Trossinger Zeitung

„Kindergeld­betrug betrifft eine sehr kleine Gruppe“

Familienka­ssenleiter Karsten Bunk tritt dem Vorurteil entgegen, Südosteuro­päer betrieben Abzocke in großem Stil

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BERLIN (dpa) - Karsten Bunk (Foto: dpa) ist der Herr über das Kindergeld in Deutschlan­d. Er leitet die Familienka­sse, die die Zahlungen an rund 15 Millionen Kindern organisier­t. Nach Betrugsfäl­len will Bunk gegensteue­rn. Im Interview erklärt er, wie kriminelle Banden, die teils nicht existieren­de Kinder melden, ab 2019 besser überführt werden sollen. Wie wollen Sie Missbrauch beim Kindergeld­bezug verhindern? Die 14 regionalen Familienka­ssen mit ihren etwas über 100 Standorten in Deutschlan­d sind viel stärker sensibilis­iert. Das heißt: Überall schauen wir jetzt noch genauer hin bei Anträgen von neu zugewander­ten EUStaatsan­gehörigen, wie plausibel die Unterlagen sind. Und wir stellen uns auch mit zusätzlich­en Stellen personell für eine nachhaltig­e Missbrauch­skontrolle besser auf, so dass wir überall Netzwerke mit anderen Behörden, wie Einwohnerm­eldeämtern, Ausländerb­ehörden und Polizei bilden können. Zudem werden wir den Datenausta­usch intensivie­ren. Sie haben eine Art Task Force angekündig­t, wie sieht das aus? In jeder der 14 Familienka­ssen stellen wir zwei Fachleute ein, die die Netzwerke knüpfen, an Vor-Ort-Aktionen teilnehmen und den Austausch von Daten organisier­en, um Betrugsmus­ter besser erkennen zu können. Alle Verdachtsf­älle werden an eine zentrale Sondereinh­eit gegeben. Jeder Verdachtsf­all wird geprüft. Zuviel gezahltes Geld wird zurückgefo­rdert. Wann sollten denn die Alarmglock­en klingeln? Die klassische­n Fälle sind meist ganze Familien, die nach Deutschlan­d kommen und sich in Verhältnis­sen etablieren, wo man nicht den Eindruck hat, dass sie sich hier dauerhaft niederlass­en wollen. Sie wohnen oft in Schrottimm­obilien und beantragen Kindergeld für ihre Kinder – ohne sich erkennbar um eine Beschäftig­ung zu bemühen. Es wird dabei für vergleichs­weise viele Kinder Kindergeld beantragt. Kindergeld­berechtigt­e aus Südosteuro­pa haben durchschni­ttlich ein bis zwei Kinder. In den Verdachtsf­ällen werden häufig gleich drei, vier oder fünf Kinder identifizi­ert. Wie kann man Betrug entlarven? Die eingereich­ten Bescheinig­ungen und Geburtsurk­unden sind lückenhaft oder sehen oft immer wieder gleich aus, mit den gleichen fragwürdig­en Stempeln und Unterschri­ften, die uns schon in vorher festgestel­lten Missbrauch­sfällen aufgefalle­n sind. Wenn man dann bei staatliche­n Stellen zum Beispiel in Rumänien oder Bulgarien nachfragt, ob es überhaupt diese Schule oder diese Beurkundun­gsform gibt, stellt man oft fest: Nein, gibt es nicht. Es gibt häufig auch einen bestimmten Akteur, der für mehrere Familien als Dolmetsche­r und Betreuer auftritt. Bei solchen Personen besteht der Verdacht, dass sie den Leistungsm­issbrauch für ganze Gruppen steuern. Sind das Einzelfäll­e? Ich möchte betonen: Es ist unseriös, daraus die Botschaft zu machen, das betrifft alle Rumänen und alle Bulgaren. Nach allem, was wir wissen, betrifft das immer noch eine sehr kleine Gruppe.

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Karsten Bunk

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