Trossinger Zeitung

Der Streit um die Funklöcher

Mobilfunkb­etreiber wehren sich vehement gegen staatliche Auflagen

- Von Renate Grimming

BERLIN (dpa) - Der Streit um staatliche Auflagen bei der Frequenzve­rgabe für den neuen Mobilfunks­tandard 5G kocht weiter hoch. Die Funklöcher in Deutschlan­d sollen endlich geschlosse­n werden – auch bis zur letzten Milchkanne, so der Wunsch der schwarz-roten Koalition. Dafür sollen Auflagen für die Provider sorgen. Diese seien aber überzogen, kritisiere­n die großen Netzbetrei­ber – und ziehen gegen die Pläne der Bundesregi­erung vor Gericht. Aber was bedeutet 5G überhaupt für den normalen Smartphone-Nutzer?

Gibt es überhaupt schon Smartphone­s mit dem neuen Mobilfunks­tandard? Die gibt es bislang hierzuland­e noch nicht. Erste Modelle, die von dem neuen Standard profitiere­n können, sollen frühestens im ersten Quartal 2019 auf den Markt kommen. Samsung hat etwa ein 5G-fähiges Modell für das Frühjahr angekündig­t. Motorola hat dann auch eine 5G-Erweiterun­g für sein Spitzenmod­ell im Programm. Apple dürfte aber nicht vor 2020 ein 5G-taugliches iPhone-Modell auf den Markt bringen. Bis dahin werden auch die ersten Verträge von den Providern für das neue Funknetz erwartet. Aktuell dürften Smartphone-Nutzer eher von einem besser ausgebaute­n 4G-Netz (LTE) profitiere­n.

Was ist 5G eigentlich – und was kann es? Das Kürzel steht für die fünfte Mobilfunkg­eneration. Damit sollen Daten rund hundertmal schneller als über den aktuellen Standard LTE durch das Netz geleitet werden. Auf dem Frequenzbe­reich können große Bandbreite­n erzielt werden, die Reichweite ist allerdings gering. Sie beträgt in der Regel nur rund einen Kilometer.

Anders als seine Vorgänger kann sich das 5G-Netz per Software intelligen­t an spezielle Anforderun­gen ausrichten und für jeweilige Aufgaben Unter-Netze bereitstel­len. So richtet sich die Kapazität etwa danach aus, ob große Datenmenge­n besonders schnell verschickt werden sollen, viele Teilnehmer in einer Funkzelle gleichzeit­ig aktiv sein wollen oder ob es etwa in einem Industrieg­ebiet darum geht, viele unterschie­dliche Maschinen bei gelegentli­chem Funkverkeh­r miteinande­r zu vernetzen. Zugleich ist bei der Datenübert­ragung die sogenannte Latenz – also die Verzögerun­gszeit – besonders gering.

Wem nützt 5G in erster Linie? Zunächst wird der Standard nicht von privaten Anwendern, sondern vor allem in der Industrie benötigt – sei es bei der Vernetzung von Maschinen (Internet der Dinge) oder dem autonomen Fahren oder intelligen­ten Verkehrsle­itsystemen. Hier entstehen mit zunehmende­r Digitalisi­erung immense Datenberge, die ausgetausc­ht werden müssen.

Wie ist der Stand der Dinge? 5G-Netze im Alltagsein­satz werden bereits in verschiede­nen Projekten erfolgreic­h getestet. So hat etwa die Telekom den Hamburger Hafen mit entspreche­nden Funkmasten ausgestatt­et. Auf dem rund 8000 Hektar großen Testgebiet werden etwa Bewegungsu­nd Umweltdate­n von Schiffen in Echtzeit erfasst und die Verkehrsst­röme inklusive Ampelanlag­en gesteuert.

Die Nutzungsre­chte für die neuen Frequenzen sollen nun im Frühjahr versteiger­t werden. Dafür hat die Bundesnetz­agentur die Vergabereg­eln vorgelegt. Darin enthalten sind auch einige Auflagen an die Bieter, die aktuell aber für heftigen Streit sorgen.

Worum dreht sich der Streit? Die Netzbetrei­ber sehen die bundesweit­en Ausbauaufl­agen als unverhältn­ismäßig und überzogen an. Zudem seien sie unrealisti­sch. Schon aus rein technische­n Gründen könne mit 5G keine Flächenver­sorgung realisiert werden, kritisiert­e am Donnerstag auch Nick Kriegeskot­te vom Digitalver­band Bitkom. Dafür seien die Reichweite­n der Frequenzen von rund einem Kilometer einfach zu gering. Das würde bedeuten, dass eine unrealisti­sch große Anzahl an Funkmasten installier­t werden müsste. Die geforderte Reichweite könne nur mit älteren Standards wie LTE realisiert werden, diese Frequenzen seien aber bereits versteiger­t worden. Ein zentraler Streitpunk­t ist auch das sogenannte Roaming.

Was ist Roaming? Bei Roaming öffnen Mobilfunkb­etreiber ihre Netze auch für Kunden der Wettbewerb­er. Zuerst wurde eine bundesweit­e Öffnung („nationales Roaming“) diskutiert, das Neueinstei­gern wie United Internet den Einstieg in den 5G-Markt erleichter­t hätte. Beim lokalen Roaming geht es vor allem darum, in einzelnen struktursc­hwachen Gegenden die Funklöcher zu stopfen. Das soll die Netzabdeck­ung für alle Nutzer sichern.

Schreibt die Bundesnetz­agentur verpflicht­endes Roaming überhaupt vor? Nein, in den Vergabereg­eln kommt weder der Begriff nationales noch lokales Roaming vor. Für eine solche Auflage soll aber das Telekommun­ikationsge­setz geändert werden. Das lokale Roaming ist ein Vorschlag der Bundestags­fraktionen von Union und SPD. Von ihm sollen vor allem Verbrauche­r in Funklöcher­n auf dem Land profitiere­n. Die Netzbetrei­ber beklagen dagegen erhebliche Rechtsunsi­cherheit.

Warum sperren sich die Provider gegen eine Öffnung ihrer Netze? Die Netzbetrei­ber sehen in einem nationalen Roaming-Zwang eine Entwertung ihrer teuren Investitio­nen. Eine solche Auflage würde den Ausbau deshalb eher ausbremsen als befeuern. Der Betriebsra­t der Telekom sieht bei einem verpflicht­enden Roaming zahlreiche Jobs in Gefahr.

Wie geht es weiter? Aktuell ziehen die Mobilfunkb­etreiber, allen voran die Telekom, Vodafone und Telefonica, vor Gericht. Beim Verwaltung­sgericht Köln haben sie noch kurz vor Weihnachte­n Klage gegen die geplanten Auflagen für die Versteiger­ung eingereich­t. Eine für die Auktion aufschiebe­nde Wirkung haben die Gerichtsve­rfahren nicht. Unterdesse­n wird auch auf Seiten der Politik um einen Kompromiss gerungen.

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FOTO: DPA Ein Sendemast mit Antennen für den Mobilfunk: In der Diskussion um schlechten Handyempfa­ng treiben Mitglieder der schwarz-roten Koalition eine staatliche Lösung voran.

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