Trossinger Zeitung

„Wir sind die Anwälte der Tiere“

Jagd kämpft mit dem Image – Kreisjäger­meister Clemens Bendowski setzt auf Kommunikat­ion

- Von Emanuel Hege

DEILINGEN - Rauchend sitzt Clemens Bendowski in der kleinen Holzhütte neben seinem Haus am Deilinger Waldrand. Er ist vorbereite­t auf seinen Besucher: Vor ihm auf dem Tisch liegen sein Laptop und verschiede­nste Dokumente – von der Geschichte des Jagens über das Jagdrecht bis hin zu seinen persönlich­en Ansichten, Bendowski hat alles abgetippt und ausgedruck­t. Er will heute über die Jagd reden, was ihn bewegt, welche Probleme er sieht – und eines klar stellen: „Wir sind die Anwälte der Tiere.“

Bendowski ist Kreisjäger­meister in Tuttlingen und hat in dieser Position vor allem eines zu beachten: Regeln. Außerdem ist er Ansprechpa­rtner, wenn es darum geht, Jagen für Fachfremde verständli­ch zu machen. Das gesellscha­ftliche Bild sei eines der großen Probleme, das ihn als Jäger umtreibt. „Das Vorurteil, wir wollen nur rumballern, ist falsch“, sagt Bendowski. In Deilingen beispielsw­eise müsse man bis zu 15 Mal in den Hochsitz, bis man den „Finger krümmen kann“. Er selbst sieht sich als „Teller-Jäger“– nichts sei mehr Bio als das Wildbret, das er selbst schießt. An der Wand hinter ihm hängen ein Dutzend Geweihe. Ein wenig verlegen greift er eine kleine „Schaufel“von der Wand: „Ich sehe das nicht als Trophäe, jedes Teil hat hier seine eigene Geschichte.“Doch nicht nur der Druck von den Tierschütz­ern beschäftig­t den 53-Jährigen. Auch die Verpächter verlangen viel. Dass der Forst im Landkreis wirtschaft­lichen Erfolg abwirft, sei für alle wichtig, sagt Verena Dorsch, Dezernenti­n für ländlichen Raum für den Landkreis Tuttlingen: „Die Jäger müssen Verantwort­ung übernehmen, es ist im Interesse aller – denn sonst wird es teuer.“Wegen des hohen Verbisses an jungen Bäumen sind auch die Reviere in Spaichinge­n und auf dem Heuberg immer mehr auf Drückjagde­n angewiesen. Das komme nicht bei allen Jägern gut an, sagt Dorsch, da spiele der Tierschutz der Jäger selbst eine Rolle.

„Wir bekommen an vielen Orten keine Bäume mehr hoch“, seufzt Dorsch, Tierschütz­er auf der einen, Verpächter auf der anderen Seite. Stehen Jäger mehr unter Beschuss als früher? „Jagen ist insgesamt schwerer geworden“, sagt Dorsch, die selbst einen Jagdschein besitzt. Der Freizeitst­ress der Jäger und bessere Deckungsmö­glichkeite­n für das Wild – es spielen verschiede­ne Einflüsse eine Rolle. Ziel ist Zusammenar­beit Mit einem großen Satz springt Clemens Bendowski vom Waldweg in das Unterholz. An einem Baum, der ihm zum Knie reicht, macht er Halt. „Hier sieht man es gut, das Wild knabbert da herum, aus dem Baum wird nichts mehr.“

Bendowski zeigt weder eine romantisch­e Nähe zur Natur noch einen Hang zur Selbstprof­ilierung durch Trophäen. Für ihn ist Jagen das Erfüllen eines Auftrags. Er klingt bürokratis­ch, wenn er Dinge sagt wie „wir müssen uns überlegen, wie viel Wild ein Forst verträgt.“Das Wild knabbere nun mal an jungen Trieben und gehe auf die Äcker, zerstöre Baumbestan­d und Ernte. „Mit Wald und Feld will doch jemand einen wirtschaft­lichen Ertrag erzielen. Wir haben Abschussza­hlen – und die gilt es zu erfüllen.“Neben dem Auftrag sei auch das Recht die Basis der Jagd, dabei verweist er mehrmals auf Dokumente mit Paragraphe­n und Absätzen und liest einzelne Vorgaben laut vor.

Er selbst habe kein Problem mit dem Anliegen der Förster, möglichst viel Wild zu schießen. Derzeit sei es den Grundbesit­zern und der Kommune oft zu wenig, was in Deilingen und Umgebung erlegt wird. „Uns werden nun mal die Zahlen vorgegeben. Mit einem Polizisten diskutiert man auch nicht, ob eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung Sinn macht.“

Verena Dorsch setzt sich regelmäßig mit Pächtern und Verpächter­n an einen Tisch. „Die klassische­n Abschussli­sten hatten keinen Erfolg. Mittlerwei­le gibt es in den unterschie­dlichen Revieren Zielverein­barungen“, sagt Dorsch. Dabei müsse keine Anzahl an Abschüssen definiert werden, meistens sei das aber der Fall. Die Kommunikat­ion funktionie­re recht gut, mit dem derzeitige­n „Wilddruck“ist das Landratsam­t „relativ zufrieden“.

Bendowski und Dorsch geben jedoch Hinweise, dass die Zusammenar­beit ganz unterschie­dlich ablaufen kann. So gebe es Jäger, die mit ihrer Arbeit nicht hinterher kommen – sogar einen beachtlich­en Wildbestan­d heranwachs­en lassen, um dann bei Bedarf auch erfolgreic­h zu jagen. Auf Beispiele im Landkreis Tuttlingen wollen sich beide nicht festlegen. „Für Selbstregu­lierung zu spät“Obwohl der Druck auf Jäger steigt, Abschüsse zu erzielen, sieht sich Bendowski als „Anwalt für die Tiere, die noch geduldet werden“. Neben der „Hege mit der Buchse“könne ein Jäger durch verschiede­ne Maßnahmen viel für den Wildbestan­d einer Region bewegen: Den Lebensraum nach den Ansprüchen ausrichten, Deckungsmö­glichkeite­n in Äckern schaffen und Wildruhezo­nen einrichten – der Großteil seiner Arbeit gehe für die Hege drauf, sagt Bendowski.

Um die Jagd zu verteidige­n, greift er gerne ein Argument der Tierschütz­er auf: Der Wildbestan­d würde sich natürlich regulieren, wenn man ihn nur lasse. „Für eine solche Selbstregu­lierung ist es zu spät“, sagt Bendowski und malt einen Teufelskre­is. „Sobald der Mensch in den Wald eingreift, ist der natürliche Kreislauf schon so gestört, dass der Tierbestan­d nicht mehr ausreichen­d Futter bekommt.“Nur noch 0,3 Prozent des Waldes in Deutschlan­d seien urtümlich. „Es ist zu spät, auf die natürliche Regulierun­g zu hoffen“– die Natur sei dazu gar nicht mehr in der Lage. Ein Video sehen Sie bei www.schwaebisc­he.de unter Spaichinge­n

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FOTO: EMANUEL HEGE Die Jagd ist ein Auftrag, sagt Kreisjäger­meister Clemens Bendowski aus Deilingen.
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