Trossinger Zeitung

Von wegen Rückbesinn­ung

- Von Sebastian Heinrich

Wozu braucht es eigentlich noch die SPD? Es ist eine Frage, die führende Sozialdemo­kraten vor allem mit salbungsvo­llen Sätzen über die Vergangenh­eit beantworte­n: über den Kampf für Arbeitnehm­errechte, über den Widerstand gegen die Nazis. Darauf kann die SPD stolz sein, ohne Frage – doch der ständige Blick zurück ist eines der größten Probleme der Partei. Was der SPD momentan am meisten fehlt, ist eine Vision für die Zukunft.

Die SPD müsse sich „rückbesinn­en“auf alte Wählerschi­chten, sagen einige rote Nostalgike­r. Das ist falsch. Die alten SPD-Milieus gibt es entweder nicht mehr – oder sie haben sich drastisch verändert. In deutschen Industrieb­etrieben arbeiten kaum mehr ausgebeute­te Proletarie­r – sondern mehrheitli­ch gut verdienend­e Facharbeit­er und Ingenieure.

Eines ist aber so aktuell wie vor Jahrzehnte­n: Die Sehnsucht vieler Menschen nach mehr Gerechtigk­eit und Respekt. Diese Sehnsucht haben Angestellt­e in der Alten- und Krankenpfl­ege, die sich für lächerlich niedrige Löhne um die Schwächste­n in der Gesellscha­ft kümmern. Die Paketboten haben sie, die für sittenwidr­ige Stundensät­ze der restlichen Bevölkerun­g das Shopping vom Sofa aus ermögliche­n. Gerechtigk­eit fordern aber auch Unternehme­r, die Steuern und Sozialbeit­räge in voller Höhe bezahlen und ihre Mitarbeite­r fair entlohnen – und die benachteil­igt sind gegenüber Konkurrent­en, die mit legalen wie illegalen Steuertric­ks die Allgemeinh­eit betrügen.

Was die SPD zu Beginn dieses Jahres tut, sind Schritte in die richtige Richtung: das Starke-Familien-Gesetz, das die SPD-Minister Franziska Giffey und Hubertus Heil jetzt auf den Weg gebracht haben; der Vorstoß von Parteichef­in Andrea Nahles, die Grundsiche­rung für Kinder zu bündeln. Beides können erste Antworten sein auf die Frage, was die SPD-Kernthemen Gerechtigk­eit und Respekt heute und künftig bedeuten. Wenn die SPD darauf weitere vernünftig­e Antworten entwickelt, kann sie irgendwann wieder eine echte Volksparte­i werden. Wenn sie sich in der Nostalgie verliert, wird sie zur Zwergparte­i. s.heinrich@schwaebisc­he.de

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