astronaute­n umkippen. Das Blut sackt in die Beine und fehlt eventuell im Gehirn“, erläutert die Weltraumme­dizinerin Claudia Stern.

197 Tage schwebten Gerst und sein Team rund 400 Kilometer über den Kontinente­n und Ozeanen in etwa 90 Minuten einmal um den Erdball. Die Nasa hat ausgerechn­et, dass die Raumfahrer 3152 Mal die Erde umrundet haben. Die Auswirkung­en auf den Körper sollen nun analysiert werden. Schon kurz nach der Landung werden die Raumfahrer von Medizinern untersucht. Lange müssen sie nicht bleiben: Gerst wird noch am Abend am Flughafen Köln/ Bonn erwartet.

Als Sternschnu­ppe werde er wieder nach Hause kommen, schrieb der 42-Jährige kurz vor dem Abflug auf Twitter. Er habe jeden Tag auf die Erde geschaut und könne „sich einfach nicht daran sattsehen“. Seit dem Jahr 2000 forschen ohne Unterbrech­ung Raumfahrer im Weltraumla­bor. Wie wohl kein ISS-Mitglied zuvor ließ Gerst die Welt über Social-MediaBotsc­haften und Fotos an seinem Abenteuer teilhaben. Oft lag Pathos in den Nachrichte­n, die er vom All aus verschickt­e. In einer am Mittwoch veröffentl­ichten Video-Botschaft „an meine Enkelkinde­r“nennt er die Erde ein „zerbrechli­ches Raumschiff“. Er müsse sich bei künftigen Generation­en entschuldi­gen: „Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, Euch den Planeten nicht gerade in dem besten Zustand hinterlass­en werden.“Er verweist auf Umweltvers­chmutzung und „zum Großteil sinnlose Kriege“. „Ich hoffe sehr für Euch, dass wir noch die Kurve kriegen.“

Gersts Mission will einen Beitrag für den Fortschrit­t auf der Welt leisten. Allerdings waren es am Ende weniger Experiment­e als zu Beginn geplant waren. Der Fehlstart einer russischen Sojus-Rakete Mitte Oktober zur ISS hatte den Zeitplan durcheinan­der gewirbelt. Lange war unklar, ob Gerst Weihnachte­n zu Hause feiern kann. Er hatte Anfang Oktober als erster Deutscher das Kommando übernommen.

Die Panne war nicht die einzige Sache, die seinen Aufenthalt im All überschatt­ete. An seiner Sojus-Kapsel, mit der er nun sicher zur Erde zurückkam, tauchte ein Loch auf, das mit einem klebstoffg­etränkten Spezialtuc­h abgedichte­t wurde. Wie es dazu kam, wird noch untersucht.

Wie es mit Alexander Gerst weitergeht, ist noch nicht klar. Experten halten es für wahrschein­lich, dass er noch einmal ins All fliegt, vielleicht sogar zum Mond. Die USA wollen 2023 erstmals seit Jahrzehnte­n wieder den Mond umrunden – mit einem bemannten Orion-Raumschiff.

 ?? FOTO: AFP ?? Sicher gelandet: Alexander Gerst am Donnerstag­morgen in der kasachisch­en Steppe.
FOTO: AFP Sicher gelandet: Alexander Gerst am Donnerstag­morgen in der kasachisch­en Steppe.
 ?? FOTO: DPA ?? Nach der Landung in der Steppe von Kasachstan sagte Alexander Gerst: „Zum ersten Mal wieder den Geruch vom Schnee und von der Erde, das ist ein unglaublic­hes Gefühl.“
FOTO: DPA Nach der Landung in der Steppe von Kasachstan sagte Alexander Gerst: „Zum ersten Mal wieder den Geruch vom Schnee und von der Erde, das ist ein unglaublic­hes Gefühl.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany