Pionier für einen modernen Staat im Südwesten
Vor 450 Jahren – am 28. Dezember 1568 – starb der württembergische Reformer Herzog Christoph
STUTTGART/TÜBINGEN (epd) - Als Herzog Christoph im Jahre 1550 die Regierung übernahm, war das erst kurz zuvor evangelisch gewordene Württemberg akut in seiner Existenz bedroht. Der Schmalkaldische Krieg war verloren worden, das Herzogtum war von spanischen Truppen besetzt, die das Land gewaltsam rekatholisieren wollten. Außerdem sollte dem Haus Württemberg das Herzogtum aberkannt werden.
In seiner 18-jährigen Regierungszeit gelang es Christoph mit Klugheit, Umsicht und hohen Geldzahlungen, sein Land aus der existenzbedrohenden habsburgischen Umklammerung zu befreien und das Herzogtum zum evangelischen Musterund Vorzeigestaat umzugestalten. Der neue Glaube wurde festgeschrieben und rechtlich abgesichert, und es entstand die Landeskirche – unter der Mitwirkung des Reformators Johannes Brenz. Die Entscheidungen wirken bis heute nach.
So entstand mit der „Großen Kirchenordnung“von 1559 ein frühmoderner Staat. Sie regelte nicht nur den engeren kirchlichen Bereich, in ihr wurden auch alle Polizeiordnungen zusammengefasst, das Landrecht kodifiziert und einheitliche Landesmaße eingeführt. Auf sie geht etwa die für Altwürttemberg typische Realteilung im Erbrecht zurück. Die Kirchenordnung diente als Vorbild für weitere evangelische Territorien; etwa für die Markgrafschaft Baden, die Kurpfalz, BraunschweigLüneburg und Kursachsen.
Außerdem erhielt das Land eine ungemein moderne und fortschrittliche Bildungspyramide mit Dorfschulen, Klosterschulen und dem Tübinger Stift. Es gab jedem begabten Landeskind seine Chance. Das neu aufgebaute Schulsystem war – wie sich im Rückblick zeigt – für Württemberg die Weichenstellung hin zum Volk der Dichter und Denker. Die wissenschaftlich ausgebildete württembergische Pfarrerschaft galt bald als die beste im gesamten deutschen Sprachraum.
Der neue Glaube wurde in einem besonderen Glaubensbekenntnis („Confessio Virtembergica“) festgeschrieben und verfassungsmäßig abgesichert. Damit – und mit einer gezielten Heiratspolitik – sicherte der Herzog den Bestand des evangelischen, rings von altgläubigen Gebieten umgebenen Württembergs. Dem Land wuchs rasch eine führende Rolle im Protestantismus zu; es wurde zum Zufluchtsort für evangelische Glaubensflüchtlinge. Auf dem Konzil von Trient vertrat Württemberg die evangelische Sache bei dem vergeblich gebliebenen Versuch, die Glaubensspaltung doch noch zu überwinden.
Zum Neuaufbau des Landes dienten auch der Bau oder Ausbau von Landesfestungen wie Hohentwiel, Hohenasperg oder Hohenneuffen. Dabei und mit seinen Schlossbauten wurde die Renaissance im Lande heimisch.
Der in Urach bei Reutlingen geborene Christoph war der einzige Sohn von Herzog Ulrich. Er erlitt im Spannungsfeld der zerrütteten Ehe seiner Eltern eine dramatische Jugend, geprägt auch von der politischen Auseinandersetzung zwischen Württemberg und Kaiser Karl V. und den Wirren von Reformation und Gegenreformation. Christoph zählt zu den bedeutendsten Herzögen Württembergs. Er ist schon als „Glücksfall württembergischer Geschichte“, als „Genie von einem Regenten“und „Muster eines Landesvaters“bezeichnet worden. Er bescherte dem Land eine – damals seltene – Zeit des Friedens, der inneren Konsolidierung und des wachsenden Wohlstandes. Christoph wurde 53 Jahre alt; er starb am 28. Dezember 1568 in Stuttgart. Bestattet ist er im Chor der Stiftskirche in Tübingen.