Stadt lässt bauen
Flüchtlings- und Obdachlosenheim: Projekt wird hinter verschlossenen Türen geplant
SPAICHINGEN - Obwohl nach Abschluss der Restbauarbeiten in der Hauptstraße – vor der erneuten Etappe mit Vollsperrung 2019 – in der Stadtmitte wenig öffentlich gebaut wird, ist 2018 eines der Jahre, in denen sich Spaichingens Gesicht massiv verändert.
Der Blick von oben zeigt: Das Baugebiet Heidengraben und die Neubauten im Gewerbegebiet Eschenwasen und Max-Planck-Straße verbreitern die Stadt in die grüne Fläche. Recherchen dieser Zeitung haben ergeben, dass, gemessen an der insgesamt zur Verfügung stehenden Gemarkungsfläche, Spaichingen diejenige Gemeinde im Kreis ist, die prozentual bereits jetzt am meisten verbaut ist. Trotzdem beschließt der Gemeinderat im November, ein weiteres großes Baugebiet anzugehen. In wenigen Jahren wird dann die Grün- und Ackerfläche zwischen Dreifaltigkeitsberg und dem Baugebiet Heidengraben ebenfalls verbaut sein.
Ein Bauprojekt ärgert 2018 viele. Zum Teil, weil der Standort zwischen Straße und Gleisen für so viele Menschen als ungeeignet gesehen wird. Vor allem aber, weil das Projekt komplett hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Auslöser ist der Bedarf nach Wohnungen zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen. Viele Monate lang ist Spaichingen hier die Gemeinde im Landkreis, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.
Als der Stadt die Zuweisung von 15 jungen Männern angekündigt wird, werden diese in das Haus Hauptstraße 174 eingewiesen. Ein eigentlich bereits im Gemeinderat als Abbruchhaus vorgestelltes Gebäude. Mit der schnell zu bewältigen Aufnahme von Flüchtlingen 2015 war es als Unterkunft gewählt worden. Doch auch jetzt hält die Stadt an diesem Gebäude fest. Der Grund: Der in vor der Öffentlichkeit verborgenen Verhandlungen geplante Neubau in der Eisenbahnstraße soll – nach Protesten der Nachbarn – nicht von alleinstehenden Männern, sondern nur von Familien belegt werden. So verspricht es Bürgermeister Hans Georg Schuhmacher.
Die enormen Nutzungskosten von 11,09 Euro je Quadratmeter muss das Sozialamt bei Hartz IV-Beziehern bezahlen, diesen Satz legt der Gemeinderat in der Satzung für Obdachlosenund Flüchtlingswohnungen fest. Das bedeutet auch, dass es sich nicht um Sozialwohnungen handelt. Mit diesem Anspruch war der Gemeinderat im Jahr zuvor in einem Beschluss abgesprungen.
Gelandet ist er mit einem Konstrukt, das komplett nicht öffentlich verhandelt wurde und folgendermaßen aussieht: Die Stadt verkauft das Gelände an einen Bauträger. Der Bauträger baut die Wohnungen und die Stadt sichert auf 20 Jahre die Mietkosten zu, übernimmt die Verwaltung des Gebäudes und weist die Bewohner nach eigenem Gutdünken zu. Antworten auf die Frage nach den Vergabe-Kriterien gibt Bürgermeister Schuhmacher nicht.
Im Gemeinderat unterstützen die Freien Wähler, die SPD, die FDP, und fast die gesamte CDU dieses Vorgehen. Kritisch hinterfragen Pro Spaichingen und die Grünen, die vor allem kritisieren, dass die Debatte an den direkten Anwohnern und der Spaichinger Bevölkerung vorbei gelaufen ist. Sie lehnen die gefällten Beschlüsse ab.
Unter anderen die CDU hatte – auch nicht öffentlich – darauf gedrängt, dass auch andere Bauträger gefragt werden. Das sei, so verraten Insider, wenige Tage vor Weihnachten geschehen – keine Chance, das Projekt termingerecht zu kalkulieren.
2,1 Millionen kostet das Projekt den Bauträger nach eigenen Angaben. Trotz „Modularbauweise“sollen die Wohnungen solide und nicht billig ausgeführt werden.
Im Oktober ist Einzug der ersten Familien.