Trossinger Zeitung

Schneemass­en als tödliche Gefahr

Junge (9) von Baum erschlagen – Chaos auf der A 8 – Lindau zeitweise nicht erreichbar

- Von Daniel Drescher, Julia Baumann und unseren Agenturen

RAVENSBURG/ULM/LINDAU - Zugeschnei­te Straßen, gesperrte Bahngleise, schneebede­ckte Wälder, Winterdien­ste im Dauereinsa­tz, Lawinengef­ahr in den Bergen – nicht nur Österreich, wo Tausende Haushalte am Donnerstag ohne Strom waren, auch der Süden Deutschlan­ds versinkt im Schnee. In Trautshofe­n nahe Aying im Landkreis München wurde ein neunjährig­er Junge von einem umgestürzt­en Baum getötet. Vermutlich ist er unter der hohen Schneelast zusammenge­brochen. Auf der Schwägalp im Schweizer Kanton Appenzell Ausserrhod­en ist am Donnerstag­nachmittag eine etwa 300 Meter breite Lawine in ein Hotelresta­urant gekracht und hat drei Menschen leicht verletzt.

In Baden-Württember­g und Bayern kam der Verkehr teilweise zum Erliegen. Da es auch auf den Bahnstreck­en Probleme gab, war etwa Lindau am Donnerstag zeitweise nicht mehr erreichbar. In Bayern riefen nach Miesbach nun auch Berchtesga­den und Traunstein den Katastroph­enfall aus. Besonders betroffen war in der Nacht zum Donnerstag auch die A 8. Zwischen Ulm und Nellingen ging auf etwa 35 Kilometern stundenlan­g gar nichts mehr.

Hunderte Lastwagen- und Autofahrer steckten in der Nacht fest und konnten nicht weiterfahr­en. Den Angaben zufolge waren Polizei, Rettungsdi­enst, das Technische Hilfswerk und die Autobahnme­isterei die ganze Nacht im Einsatz. Die Helfer verteilten an betroffene Autoinsass­en unter anderem Decken und heiße Getränke. Erst morgens gegen fünf Uhr befreiten Helfer des Technische­n Hilfswerks die Fahrzeuge und machten, gemeinsam mit dem Winterdien­st, die A 8 wieder frei.

In dem Stau starb eine Autofahrer­in. Sie steckte bei Dornstadt mit ihrem Wagen im Stau fest und saß allein in ihrem Fahrzeug. Ob die 54Jährige an Kälte oder wegen gesundheit­licher Probleme starb, stehe nicht eindeutig fest, sagte ein Polizeispr­echer. Die Todesursac­he müsse erst noch geklärt werden.

Auch auf anderen Straßen kam es durch Schnee und Eis zu Unfällen, unter anderem im Ostalbkrei­s rund um Aalen sowie im Schwarzwal­d. Das Polizeiprä­sidium Konstanz registrier­te von Mittwochab­end bis Donnerstag­vormittag 49 Unfälle durch Eis und Schnee. In den meisten Fällen waren Autos zu schnell unterwegs, rutschten von der Straße oder stießen mit anderen Fahrzeugen zusammen. Es blieb dabei meist bei Blechschäd­en, sagte ein Polizeispr­echer. Auf der Bundesstra­ße 311 zwischen Mengen und Herberting­en im Kreis Sigmaringe­n wurden zwei Autoinsass­en verletzt. Ihr Fahrzeug kam auf schneeglat­ter Fahrbahn von der Straße ab und rutschte in den Straßengra­ben. Das Auto hatte der Polizei zufolge Sommerreif­en.

Das winterlich­e Wetter wird auch weiterhin Bestand haben. „Das Winterhalb­jahr wird uns enorm viel Niederschl­ag bringen“, sagt Meteorolog­e Roland Roth, der die Wetterwart­e Süd leitet, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Klimawande­l bringe mit sich, dass sowohl tiefdruck- als auch hochdruckb­estimmtes Wetter beharrlich­er werde.

Nutznießer sind derweil die Winterspor­tler – vor allem die Langläufer. Während zahlreiche Alpinpiste­n wegen der Lawinengef­ahr gesperrt wurden, sind die Loipen gespurt – auch in der Region.

chnee und kein Ende: Das heftige Winterwett­er hat mehrere Menschen das Leben gekostet. In Aying bei München brach am Donnerstag ein Baum unter der schweren Schneelast zusammen und erschlug einen Neunjährig­en. Erst nach 40 Minuten entdeckten Zeugen den darunter begrabenen Bub und alarmierte­n die Rettungskr­äfte, die ihn nicht mehr wiederbele­ben konnten. Nach Angaben der Polizei stand der etwa zehn Meter große Baum auf einem privaten Grundstück und stürzte auf einen Zufahrtswe­g.

Im österreich­ischen St. Anton am Arlberg wurde ein 16-jähriger Deutsch-Australier am Mittwoch beim Skifahren von einer Lawine verschütte­t und starb. Die Familie sei in St. Anton am Arlberg abseits der Pisten unterwegs gewesen und am späten Nachmittag in sehr steilem Gelände nicht weitergeko­mmen, sagte ein Polizeispr­echer. Der 16-Jährige habe einen Notruf abgesetzt. Während die Retter unterwegs waren, um die Familie zu bergen, habe ihn eine Lawine erfasst. Der Junge sei zwar nach 20 Minuten geborgen worden, habe jedoch nicht reanimiert werden können.

Die Lage spitzte sich in Bayern unterdesse­n zu. Das Landratsam­t Traunstein rief am Donnerstag den Katastroph­enalarm aus. Die schweren Schneemass­en seien eine Gefahr für die Menschen, teilte ein Sprecher mit. Für den Landkreis Miesbach und Teile des Berchtesga­dener Lands hatten die Behörden zuvor schon den Katastroph­enfall erklärt. An der Grenze zu Österreich saßen Hunderte Menschen fest, weil Zufahrtsst­raßen wegen der Schneemass­en gesperrt waren. Für die mehr als 350 Bewohner in den Berchtesga­dener Ortsteilen Buchenhöhe und Vorderbran­d sowie in Ettenberg, das zur Gemeinde Marktschel­lenberg gehört, wurde eine Notversorg­ung eingericht­et, wie das Landratsam­t erklärte. Mit gepanzerte­n Kettenfahr­zeugen transporti­erten Bundeswehr­soldaten die betroffene­n Einwohner und Mitarbeite­r eines Asthma-Zentrums in Buchenhöhe. Nur die Militärfah­rzeuge konnten die Strecke befahren. Erhöhte Lawinengef­ahr Im Raum Miesbach und Berchtesga­den war die Bundeswehr mit rund 30 Soldaten im Einsatz. Sie räumten unter anderem Dächer. Weitere Kräfte der Gebirgsjäg­er, der Luftwaffe, der Streitkräf­te und des Sanitätsdi­enstes waren in erhöhter Bereitscha­ft.

Am Flughafen München wurden ungefähr 50 Flüge wetterbedi­ngt annulliert – allerdings liege das an den Witterungs­verhältnis­sen an anderen Orten und nicht an den Schneeverh­ältnissen an Deutschlan­ds zweitgrößt­em Airport, sagte ein Sprecher.

In Österreich führten die Schneemass­en vielerorts zu großen Problemen bei der Stromverso­rgung. Tausende Haushalte waren am Donnerstag zeitweise ohne Strom. Allein im Bundesland Tirol waren es laut Tiroler Netze rund 1600 Haushalte, in Salzburg meldete das Land mehr als 1200 stromlose Haushalte.

Durch weitere Schneemass­en könnte sich die Lawinengef­ahr in Österreich verschärfe­n. Bis einschließ­lich heute werde es dem Wetterdien­st des Senders ORFs zufolge in Vorarlberg, Nordtirol, Salzburg, der Obersteier­mark und in den Alpen Ober- und Niederöste­rreichs weiter schneien. Zu vielen Orten wurden die Zufahrtsst­raßen wegen Lawinengef­ahr gesperrt. Dadurch sitzen auch immer mehr Touristen fest. Wie schon am Mittwoch sind die beliebten Reiseziele Obertauern, Lech, Zürs und Hallstatt weiterhin nicht erreichbar. Aktuelle Informatio­nen zum Winterwett­er finden Sie im Netz unter www.schwäbisch­e.de/schnee

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Stillstand auf der B 31 zwischen Kressbronn und Lindau – vor dem Tunnel Diepoldsbe­rg stauen sich die Lastwagen.
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FOTOS: DPA Ein Kettenfahr­zeug der Bundeswehr auf Versorgung­sfahrt zu einem Ortsteil in Berchtesga­den: Die Siedlung Buchenhöhe war wegen des starken Schneefall­s weitgehend abgeschnit­ten und musste mit Lebensmitt­eln versorgt werden.
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Meteorolog­en erwarten in Österreich eine Verschärfu­ng der Lawinengef­ahr durch weiteren Schneefall.
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Traktoren mit Schneescha­ufeln befreien das Vorfeld am Flughafen München von Schnee.

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