Trossinger Zeitung

Vermittler

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Der belgische König Philippe bekommt dieser Tage viel Besuch. Seit der Regierungs­chef Charles Michel am Dienstag seinen Rücktritt erklärt hat, geben sich die Parteivors­itzenden im Königspala­st die Klinke in die Hand. Da es von jeder politische­n Gruppierun­g einen flämischen und einen wallonisch­en Ableger gibt, herrscht Hochbetrie­b in dem riesigen Bau im Zentrum Brüssels.

Die Lage ist komplizier­t. Laut Verfassung hätte Philippe die Möglichkei­t, den Rücktritt seines Premiermin­isters zurückzuwe­isen. Da der sich aber im Parlament auf keine Mehrheit mehr stützen kann, seit die rechtslibe­rale N-VA im Streit um den Migrations­pakt die Regierung verlassen hat, wäre ein Misstrauen­svotum der Opposition vermutlich erfolgreic­h. Vorgezogen­e Neuwahlen will außer der N-VA, dem nationalis­tischen Vlaams Belang und der rechtslibe­ralen Parti Populaire niemand. Zu deutlich ist den meisten Abgeordnet­en das Drama nach der vergangene­n Wahl im Gedächtnis, als es 541 Tage dauerte, bis endlich eine Regierung gebildet war.

Damals haben sich viele Belgier gefragt, wozu eine Föderalreg­ierung überhaupt noch gebraucht wird. Da nach vielen Reformrund­en fast alle Kompetenze­n auf die regionale Ebene gewandert sind, fällt ein Machtvakuu­m an der Spitze kaum mehr ins Gewicht. Deshalb spricht Philippe nun mit allen politische­n Kräften über die Frage, ob nicht eine geduldete Minderheit­sregierung unter Michel bis zu den ohnehin im Mai fälligen Neuwahlen kommissari­sch im Amt bleiben könnte.

Der Haushalt könnte relativ unkomplizi­ert weiterlauf­en. Bereits beschlosse­ne Gesetze werden noch umgesetzt, die laufenden Geschäfte fortgeführ­t, aber keine neuen politische­n Projekte in Angriff genommen.

Daniela Weingärtne­r

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FOTO: DPA König Philippe von Belgien muss derzeit viel Überzeugun­gsarbeit leisten.

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