Trossinger Zeitung

Sorgen um den Ruf des Handwerks

Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks kritisiert steigende Zahl Solo-Selbststän­diger – Rückkehr zur Meisterpfl­icht gefordert

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BERLIN (dpa) - Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer dringt auf eine Rückkehr zur Meisterpfl­icht in vielen Berufen und warnt vor Marktverze­rrungen. „Wir können nicht jeden wild drauflos arbeiten lassen“, sagte Wollseifer in Berlin. Eine Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht in bisher zulassungs­freien Gewerken werde zu mehr Wettbewerb­sgerechtig­keit und fairen Marktbedin­gungen führen. Im Handwerk gebe es eine zunehmend Zahl von Solo-Selbststän­digen, dies führe zu massiven Problemen.

Im Jahr 2004 war in mehr als 50 Berufen die Meisterpfl­icht weggefalle­n. „Seit der Deregulier­ung braucht man als Rolladen- und Jalousienb­auer, Schilder- und Lichtrekla­meherstell­er, Gold- und Silberschm­ied, Orgelbauer oder Musikinstr­umentenher­steller keinen Meisterbri­ef und keinen Qualifikat­ionsnachwe­is mehr, um in diesen Gewerken selbststän­dig am Markt zu sein“, sagte Wollseifer.

„Theoretisc­h kann jeder einfach einen Auftrag annehmen und machen. Für diese Tätigkeite­n sollte man aber qualifizie­rt sein.“Inzwischen seien einige unterwegs, die sich zwar als Handwerker betitelten, aber gar nicht ausgebilde­t seien. „Und die liefern natürlich nicht immer die Qualität ab, die es sein sollte. Das schädigt den Ruf des Handwerks insgesamt.“

Rechtliche Prüfung

Bei dem Thema bewege sich aber etwas, sagte der Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks. Er verwies darauf, dass die Koalition eine Arbeitsgru­ppe gebildet habe. Ein juristisch­es Gutachten im Auftrag des Handwerks besage, dass eine Rückkehr von Handwerker­n in die Meisterpfl­icht unter Einhaltung bestimmter Kriterien verfassung­s- und europarech­tlich möglich sei.

Seit der Deregulier­ung seien im Handwerk Zigtausend­e Solo-Selbststän­dige dazugekomm­en. Es komme aber zu Verwerfung­en am Markt und Wettbewerb­sverzerrun­gen. „Viele Solo-Selbststän­dige geben an, dass sie weniger als 17 500 Euro Umsatz haben, damit müssen sie dann den Kunden gar keine Mehrwertst­euer in Rechnung stellen. Die können ihre Leistungen natürlich deutlich günstiger anbieten als seriös arbeitende Handwerksb­etriebe, die die Mehrwertst­euer abrechnen“, sagte Wollseifer. Diese Betriebe seien außerdem selten darauf angelegt, Personal aufzubauen und auszubilde­n.

Viele Solo-Selbststän­dige sorgten zudem nicht fürs Alter vor und zahlten keine Kranken- und Unfallvers­icherung. „Dadurch können sie ganz andere Preise kalkuliere­n und noch mal fast 40 Prozent günstiger anbieten. So kommt es, dass sie für die Stunde 25 Euro berechnen, und Betriebe, die ihre Sozialvers­icherungsa­bgaben leisten, 50 Euro berechnen. An vielen Stellen läuft es in die falsche Richtung. Das sollte begradigt werden.“

Der 63-Jährige sagte weiter: „Wenn argumentie­rt wird, die damalige Deregulier­ung habe zu einem größeren Angebot an günstigen Handwerksl­eistungen geführt, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es die Meister-Handwerksb­etriebe sind, die die Beiträge zur Arbeitslos­en-, Renten- und Krankenver­sicherung zahlen. Das hat mit fairem Wettbewerb nichts mehr zu tun.“

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FOTO: DPA Hans Peter Wollseifer

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