Regionale Konjunktur kühlt ab
Zahl der Kurzarbeiter seit Juni angestiegen – Von Krise aber keine Spur
SPAICHINGEN/HEUBERG - Die „Frankfurter Allgemeine“titelt am Mittwoch „Deutsche Wirtschaft vor Rezession“. Das halten Fachleute der Region für übertrieben. Allerdings kühle sich die Wirtschaft nach zehn Jahren permanenten Aufschwungs tatsächlich spürbar ab. Auch Kurzarbeit ist in den vergangenen sechs Monaten wieder angestiegen. Vor allem die Automobilbranche ist in Bewegung und von ihr hängen doch einige Betriebe im Raum Spaichingen/ Heuberg ab.
Die bundesweiten Wirtschaftsprognosen haben die Wachstumserwartungen korrigiert, aber von Rezession, also dem andauernden Minus der Wirtschaftsleistung, redet in unserer Region niemand. Verschiedene Faktoren verunsichern allerdings vor allem die Automobilbranche: die verhängten und weitere angekündigten Strafzölle zwischen USA und China, zwei sehr wichtige Absatzmärkte, die Dieseldebatte und Dieselgrenzwerte sowie der Brexit. Trotzdem gehen die Prognosen weiter von 1,5 Prozent Wachstum aus.
So lautet die Einschätzung des IHK-Hauptgeschäftsführers Thomas Albiez: „Unsere Wirtschaft läuft noch immer auf hohen Touren, auch wenn die Luft langsam dünner wird. Insbesondere die Industrie und Großunternehmen spüren, dass der Wind international rauer wird. Dagegen profitieren Handel und Dienstleister von der starken Binnennachfrage. Die aktuellen Handelskonflikte verunsichern unsere Wirtschaft, vor allem die Auseinandersetzung zwischen den USA und China mit Zöllen und Gegenzöllen. Auch der Fachkräftemangel tut sein Übriges. Die Wirtschaft fährt derzeit eindeutig auf Sicht, insgesamt aber sind wir von einer Rezession noch weit entfernt.“
Auch wenn es heißt, dass sich eine abflauende Konjunktur oder konjunkturelle Einbrüche etwa mit einem halben Jahr Verzögerung auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt: Anzeichen verzeichnet die Arbeitsagentur Villingen-Schwenningen/ Rottweil bereits: Während im Juni noch 68 Kurzarbeiter in den Kreisen Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Rottweil verzeichnet wurden, sind es im Dezember 758 in 27 Betrieben, so die Auskunft von Klaus Helm, dem Pressesprecher der Arbeitsagentur. Diese Betriebe hätten alle Beschäftigtenzahlen im ein- und zweistelligen Bereich und in der Tat sind auch einige aus dem Bereich SpaichingenHeuberg betroffen.
Die Branchen, so Helm, seien aber gemischt: Metall, Elektro, Kunststoff, Medizintechnik. Allerdings: Der gegenläufige Trend, dass verzweifelt Facharbeiter gesucht werden, ist noch immer ungebrochen in der Region. Deshalb wird ja bei einem Arbeitseinbruch von mehr als zehn Prozent aus wirtschaftlichen Gründen Kurzarbeit genehmigt: Damit die Betriebe ihre Beschäftigten auch über eine vorübergehende Flaute halten können. Gemessen an der Krise 2008/2009 seien die derzeitigen Zahlen verschwindend. Damals waren im Arbeitsagentur-Bezirk 14 000 Menschen in Kurzarbeit.
Dass es eine Abkühlung des Wachstums geben muss, sei jedem klar, das habe mit Rezession nichts zu tun. Seit er die Lage beobachtet, seien die Wachstumsphasen immer fünf, sechs sieben Jahre gegangen, so Helm. „Eine so lang andauernde positive Phase wie jetzt habe ich noch nie erlebt.“ Unsicherheitsfaktor Messwerte Auch Ingo Hell, Vorsitzender der Gemeinnützigen Vereinigung der Drehteilehersteller, beobachtet ein Abflauen der Konjunktur. Manche, auch große, Betriebe führen momentan auch Schichten zurück. „Die Automobilbranche ist in Bewegung“. Es gebe auch im einen oder anderen Fall Entlassungen, Zeitverträge und Leiharbeitsverträge würden nicht verlängert. Er hält einen Ursachenfaktor vor allem für ein Politikum: die Abgaswerte der Dieselfahrzeuge, von denen auch einige Firmen unserer Region als Zulieferer direkt oder über die großen Erstausrüster wie Bosch betroffen sind. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Spanien, Portugal, Italien die Autos sauberer sind, aber die messen vielleicht anders.“Und: Wenn manche Grenzwerte in Büros und Wohnungen höher seien als auf der Straße, dann stimme auch etwas nicht.
Dazu komme, dass momentan gerade Diesefahrzeuge auf Halde produziert würden, die keine Zulassung bekämen. Wenn das Abgasproblem gelöst sei, dann müssten diese erst abverkauft werden, ehe die Produktion wieder anziehe. Dies gelte auch für die USA und auch in China stagniert der Absatz von Fahrzeugen. Der zweite Faktor sei die E-Mobilität, bei der noch niemand wisse, wie es weiter geht, so Hell.
Abkühlung ja, vielleicht auch nur eine Normalisierung, so das Fazit aller drei befragten Fachleute, aber von Absturz könne momentan keine Rede sein.