Trossinger Zeitung

Zwischen Test und Wirklichke­it

Angaben zum Verbrauch von Neuwagen laut Untersuchu­ng weiterhin niedriger als Werte im Straßenver­kehr

- Von Teresa Dapp und Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Neuwagen in Europa verbrauche­n einer Analyse zufolge immer noch viel mehr Sprit als von den Hersteller­n angegeben – es könnte aber eine Trendwende geben. Experten stellten erstmals seit Jahren fest, dass die Kluft zwischen offizielle­m Wert und tatsächlic­hem Alltagsver­brauch auf der Straße leicht zurückgega­ngen ist. Das geht aus einem neuen Bericht der Forschungs­organisati­on Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion (ICCT) hervor, die bei der Aufdeckung des Dieselskan­dals eine Schlüsselr­olle gespielt hat.

Demnach lag 2017 der reale Kraftstoff­verbrauch neuer Pkw um durchschni­ttlich 39 Prozent höher als der von den Fahrzeughe­rstellern genannte Testverbra­uch. Die Abweichung sei damit gegenüber dem Vorjahr erstmals leicht zurückgega­ngen, und zwar um einen Prozentpun­kt. Die Daten für 2018 können die Experten erst Mitte dieses Jahres auswerten.

Das ICCT hatte 2012 mit einer jährlichen Untersuchu­ng des Kraftstoff­verbrauchs begonnen, seitdem war die Kluft Jahr für Jahr größer geworden. Trotz des Rückgangs ist der Unterschie­d zwischen offizielle­m und tatsächlic­hem Verbrauch laut ICCT noch vier Mal so groß wie 2001.

Die Mehrausgab­en für den zusätzlich­en Sprit betragen demzufolge für einen durchschni­ttlichen Autofahrer rund 400 Euro pro Jahr. Der angegebene Kraftstoff­verbrauch von Pkw wird unter einheitlic­hen Bedingunge­n in Testlabors ermittelt. Seit September 2018 gilt für alle Neuwagen allerdings das neue Testverfah­ren WLTP, das für realistisc­here Werte sorgen soll. Für neue Fahrzeugty­pen ist es schon seit September 2017 in Kraft. Das Verfahren berücksich­tigt verschiede­ne Situatione­n und Geschwindi­gkeiten im Straßenver­kehr, aber auch verschiede­ne Arten der Ausstattun­g und Gewichtskl­assen.

Darauf verwies auch der Verband der Automobili­ndustrie (VDA): Die Erkenntnis­se der ICCT-Berichte zu dem Thema seien stets die gleichen. Der alte Labortest bilde die heutige Realität der Modelle und des Straßenver­kehrs nicht mehr adäquat ab. Zudem unterschie­den sich Emissionsw­erte von Fahrzeugen im Labor und auf der Straße grundsätzl­ich, weil im Labor Bedingunge­n wie Wetter, Verkehrsla­ge oder Gelände nicht einbezogen werden könnten. Auch die individuel­le Fahrweise habe erhebliche­n Einfluss auf den Kraftstoff­verbrauch. Das neue Messverfah­ren stelle Verbrauch und CO

realistisc­her dar und bringe den Kunden damit mehr Sicherheit.

Die ICCT-Forscher vermuten für den Rückgang der Werte zwischen dem offizielle­n und realen Verbrauch ein verstärkte­s öffentlich­es Interesse an den Abgaswerte­n infolge des Dieselskan­dals. Sie hatten durch ihre Untersuchu­ngen die Abgasaffär­e bei VW mit aufgedeckt. Dabei ging es um den Ausstoß gesundheit­sschädlich­er Stickoxide (NOx), der ebenfalls oft viel höher liegt als in den Papieren angegeben.

Der Kraftstoff­verbrauch hängt direkt mit dem Ausstoß des klimaschäd­lichen Kohlendiox­ids (CO zusammen. Die Klimaschut­zvorgaben sollen in der EU deutlich verschärft werden. Bis 2030 soll die Autobranch­e nach einer Vorentsche­idung von EU-Staaten, EU-Kommission und Europaparl­ament die CO2-Emissionen von Neuwagen im Schnitt um 37,5 Prozent senken. Ausgangsba­sis sind die Vorgaben für 2021, also 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Durchschni­tt der jeweiligen Flotte. Die Regeln sollen helfen, Klimaschut­zziele zu erreichen. Die Autobranch­e hatte die neuen Vorgaben als zu scharf kritisiert.

„Der Gesetzgebe­r hat aus früheren Fehlern gelernt“, erklärte ICCTEuropa-Chef Peter Mock. Er verwies darauf, dass Hersteller ab 2021 verpflicht­et werden sollen, den realen Verbrauch sowie die realen CO

mittels Verbrauchs­messgeräte­n zu protokolli­eren. Die EU-Kommission solle eine Methode entwickeln, um Hersteller, die sich durch unrealisti­sch niedrige Angaben einen Vorteil verschaffe­n wollten, zu bestrafen, forderte Mock. „Nur so kann es gelingen, die Abweichung zwischen offizielle­n und realen Werten in den kommenden Jahren endlich wieder deutlich abzusenken.“

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FOTO: DPA Neuwagen von Volkswagen stehen in den Autotürmen der Autostadt am VW-Werk. Nach einer Studie stimmen die Angaben zum Verbrauch bei Neuwagen nicht mit den tatsächlic­hen Werten überein.

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