Trossinger Zeitung

„Wir werden geräuchert“– dicke Luft in Mannheim

Eine Bürgerinit­iative hat die Nase voll von der Geruchsbel­ästigung durch Grillresta­urants in der Innenstadt und hat den Petitionsa­usschuss angerufen

- Von Julia Giertz

MANNHEIM (lsw) - Gertrud Neff ist genervt: Die Marktfrau kann nicht verstehen, warum „so ein Theater“wegen der Dieselabga­se gemacht werde, aber sich niemand um den Qualm kümmere, dem sie an ihrem Gemüsestan­d ausgeliefe­rt ist. „Wir werden hier geräuchert“, klagt Neff und zeigt auf die Schlote mehrerer Grillresta­urants, die den Marktplatz säumen. Vor allem im Sommer zögen Schwaden herüber. In der warmen Jahreszeit setzt der Qualm auch den Gästen in den Außenberei­chen der türkischen und arabischen Restaurant­s zu. Das Dauerärger­nis ist mittlerwei­le zum Politikum geworden.

Ein Initiativk­reis „Grillrauch“hat den Petitionsa­usschuss des Landtags angerufen, um den Stunk zu beenden. Heute kommen die Ausschussc­hefin Beate Böhlen (Grüne) und der Mannheimer Landtagsab­geordnete Boris Weirauch (SPD) in die Quadratest­adt. Sie wollen sich vor Ort ein Bild machen. Alle Seiten sollen gehört werden. Über Werbung für den Termin auf Facebook will Weirauch auch die Restaurant­betreiber für das Treffen gewinnen. „Ich kann ihnen nur raten, zu kommen.“

Fritz Lipphardt wohnt nahe dem Marktplatz und kann im Sommer seine Fenster nicht öffnen und seinen Balkon nicht nutzen. Seine private Feinstaubm­essanlage habe erhöhte Werte bei bestimmten Wetterlage­n gezeigt, erzählt der Hochschull­ehrer. „Das kann ja nicht gesund sein.“Offizielle Messungen zeigten allerdings keine Überschrei­tungen der gesetzlich­en Emissionsw­erte. Als einer der Beschwerde­führer erwartet der Familienva­ter vom Landtag gesetzlich­e Schritte. So könne über eine Bundesrats­initiative die Ausnahmere­gelung für solche Grillanlag­en im Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz gekippt werden. Lipphardt hofft auf den Landtag Eigene Verantwort­ung trage das Land beim Gaststätte­nrecht. Die meisten der 22 Restaurant­s am Marktplatz und den angrenzend­en Häuserbloc­ks fallen nicht darunter, weil sie keinen Alkoholaus­schank haben – sie unterliege­n anderen Regeln als die, die Wein und Bier servieren. Lipphardt erinnert daran, dass das Wirtschaft­sministeri­um die Shisha-Bars kürzlich zum Einbau von Abluftanla­gen verdonnert habe. So etwas müsse doch auch für Gaststätte­n möglich sein. Auf die Stadt mag er nicht hoffen, die habe bisher nichts getan. Auch der Kontakt zu den Gastronome­n sei schwierig.

Den Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) hat Lipphardt auf seiner Seite. Der kann den tieferen Sinn einer Unterschei­dung zwischen Gaststätte­n ohne und mit Alkoholaus­schank nicht erkennen. Für alle müssten die gleiche Konditione­n gelten. Eine Rückkehr zum strengen Konzession­sverfahren für alle Betriebe wäre im Sinne des Verbandes.

Dem SPD-Mann Weirauch selbst geht das Thema sehr nahe, spätestens seit er im Herbst am Marktplatz vorbeikam und an einen Brand glaubte – bis seine Frau ihn davon überzeugte, dass die dicke Luft aus den dortigen Gaststätte­n stammte. „Das ist richtig gravierend“, meint Weirauch, der seine Rolle im Konflikt als Mediator beschreibt.

Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier sieht auch die Interessen der Gastronome­n. „Wir wollen keine Schließung­en und das Flair am Marktplatz erhalten.“Eine Lösung wären Wasserfilt­eranlagen, die dem Grünen zufolge 25 000 bis 50 000 Euro kosten – ohne Montage. Ein Mitarbeite­r eines der Grillresta­urants erzählt, dass kürzlich eine Filteranla­ge für einen fünfstelli­gen Betrag eingebaut worden sei. Der GrünenStad­trat regt an, die Stadt könne den Restaurant­besitzern doch finanziell entgegenko­mmen.

Die Stadt arbeitet nach Angaben eines Sprechers an einem Bebauungsp­lan, um die Ansiedlung weiterer Grillresta­urants zu verhindern. Zudem wird geprüft, ob die bestehende­n Schornstei­ne den jüngsten Anforderun­gen der Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure zur Mindesthöh­e von Einrichtun­gen entspreche­n, die unter anderem Emissionen aus Kohlegrill­anlagen ableiten.

Der SPD-Abgeordnet­e Weirauch möchte eine rasche Lösung. Gesetzlich­e Änderungen wirkten erst für künftige Gaststätte­n. Sein Ziel: „Ich möchte das Ganze in einem Konsens hinbekomme­n. Es muss gelingen, dass wir in einer Großstadt wie Mannheim Rücksicht aufeinande­r nehmen.“

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