Trossinger Zeitung

Geliebte Steuern

Deutsche Bürger stehen einer Studie zufolge Abgaben an den Staat vergleichs­weise positiv gegenüber

- Von Moritz Schildgen und unseren Agenturen

BERLIN - Sich lauthals über zu hohe Steuern zu beschweren, geht dem Deutschen genauso gut und gern über die Lippen wie das Schimpfen auf das schmuddeli­ge Wetter oder die schlechte Leistung des Trainers des Lieblingsf­ußballclub­s. Soweit jedenfalls das Klischee, das – wenig überrasche­nd – vom Bund der Steuerzahl­er (BdSt) Jahr um Jahr bestätigt wird. Doch eine aktuelle Studie zeigt, dass die Deutschen den Steuern und Abgaben gar nicht so ablehnend gegenübers­tehen – jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern.

Demnach sind die Deutschen eher bereit als Bürger anderer Nationen, für öffentlich­e Güter Steuern und andere Beiträge zu zahlen. Das zeigen die Ergebnisse einer Untersuchu­ng des Basel Institute of Commons and Economics, die von den Vereinten Nationen veröffentl­icht wurde. Deutschlan­d erreichte dabei auf einer Skala von eins (geringe Akzeptanz) bis zehn (starke Akzeptanz) einen Durchschni­ttswert von 7,0. In Österreich (6,4) und Kambodscha (6,7) ist die Akzeptanz demnach ebenfalls relativ hoch. Ganz anders sieht es in den Balkanstaa­ten Serbien (4,1), Montenegro (3,9) und Mazedonien (3,2) sowie in Brasilien (3,4) aus.

Das Institut hatte in den vergangene­n drei Jahren mithilfe von Universitä­ten und Nichtregie­rungsorgan­isationen Menschen in 141 Staaten gefragt, wie stark die Bürger des jeweiligen Landes wohl bereit seien, Steuern und Abgaben zu akzeptiere­n, um Gesundheit­sversorgun­g, Bildung, Umweltschu­tz, Infrastruk­tur, Sozialhilf­e, öffentlich-rechtliche Medien und Kultur zu finanziere­n. Spitzenrei­ter Deutschlan­d Die vollständi­gen Ergebnisse der Umfrage des Instituts sollen im März veröffentl­icht werden. Aktuell sind die Durchschni­ttswerte aus 14 Ländern publiziert. Dort hatten nach Angaben von Studienlei­ter Alexander Dill insgesamt rund 16 000 Menschen einen entspreche­nden Fragebogen ausgefüllt.

Nach der Berechnung des BdSt blieben deutschen Arbeitnehm­ern im vergangene­n Jahr von jedem verdienten Euro nur 45,7 Cent übrig – im Jahr davor waren es 45,4 Cent. Demnach gingen 2018 also 54,3 Prozent des Einkommens über Steuern und Abgaben an den Staat. Grundlage der Berechnung ist das Volkseinko­mmen. Das bemängeln Kritiker allerdings. Demnach seien deshalb die Berechnung­en nicht ganz aussagekrä­ftig, da das Volkseinko­mmen manche Steuern und Abgaben enthalte, die beim Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) wiederum entfallen.

Doch selbst wenn man das nach Experten aussagekrä­ftigere BIP zur Ermittlung der deutschen Steuerlast heranzieht, so wie es die OECD jährlich macht, gehört Deutschlan­d mit einer Abgabenbel­astung von 37,5 Prozent (plus 0,1 Prozentpun­kte im Vergleich zum Vorjahr) der Wirtschaft­sleistung zu den Spitzenrei­tern. Der OECD-Durchschni­tt lag bei 34,2 Prozent. Die Berechnung­en beziehen sich auf das Jahr 2017. Besonders hoch im Vergleich zu anderen OECD-Ländern sind die Sozialabga­ben, während Unternehme­nsgewinne eher durchschni­ttlich besteuert werden.

Laut „Bild“bereitet das Bundesfina­nzminister­ium eine repräsenta­tive Umfrage vor, um herauszufi­nden, ob die Deutschen die Steuerlast angemessen finden. Außerdem wolle Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) wissen, wie zufrieden die Steuerzahl­er mit dem sind, was ihnen der Staat dafür bietet. FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer sagte, Scholz sollte sich das Geld für die Umfrage besser „sparen und es stattdesse­n, zusammen mit seinen jährlichen Milliarden-Haushaltsü­berschüsse­n, endlich in eine längst überfällig­e Steuerentl­astung stecken“. Ein guter erster Schritt wäre die Streichung des Solidaritä­tszuschlag­s.

Nach den Wirtschaft­sforschern der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung würden von einem Wegfall des Soli vor allem Besserverd­iener profitiere­n. 2017 brachte der Soli dem Staat knapp 18 Milliarden Euro ein – genug um sich über dessen Abschaffun­g weiter zu streiten.

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FOTO: DPA Registerka­rten ragen aus einem Aktenordne­r: Die vergleichs­weise hohe Steuer- und Abgabenlas­t in Deutschlan­d scheint deren Akzeptanz nicht im Wege zu stehen.

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