Trossinger Zeitung

SPD-Pläne gegen Kinderarmu­t

Parteichef­in Andrea Nahles will sich für Kindergrun­dsicherung einsetzen – Mattheis fordert zusätzlich­e Schritte

- Von Sebastian Heinrich und Agenturen

RAVENSBURG/BERLIN (sz/dpa) Die SPD will in der Großen Koalition eine weitere Maßnahme gegen Kinderarmu­t vorantreib­en: Parteichef­in und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles stellte am Donnerstag vor der Klausur der SPD-Bundestags­abgeordnet­en ihre Pläne für eine Kindergrun­dsicherung vor. Die Ulmer SPD-Abgeordnet­e und Parteilink­e Hilde Mattheis begrüßt die Pläne: „Das ist absolut richtig“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung. Angesproch­en auf Aussagen von Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), wonach dieser sich das Amt des Bundeskanz­lers zutraue, und die Frage, ob sie dies auch tue, sagte Nahles in der ARD, diese Frage stehe „überhaupt nicht an“.

RAVENSBURG/BERLIN - Die SPD versucht weiter, sich in der Regierung in Sachen soziale Gerechtigk­eit zu positionie­ren: Partei-und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles stellte vor der Klausurtag­ung der SPD-Bundestags­fraktion Pläne der Partei vor, eine Kindergrun­dsicherung einzuführe­n, um Kinderarmu­t besser zu bekämpfen. Am Mittwoch hatten SPDMiniste­r Franziska Giffey (Familien) und Hubertus Heil (Arbeit) ihren Entwurf für ein „Starke-FamilienGe­setz“präsentier­t – mit dem einkommens­schwache Familien unterstütz­t werden sollen.

„Wir haben über drei Millionen Kinder in der Grundsiche­rung, obwohl wir ein sehr wohlhabend­es Land sind“, sagte Nahles am Donnerstag im ARD-„Morgenmaga­zin“unmittelba­r vor der Klausurtag­ung der SPD-Bundestags­fraktion. Dies sei ein „unhaltbare­r Zustand“. Die SPD plädiere daher für eine Kindergrun­dsicherung, damit Leistungen auch tatsächlic­h bei den Kindern ankämen. Den Vorschlag hatte Nahles auch im November im Zuge ihrer Forderung nach einer Ablösung des Hartz-IV-Systems formuliert.

Die Ulmer SPD-Bundestags­abgeordnet­e und Parteilink­e Hilde Mattheis bewertet Nahles’ Vorstoß positiv – fordert aber weitere Schritte gegen Kinderarmu­t. „Das ist absolut richtig und wichtig“, sagte Mattheis der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es müsse aber einhergehe­n mit weiteren Maßnahmen. Mattheis fordert, bei Familien, die Hartz IV beziehen, das Kindergeld nicht mehr auf die Hartz-IV-Zahlungen anzurechne­n. „Von einer Kindergeld­erhöhung hat eine wohlhabend­e Familie einiges. eine Hartz-IV-Familie nicht“, sagte Mattheis. Das müsse sich ändern. Auch das „Starke-Familien-Gesetz“begrüßt Mattheis als aus ihrer Sicht richtige Maßnahme gegen Kinderarmu­t. „Alles, was Eltern für sich zur Verfügung haben, geben Sie unmittelba­r an die Kinder weiter, das zeigt die Erfahrung“, sagte Mattheis, „egal, welche Familie das ist.“ Festgefahr­en bei 15 Prozent Die SPD-Bundestags­fraktion trifft sich am Donnerstag und Freitag in Berlin. Zum Auftakt wird Nahles sprechen. Neben Bildungsch­ancen, Agrarpolit­ik und Europawahl soll es auch um die Neuaufstel­lung der Partei gehen. Die SPD hat erheblich an Wählervert­rauen verloren und steht in Umfragen bei etwa 15 Prozent.

In einem Beschlussp­apier für die zweitägige Klausur, das auch der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, steht, dass noch in diesem Jahr ein Konzept vorgelegt werden solle. Im Kern geht es demnach darum, bestehende Sozialleis­tungen und steuerlich­e Förderunge­n für Familien zu bündeln. Eine einzige Transferle­istung soll den Grundbedar­f für Kinder abdecken. Im Gespräch seien Beträge von etwa 620 Euro, die bei höheren Einkommen abgeschmol­zen werden. Linken-Chefin Kipping erklärte, es freue sie „außerorden­tlich“, dass der Zuspruch für eine Kindergrun­dsicherung wachse. Sie kämpfe seit Jahren dafür. „Nun hat auch die SPD Pläne für eine Kindergrun­dsicherung vorlegt. Das kann ein Baustein für ein Fundament an Gemeinsamk­eiten für einen Politik- und Regierungs­wechsel sein“, sagte Kipping. Dialogange­bot von der Linken „Klar ist: An der Seite der CDU wird das nichts“, betonte die Linken-Chefin. Sie schlage daher „einen gemeinsame­n Dialog mit dem Bündnis Kindergrun­dsicherung, Sozialverb­änden, SPD, Grünen und Linken vor.“Das Bündnis Kindergrun­dsicherung, in dem unter anderem Sozialverb­ände und Gewerkscha­ften zusammenge­schlossen sind, begrüßte die SPDInitiat­ive ebenfalls. „Wir erwarten, dass die SPD dieses Konzept nun in die Koalition einbringt und sich auch die CDU konstrukti­v damit auseinande­rsetzt“, erklärte der Verbandssp­recher und Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­ands, Ulrich Schneider. „Die Bekämpfung von Kinderarmu­t kann nicht mehr warten, denn aus armen Kindern werden viel zu oft arme Jugendlich­e, dann arme Erwachsene und im Alter arme Rentner. Diesen Kreislauf müssen wir endlich durchbrech­en“, erklärte der Präsident des Deutschen Kinderschu­tzbundes, Heinz Hilgers. Nötig sei dafür „eine mutige, grundlegen­de Reform“.

Das Bündnis spricht sich für eine Kindergrun­dsicherung in Höhe des jeweils aktuellen Existenzmi­nimums aus. Mit steigendem Haushaltse­inkommen soll der Betrag sinken.

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FOTO: DPA Ein bisschen Zuversicht: Andrea Nahles vor der Klausur der SPD-Bundestags­fraktion in Berlin. Die Partei sucht nach Wegen aus dem Umfragetie­f.

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