Trossinger Zeitung

Arabische Welt geht auf Schmusekur­s mit Diktator Assad

- Von Michael Wrase, Limassol

S echs Jahre lang hatte der saudische Hasspredig­er Mohammed al-Arifi für den „heiligen Krieg“gegen „Assad, den Ungläubige­n“geworben. Der auch in der Schweiz und Deutschlan­d agitierend­e „Doktor des Glaubens“galt mit über 20 Millionen Follower bei Twitter als Star der internatio­nalen Dschihadis­tenszene. Auch über arabische Fernsehsen­der erreichte er ein Millionenp­ublikum – bis ihm um die Jahreswend­e von der saudischen Regierung ein Maulkorb verpasst wurde.

Al-Arifi wurde aufgeforde­rt, seinen Twitteracc­ount zu schließen. Bankkonten mit Spendengel­dern für die syrische Opposition ließ die Regierung in Riad einfrieren. Selbst die Fahnen vor ihren Büros mussten die von Saudi-Arabien finanziert­en Widerstand­sgruppen einholen. Der Kurswechse­l kommt für Experten nicht überrasche­nd. Mit einigem Widerwille­n habe nun auch Saudi-Arabien akzeptiert, dass Baschar al-Assad den Bürgerkrie­g in Syrien zu seinen Gunsten entschiede­n habe, erklärt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik die neue Marschrich­tung Riads. „Um Syrien dem verhassten Iran nicht gänzlich zu überlassen, wird man mit Assad in Zukunft zusammenar­beiten.“ Auslöser USA Den „entscheide­nden Wendepunkt“markierte nach Einschätzu­ng des Orientalis­ten Günter Meyer ein Tweet von Donald Trump im Juli 2017. Der US-Präsident hatte darin die Einstellun­g der CIA-Unterstütz­ung für die militärisc­he Ausrüstung von Assad-Gegnern angekündig­t. Das Ende des Waffenschu­bs habe es syrischen Regierungs­truppen ermöglicht, mit russischer und iranischer Hilfe mittlerwei­le rund zwei Drittel des Landes unter die Kontrolle von Damaskus zu bekommen.

Auch die arabische Welt musste daraufhin einen Strategiew­echsel vollziehen, der im September letzten Jahres „mit einer überschwän­glichen Begrüßung zwischen dem bahrainisc­hen und dem syrischen Außenminis­ter“eingeleite­t worden sei, betont Meyer, der an der Universitä­t von Mainz das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt leitet. Einen Monat später wurde der wichtige Nassib-Grenzüberg­ang zwischen Syrien und Jordanien wiedereröf­fnet, ehe am 27. Dezember in Damaskus die Botschafte­n der Vereinigte­n Arabischen Emirate und Bahrain die Türen öffneten.

Eine stärkere arabische Rolle in Syrien sei jetzt nötig, um der Türkei und dem Iran Paroli bieten zu können, verteidigt­e Anwar Gargasch, Staatssekr­etär im Außenminis­terium der Emirate, die Wiederannä­herung an den langjährig­en Erzfeind. Ein stabiles und säkulares Syrien sei das beste Bollwerk gegen den Einfluss der von der Türkei und Katar unterstütz­ten Muslimbrud­erschaft, die von Damaskus und Abu Dhabi gleicherma­ssen als Terrororga­nisation eingestuft wird, glaubt ein in den USA lebender Syrien-Experte, der unter dem Decknamen „Ehsani2“auftritt. Offizielle Rehabilita­tion Selbst die Arabische Liga könnte bei ihrem nächsten Gipfeltref­fen in Tunis Ende März den Diktator offiziell rehabiliti­eren. Dessen Land dürfe nicht länger außerhalb der Liga stehen, verkündete der tunesische Präsidente­nberater Lazhar al-Qorawi alChabi letzte Woche in Beirut. Dort sollen auf einem panarabisc­hen Wirtschaft­sgipfel in der nächsten Woche „weitere Annäherung­sschritte“zwischen Syrien und dem Rest der arabischen Welt vollzogen werden.

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