„Wir sind die Anwälte der Tiere“
Jagd kämpft mit dem Image – Kreisjägermeister Clemens Bendowski setzt auf Kommunikation
DEILINGEN - Rauchend sitzt Clemens Bendowski in der kleinen Holzhütte neben seinem Haus am Deilinger Waldrand. Er ist vorbereitet auf seinen Besucher: Vor ihm auf dem Tisch liegen sein Laptop und verschiedenste Dokumente – von der Geschichte des Jagens über das Jagdrecht bis hin zu seinen persönlichen Ansichten, Bendowski hat alles abgetippt und ausgedruckt. Er will heute über die Jagd reden, was ihn bewegt, welche Probleme er sieht – und eines klar stellen: „Wir sind die Anwälte der Tiere.“
Bendowski ist Kreisjägermeister in Tuttlingen und hat in dieser Position vor allem eines zu beachten: Regeln. Außerdem ist er Ansprechpartner, wenn es darum geht, Jagen für Fachfremde verständlich zu machen. Das gesellschaftliche Bild sei eines der großen Probleme, das ihn als Jäger umtreibt. „Das Vorurteil, wir wollen nur rumballern, ist falsch“, sagt Bendowski. In Deilingen beispielsweise müsse man bis zu 15 Mal in den Hochsitz, bis man den „Finger krümmen kann“. Er selbst sieht sich als „Teller-Jäger“– nichts sei mehr Bio als das Wildbret, das er selbst schießt. An der Wand hinter ihm hängen ein Dutzend Geweihe. Ein wenig verlegen greift er eine kleine „Schaufel“von der Wand: „Ich sehe das nicht als Trophäe, jedes Teil hat hier seine eigene Geschichte.“Doch nicht nur der Druck von den Tierschützern beschäftigt den 53-Jährigen. Auch die Verpächter verlangen viel. Dass der Forst im Landkreis wirtschaftlichen Erfolg abwirft, sei für alle wichtig, sagt Verena Dorsch, Dezernentin für ländlichen Raum für den Landkreis Tuttlingen: „Die Jäger müssen Verantwortung übernehmen, es ist im Interesse aller – denn sonst wird es teuer.“Wegen des hohen Verbisses an jungen Bäumen sind auch die Reviere in Spaichingen und auf dem Heuberg immer mehr auf Drückjagden angewiesen. Das komme nicht bei allen Jägern gut an, sagt Dorsch, da spiele der Tierschutz der Jäger selbst eine Rolle.
„Wir bekommen an vielen Orten keine Bäume mehr hoch“, seufzt Dorsch, Tierschützer auf der einen, Verpächter auf der anderen Seite. Stehen Jäger mehr unter Beschuss als früher? „Jagen ist insgesamt schwerer geworden“, sagt Dorsch, die selbst einen Jagdschein besitzt. Der Freizeitstress der Jäger und bessere Deckungsmöglichkeiten für das Wild – es spielen verschiedene Einflüsse eine Rolle. Ziel ist Zusammenarbeit Mit einem großen Satz springt Clemens Bendowski vom Waldweg in das Unterholz. An einem Baum, der ihm zum Knie reicht, macht er Halt. „Hier sieht man es gut, das Wild knabbert da herum, aus dem Baum wird nichts mehr.“
Bendowski zeigt weder eine romantische Nähe zur Natur noch einen Hang zur Selbstprofilierung durch Trophäen. Für ihn ist Jagen das Erfüllen eines Auftrags. Er klingt bürokratisch, wenn er Dinge sagt wie „wir müssen uns überlegen, wie viel Wild ein Forst verträgt.“Das Wild knabbere nun mal an jungen Trieben und gehe auf die Äcker, zerstöre Baumbestand und Ernte. „Mit Wald und Feld will doch jemand einen wirtschaftlichen Ertrag erzielen. Wir haben Abschusszahlen – und die gilt es zu erfüllen.“Neben dem Auftrag sei auch das Recht die Basis der Jagd, dabei verweist er mehrmals auf Dokumente mit Paragraphen und Absätzen und liest einzelne Vorgaben laut vor.
Er selbst habe kein Problem mit dem Anliegen der Förster, möglichst viel Wild zu schießen. Derzeit sei es den Grundbesitzern und der Kommune oft zu wenig, was in Deilingen und Umgebung erlegt wird. „Uns werden nun mal die Zahlen vorgegeben. Mit einem Polizisten diskutiert man auch nicht, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung Sinn macht.“
Verena Dorsch setzt sich regelmäßig mit Pächtern und Verpächtern an einen Tisch. „Die klassischen Abschusslisten hatten keinen Erfolg. Mittlerweile gibt es in den unterschiedlichen Revieren Zielvereinbarungen“, sagt Dorsch. Dabei müsse keine Anzahl an Abschüssen definiert werden, meistens sei das aber der Fall. Die Kommunikation funktioniere recht gut, mit dem derzeitigen „Wilddruck“ist das Landratsamt „relativ zufrieden“.
Bendowski und Dorsch geben jedoch Hinweise, dass die Zusammenarbeit ganz unterschiedlich ablaufen kann. So gebe es Jäger, die mit ihrer Arbeit nicht hinterher kommen – sogar einen beachtlichen Wildbestand heranwachsen lassen, um dann bei Bedarf auch erfolgreich zu jagen. Auf Beispiele im Landkreis Tuttlingen wollen sich beide nicht festlegen. „Für Selbstregulierung zu spät“Obwohl der Druck auf Jäger steigt, Abschüsse zu erzielen, sieht sich Bendowski als „Anwalt für die Tiere, die noch geduldet werden“. Neben der „Hege mit der Buchse“könne ein Jäger durch verschiedene Maßnahmen viel für den Wildbestand einer Region bewegen: Den Lebensraum nach den Ansprüchen ausrichten, Deckungsmöglichkeiten in Äckern schaffen und Wildruhezonen einrichten – der Großteil seiner Arbeit gehe für die Hege drauf, sagt Bendowski.
Um die Jagd zu verteidigen, greift er gerne ein Argument der Tierschützer auf: Der Wildbestand würde sich natürlich regulieren, wenn man ihn nur lasse. „Für eine solche Selbstregulierung ist es zu spät“, sagt Bendowski und malt einen Teufelskreis. „Sobald der Mensch in den Wald eingreift, ist der natürliche Kreislauf schon so gestört, dass der Tierbestand nicht mehr ausreichend Futter bekommt.“Nur noch 0,3 Prozent des Waldes in Deutschland seien urtümlich. „Es ist zu spät, auf die natürliche Regulierung zu hoffen“– die Natur sei dazu gar nicht mehr in der Lage. Ein Video sehen Sie bei www.schwaebische.de unter Spaichingen