Trossinger Zeitung

Eine tödliche Falle

Fünf Teenager sterben bei „Escape-Game“in Polen

- Von Michael Heitmann

KOSZALIN (dpa) - Es sollte eine fröhliche Geburtstag­sfeier unter Teenagern sein. Doch am Ende finden fünf Mädchen bei einem „EscapeGame“, eingeschlo­ssen auf kleinstem Raum, den Tod. In Polen fragen sich viele, ob das Unglück hätte verhindert werden können. Der Besitzer des Unglücksbe­triebs ist vorläufig festgenomm­en worden. Es handele sich um einen 28 Jahre alten Mann aus der Woiwodscha­ft Großpolen, sagte Polizeiprä­sident Jaroslaw Szymczyk am Sonntag auf einer im Fernsehen übertragen­en Pressekonf­erenz.

Die Kinder hätten gemeinsam den Geburtstag eines der Mädchen gefeiert, sagte Polens Innenminis­ter Joachim Brudzinski im Sender TVN24. Die Familien der Toten erhielten psychologi­sche Hilfe. Ein 25 Jahre alter Mitarbeite­r der Agentur, die das Spiel organisier­te, erlitt schwere Verbrennun­gen und kam in eine Spezialkli­nik. Der Küstenort Koszalin (Köslin) liegt rund 180 Kilometer östlich von Greifswald.

Bei einem „Escape-Game“(Fluchtspie­l) versucht eine Gruppe, aus einem abgeschlos­senen Raum zu entkommen. Sie muss dafür unter Zeitdruck bestimmte Rätsel und Aufgaben lösen. „EscapeGame­s“haben sich in den vergangene­n Jahren in vielen Ländern zu einem Trend entwickelt. Beliebt ist das Spiel bei Familienfe­iern und Junggesell­enabschied­en, auch in Deutschlan­d gibt es viele Angebote.

Die Einsatzkrä­fte schilderte­n dramatisch­e Szenen. „Die Feuerwehrl­eute mussten spezielle Ausrüstung und viel Körperkraf­t aufwenden, um ins Innere zu gelangen“, sagte ein Sprecher dem Sender TVN24. Die Fenster seien verschloss­en und verriegelt gewesen. Beim Eintreffen der Rettungsdi­enste habe das Haus bereits in Flammen gestanden.

Das Feuer sei im Vorzimmer ausgebroch­en, teilte die Staatsanwa­ltschaft laut PAP mit. Den Teenagern sei damit der einzige Fluchtweg versperrt gewesen. Nach ersten Erkenntnis­sen war Gas aus einem Behälter entwichen und hatte sich entzündet. Vor Ort wurden vier gasbetrieb­ene Heizgeräte sichergest­ellt. Nicht feuersiche­r Laut der Obduktion starben alle Opfer an einer Vergiftung durch das Rauchgas Kohlenmono­xid. Der festgenomm­ene Besitzer des Unglücksbe­triebs sei nicht vorbestraf­t, hieß es. Das Unternehme­n war für eine Stellungna­hme telefonisc­h nicht zu erreichen.

Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki sprach von einer beispiello­sen Tragödie und kündigte weitreiche­nde Konsequenz­en an. Die ersten „Escape-Game2-Angebote seien von den Behörden geschlosse­n worden, sagte der Politiker der Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) am Sonntag auf einer im Fernsehen übertragen­en Pressekonf­erenz.

Die sofort eingeleite­ten landesweit­en Kontrollen der rund 1100 „Escape“-Räume in Polen ergaben ein negatives Bild: Von 178 bereits kontrollie­rten Geschäften erfüllten laut der Polizei 129 die Brandschut­z-Vorschrift­en nicht. „Die strafrecht­lichen Sanktionen müssen sehr streng sein“, forderte Innenminis­ter Brudzinski.

Die Regierung kündigte zudem an, gefährlich­e Gasöfen aus dem Verkehr ziehen zu lassen. Erwogent wird auch eine Pflicht, spezielle Sensoren für Kohlenmono­xid zu installier­en. Unterdesse­n wurde bekannt, dass „Escape“-Räume in Polen bisher keinen besonderen Auflagen unterliege­n.

Bei einer ersten Begehung des Unglücksge­bäudes in Koszalin wurden zahlreiche Mängel festgestel­lt. „Es war nicht genug Platz für diese Leute in diesem Raum“, sagte der oberste Feuerwehrm­ann Polens, Leszek Suski, laut PAP. Dieser sei nur etwa sieben Quadratmet­er groß gewesen. Heizgeräte hätten zu nahe an brennbaren Materialie­n gestanden. Zudem seien Kerzen gefunden worden. Die Elektroins­tallation sei provisoris­ch gewesen.

Der Bürgermeis­ter von Koszalin, Piotr Jedlinski, erklärte den Sonntag zu einem Trauertag. Der Umzug der Heiligen Drei Könige wurde abgesagt. Der Küstenort in der Woiwodscha­ft Westpommer­n hat knapp über 100 000 Einwohner.

„Escape-Games“sind auch in Deutschlan­d beliebt, allein in Berlin gibt es mehrere Anbieter. Nach dem verheerend­en Brand in Polen warnte die Feuerwehr in der deutschen Hauptstadt vor Panik und verwies darauf, dass Sicherheit­skonzepte vorhanden seien: Für jeden Berliner „Escape-Room“gebe es ein individuel­les Sicherheit­skonzept zum Schutz im Brandfall, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Dabei würden alle möglichen Brandszena­rien überprüft.

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