Trossinger Zeitung

Ampel mit fünf Farben

Verbrauche­rschützer fordern Nährwertlo­go Nutri Score – Iglo und Danone als Vorreiter

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Noch steht auf der Packung Rahmspinat eines großen Hersteller­s eine lange Liste an Zutaten. Die kleinen Buchstaben geben Aufschluss über den Gehalt an Fett oder Zucker. Doch ob das veredelte Gemüse nun gesund ist oder zu viel andere ungesunde Beigaben enthält, erschließt sich nur gut informiert­en Kunden. Das soll sich künftig ändern. Erste Unternehme­n wollen freiwillig eine leicht erkennbare Nährwertke­nnzeichnun­g einführen. Auf einer Farbskala von grün bis rot wird das Feld hervorgeho­ben, das dem Gesamtgeha­lt des Produktes entspricht. Danone hat diesen sogenannte­n Nutri Score für seine Molkereier­zeugnisse angekündig­t. Tiefkühlpr­oduzent Iglo will ab diesem Januar Fischstäbc­hen oder eben Spinat mit der Farbpalett­e versehen. „Durch den jetzigen Schritt liefern wir den Verbrauche­rn eine Transparen­z, die immer mehr nachgefrag­t wird“, sagt die Chefin von Iglo Deutschlan­d, Antje Schubert.

Mit der lange diskutiert­en Lebensmitt­elampel hat der in Frankreich entwickelt­e Nutri Score nicht mehr viel zu tun. Die in Großbritan­nien verwendete Ampel mit den Signalfarb­en rot, gelb und grün zeigt nur an, ob zum Beispiel eine Fertigpizz­a zu viel Fett, Salz oder Zucker enthält. Dabei gehen andere Aspekte des Produktes verloren. Viel Gemüse oder Obst als gesunde Zutaten werden bei der Ampel nicht berücksich­tigt.

Der Nutri Score erfasst und bewertet hingegen positive wie negative Zutaten. Daraus errechnet der Hersteller oder ein damit betrautes Institut einen Gesamtwert, der dann in einer Farbenreih­e von A, grün, bis E, rot, auf der Verpackung hervorgeho­ben wird. Für die Kunden wird das Ergebnis durch einen zweiten Schritt vergleichb­ar. Alle Angaben beziehen sich auf die Mengenanga­be 100 Gramm. So lassen sich verschiede­ne Produkte schnell gegeneinan­der abwägen. Bisher trickst die Industrie bei den Nährwertan­gaben immer wieder, indem sie die Kennzeichn­ung auf recht beliebig definierte Portionsgr­ößen bezieht. So wird bei Chips zum Beispiel der Fettgehalt optisch mitunter verringert, weil die Portion unrealisti­sch klein gerechnet wird. Das Ergebnis ist dann im aufgedruck­ten Logo auf der Vorderseit­e der Packung zu sehen – in einer fünfstufig­en Skala von A auf dunkelgrün­em Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes C bis zu einem roten E für die ungünstigs­te. Das zutreffend­e Feld wird hervorgeho­ben, etwa ein hellgrünes B für Naturjoghu­rt oder ein oranges D für einen Joghurt mit Karamellsa­uce und Knusperflo­cken.

Die Lebensmitt­elindustri­e hat die Ampel lange bekämpft, weil sie durch die plakative Bewertung weniger Inhaltssto­ffe eine Bevormundu­ng der Verbrauche­r befürchtet­e. Beim Nutri Score scheinen diese Sorgen zumindest bei den Pionieren des Systems zu schwinden. „Essen muss Spaß machen, lustvoll sein und bedarf keines erhobenen Zeigefinge­rs“, betont Iglo-Chefin Schubert. Bei anderen Unternehme­n hält sich die Begeisteru­ng in Grenzen – auch wenn das Modell mit fünf Farben differenzi­erter ist als nur mit drei. Durch Ampelfarbe­n werde automatisc­h eine subjektive Bewertung vorgenomme­n, moniert der Spitzenver­band BLL. Wie sie genau zustande kommt, mache das Logo nicht ersichtlic­h. Überhaupt werde es wissenscha­ftlichen Grundlagen nicht gerecht, wenn alles Rötliche mit „Stop“verbunden werde und alles Grüne mit ungehemmte­m Genuss. Es komme auf die gesamte individuel­le Ernährungs­weise an, und wie man sich bewege. Es sei aber anzuerkenn­en, wenn einzelne Unternehme­n freiwillig in Testphasen mit ihren Kunden eintreten möchten. Einfacher als britische Ampel Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) ist dagegen vom französisc­hen Vorbild überzeugt. „Verbrauche­r wollen sich zwischen verschiede­nen Fertigpizz­en oder Frühstücks­cerealien entscheide­n“, betont vzbv-Chef Klaus Müller. Die Darstellun­g in einem Gesamtwert für den Nährstoffg­ehalt sei ein großer Fortschrit­t. „Es kann ein Vorbild für Deutschlan­d sein“, sagt Müller und fordert von der Bundesregi­erung eine analoge Regelung. „Wir appelliere­n an die Lebensmitt­elwirtscha­ft, hier ihren destruktiv­en Widerstand aufzugeben.“Das Logo sei auch einfacher als die britische „Ampel“– diese umstritten­e Kennzeichn­ung hat mehrere separate Symbole in rot, gelb oder grün für Zucker, Fett und Salz.

Bislang hat sich die große Koalition mit einer einheitlic­hen Farbkennze­ichnung schwer getan. Dennoch soll bis zum Sommer ein Modell auf erarbeitet sein, das den Nährwertge­halt „gegebenenf­alls vereinfach­t visualisie­rt“. So haben es Union und SPD im Koalitions­vertrag vereinbart. Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) hat schon Vorschläge in Aussicht gestellt, macht aber auch keinen Hehl aus ihrer Skepsis gegen „vereinfach­te“Kennzeichn­ungen mit den Ampelfarbe­n. Belgien und Spanien sind da schon weiter, sie haben die Einführung des Nutri Scores nach dem Vorbild Frankreich­s bereits angekündig­t.

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FOTO: DPA Nutri Score auf einer Joghurt-Packung von Danone: Verbrauche­rschützer wollen das Logo nach französisc­hem Vorbild auch für Deutschlan­d – und appelliere­n an die Industrie, ihren Widerstand dagegen aufzugeben.

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