Von wegen Prokrastination
as eine Ambulanz ist, weiß wohl jeder: ein Krankenwagen oder eine Aufnahmestation in Krankenhäusern für die ambulante, sprich: nicht stationäre Behandlung. Aber was ist eine
Mit diesem Wort, das vor einigen Tagen ohne weitere Erklärung in unserer Zeitung stand, werden die wenigsten etwas anfangen können. An ausgefallenen Fremdwörtern mit der Vorsilbe und der Nachsilbe ist ja kein Mangel: (Weiterverbreitung, speziell von Atomwaffen an Länder ohne eigene Produktion),
(Veröffentlichung eines Gesetzes), (Kniefall vor einem Herrscher) etc. Aber
findet sich im Gegensatz zu den anderen nicht einmal im Großen Fremdwörterduden von 2007. Nun könnte man an denken, jenen Riesen aus der griechischen Mythologie, der durch sein brutales Handwerk sprichwörtlich wurde. Er lauerte Wanderern auf und zwang sie in sein Bett. Waren sie zu klein gewachsen, so streckte er sie in die Länge. Standen ihre Füße jedoch über, so hackte der Unhold sie kurzerhand ab. Von einem
spricht man bekanntlich, wenn etwas in ein System hineingezwungen wird, in das es nicht passt. Mit der hat – griechisch – allerdings nichts zu tun. Dass dieses Fremdwort erst in die letzte Duden-Ausgabe Nr. 27 aufgenommen wurde, kommt nicht von ungefähr. Es ist zwar ein schon sehr alter, aber erst in jüngster Zeit durch den Einfluss soziologischer, psychologischer oder medizinischer Texte aus den USA auch bei uns modisch gewordener Begriff für eine Störung des Arbeitsmanagements. Weniger geschwollen gesagt: – lateinisch heißt – ist das Aufschieben von leidiger Arbeit. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, heißt es nicht umsonst im Volksmund. Und weil diese Untugend des Vertagens vor allem bei planlos vor sich hin studierenden jungen Leuten grassiert, hat die Universität Münster eigens eine
eingerichtet. Dort erhalten Studenten Anleitungen zum sinnvollen Organisieren ihres Pensums, um sich den späteren Druck mit all seinen negativen Folgen zu ersparen. Rolf Waldvogel Montag ist Silvester, und gerade artikulieren viele Zeitgenossen ihre Vorsätze für 2019. Da ist die Warnung vor der durchaus angebracht. Denn um noch einmal den Volksmund zu zitieren: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“Das klingt zwar hart, aber es heißt doch nur, dass man sich unter anderem nicht zu viel vornehmen darf, weil man sonst die Befriedigung der Fülle von eigenen Ansprüchen als schier unüberwindbare Hürde empfindet und sein Heil im Aufschub sucht. Ein berühmter Landsmann – der wortgewaltige Augustinerbarfüßermönch Abraham a Sancta Clara aus Kreenheinstetten bei Meßkirch – hat es schon um 1700 unübertrefflich formuliert: „Der Vorsatz ist wie ein Aal: leichter zu fassen als zu halten.“ Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg
r.waldvogel@schwaebische.de