Kinder sollen früher gefördert werden
Kultusministerin Eisenmann plant eine Offensive für die vorschulische Vorbereitung
STUTTGART - Die Bildungsstudien der vergangenen Jahre brachten einen Schock nach dem anderen: Die Leistungen baden-württembergischer Schüler sind im Vergleich zu früheren Jahren abgesackt. Der einstige Primus ist von vielen anderen Bundesländern überholt worden. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat mit einer Qualitätsoffensive reagiert. Neuester Ansatz: Kinder sollen schon in der Kita besser als bisher auf die Schulzeit vorbereitet werden. Dafür hat ihr Haus ein neues Förderkonzept entwickelt, wie die „Schwäbische Zeitung“auf Nachfrage erfahren hat. Die wichtigsten Details im Überblick.
Was verspricht sich Eisenmann von dem neuen Konzept? Je früher die Förderung ansetzt, desto erfolgreicher ist der Bildungsweg – so Eisenmanns zentraler Gedanke. „In der frühkindlichen Bildung lassen sich am ehesten soziale Unterschiede und Defizite ausgleichen“, erklärt ihre Sprecherin. 40 Prozent aller Kleinkinder haben laut Ministerium einen sprachlichen Förderbedarf, 20 Prozent haben mathematische, ebenfalls 20 Prozent haben motorische oder sozial-emotionale Defizite.
Gibt es nicht schon Förderprogramme in Kitas? Doch, das Land gibt jährlich 27,5 Millionen Euro für Sprachförderung aus. Dazu gehört unter anderem das Programm „Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf“, kurz: Spatz. Die bestehenden Programme hat das Ministerium zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt, zum Teil verändert und mit Neuem ergänzt.
Was verändert sich? Wie ein Kind in der jeweiligen Kita sprachlich gefördert wird, ist bislang nicht festgelegt. Das soll sich ändern. Das Ministerium will künftig konkrete Förderinhalte vorgeben. Diese sollen den Kindern in passenden Kleingruppen – auch spielerisch ganz nebenbei – beigebracht werden. Das Ziel: Die Kinder sollen unter anderem ihren Wortschatz erweitern und besser Sätze bilden lernen sowie auf das Schreiben vorbereitet werden. Was das Ministerium plant, klingt nach einem generellen Umdenken. Zeigte ein Kind bislang ein sprachliches Defizit, folgte darauf nicht unbedingt ein Förderangebot. Das soll künftig viel strukturierter geschehen: Zeigt sich bei der Einschulungsuntersuchung ein bestimmter Bedarf, oder schon früher bei Beobachtungsverfahren, soll die Kita mit Förderangeboten reagieren.
Wer vermittelt das Wissen? Die Erziehungswissenschaftlerin Susanna Roux von der Pädagogischen Hochschule in Weingarten erarbeitet hierfür ein einheitliches Qualifizierungskonzept zunächst für Sprachförderkräfte, im Anschluss für alle pädagogischen Fachkräfte. Multiplikatoren sollen ab Herbst ausgebildet werden und dann ihr Wissen weitertragen.
Was kommt neu hinzu? Die Förderung konzentriert sich bislang stark auf sprachliche Defizite der Kinder. Neu sind Angebote, durch die die Kinder ihre motorischen, sozialen und mathematischen Fähigkeiten trainieren sollen. Es soll flächendeckende Angebote im letzten Kindergartenjahr geben. Basis dafür soll die Einschulungsuntersuchung sein. Diese ist verpflichtend und findet zwischen zwei Jahren und 15 Monaten vor der Einschulung statt. Die Förderung übernehmen Grundschullehrer, die heute bereits an den Staatlichen Schulämtern für das Programm „Schulreifes Kind“angesiedelt sind. Ihre Aufgabe verschiebt sich künftig: Laut Ministeriumssprecherin sollen die nicht mehr überall tätig sein, sondern gezielter. Eine Arbeitsgruppe erarbeite dafür derzeit die Details.
Wann bekommt ein Kind diese Förderung? Nach der Einschulungsuntersuchung lädt die Kita die Eltern zu einem verbindlichen Gespräch ein, auch Vertreter von Grundschulen, vom Gesundheitsamt und von Frühförderstellen sollen mit am Tisch sitzen. Dabei sollen die Eltern Informationen über die Schwierigkeiten des Kindes und über Förderangebote erhalten.
Müssen Kinder die Angebote wahrnehmen? Nein, auch gibt es keine Zwang, an diesem Elterngespräch teilzunehmen. Das Ministerium setzt auf „sanfte Kontrolle“. Sollte diese nicht fruchten, liebäugelt Kultusministerin Eisenmann mit dem Hamburger Modell, wie ihre Sprecherin sagt. Dort müssen Kinder an Förderkursen teilnehmen, wenn die Einschulungsuntersuchung den Bedarf dafür feststellt. Die Methode der Hansestadt: Für die betroffenen Kinder beginnt die Schulpflicht einfach früher.
Woher kommt das Geld? Aus dem Pakt für gute Bildung und Betreuung, den Eisenmann mit den Kommunalverbänden vergangenes Jahr ausgehandelt und im Sommer vorgestellt hat. Damals war noch von 3,5 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für Förderangebote die Rede. Diese Summe hat sich laut Ministerium nun auf sieben Millionen Euro jedes Jahr verdoppelt. Der Pakt umfasst ein jährliches Budget von insgesamt 80 Millionen Euro. Das zusätzliche Fördergeld ist von anderen Posten laut Ministeriumssprecherin umgeschichtet worden.
Sind das Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes? Nein, bei den 80 Millionen Euro handele es sich um Landesgeld, sagt die Ministeriumssprecherin. BadenWürttemberg erwartet zwar 718 Millionen Euro im Laufe der kommenden vier Jahres über das Gute-Kita-Gesetz. Dieses Geld werde aber zusätzlich in die Qualitätsentwicklung der Kitas investiert – nicht in die Gebührenfreiheit, wie es die SPD fordert.
Wann soll das umgesetzt werden? Start soll nach den Sommerferien in diesem Jahr sein.