Trossinger Zeitung

Verteidige­r im Angriffsmo­dus

Auftakt im Prozess um Goldmünzen-Klau aus dem Berliner Bode-Museum

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BERLIN (AFP/dpa) - Zum Auftakt des Prozesses um den Diebstahl einer hundert Kilogramm schweren Goldmünze haben die Verteidige­r der vier Angeklagte­n die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft vehement zurückgewi­esen. Die umfangreic­hen Ermittlung­en der Sonderkomm­ission hätten „keinen einzigen durchgreif­enden Beweis hervorgebr­acht“, verlas Rechtsanwa­lt Toralf Nöding am Donnerstag aus einer Erklärung vor dem Berliner Landgerich­t. Die Staatsanwa­ltschaft wirft den Angeklagte­n Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor.

Der Diebstahl der Münze „Big Maple Leaf“mit einem Verkaufswe­rt von 3,75 Millionen Euro machte Ende März 2017 weltweit Schlagzeil­en. Die Angeklagte­n Wayci R., Ahmed R., Wassim R. und Denis W. sind schon länger nicht mehr in Untersuchu­ngshaft und verdeckten ihre Gesichter, als sie die zahlreiche­n vor dem Gerichtssa­al wartenden Kamerateam­s passieren mussten.

Die jungen, unauffälli­g gekleidete­n Männer wurden von je zwei Anwälten verteidigt. Der 24-jährige Wayci R. ist nach eigenen Angaben Student, sein 20-jähriger Bruder Ahmed Schüler, ihr 22 Jahre alter Cousin Wissam R. arbeitet als Kurier. Die deutschen Staatsbürg­er gehören zu einer aus dem Libanon eingewande­rten Großfamili­e, deren Mitglieder immer wieder durch Straftaten auffallen. Politik und Polizei kündigten 2018 eigens einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Clan-Kriminalit­ät an.

Der 20-jährige Schüler Denis W. soll nach Überzeugun­g der Ermittler seinen Bekannten Ahmed R. über die Sicherungs­maßnahmen im BodeMuseum informiert haben, als er dort noch als Wachmann beschäftig­t war – ein Vorwurf, den sein Rechtsanwa­lt Marcel Kelz in einer zweiten Erklärung der Verteidigu­ng bestritt. Die Angeklagte­n selbst verzichtet­en zunächst auf die Möglichkei­t, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Weil drei Angeklagte 2017 jünger als 21 Jahre alt waren und als Heranwachs­ende gelten, wird der Prozess vor einer Jugendkamm­er verhandelt. Die Richter können dann entscheide­n, ob das Urteil nach Jugend- oder Erwachsene­nstrafrech­t fällt. Schwerer Diebstahl kann theoretisc­h mit maximal zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Urteile in dieser Höhe sind aber selten.

Oberstaats­anwältin Martina Lamb geht davon aus, dass die R.s über das Fenster eines Umkleidera­ums in das Museum eindrangen. Hierzu seien sie mit einer Leiter vom gegenüberl­iegenden S-Bahnviaduk­t auf ein Vordach des Museums gelangt. Laut Anklagesch­rift zerteilten die Beschuldig­ten die Münze später, verkauften sie und teilten den Erlös auf. Lamb forderte in ihrer Anklagever­lesung die Einziehung des Verkaufswe­rts der Münze.

Lambs Behörde habe die Ermittlung­en „mehr als einseitig geführt“, kritisiert­e Rechtsanwa­lt Nöding. So seien die Ermittler nur ihrer Arbeitshyp­othese nachgegang­en, wonach die Familie R. verantwort­lich sei, nachdem Vertrauens­personen der Polizei noch im April entspreche­nde Hinweise gegeben hatten. Zwölf Verhandlun­gstermine Demnach erwirkten die Ermittler eine Vielzahl an Observatio­nsbeschlüs­sen, mehr als 50 Anordnunge­n zur Telekommun­ikationsüb­erwachung und großflächi­ge Funkzellen­abfragen. Fahrzeuge seien mit GPSTracker­n verfolgt und mehr als 30 Immobilien durchsucht worden. Dennoch stütze sich die Anklage im Wesentlich­en auf ein „haltloses“Gutachten, dass die drei auf einem Überwachun­gsvideo identifizi­ert. Nöding kritisiert­e eine „beispiello­se Vorverurte­ilung“durch die Medien. Nöding und Kelz äußerten zudem ihr Unverständ­nis, dass ein in der Tatnacht diensthabe­nder Wachmann nicht weiter verfolgt worden sei: Der Mann habe durch sein Abweichen von der Kontrollga­ngroute den Einbruch erst möglich gemacht, sei hochversch­uldet und habe Lagepläne des Museums besessen. Die gegen Denis W. vorgebrach­ten Indizien seien bestenfall­s Vermutunge­n.

Die Ausgaben von W. im Nachtatzei­traum ließen sich erklären. So sei eine Silberkett­e im Wert von 11 000 türkischen Lira das Geschenk von W.s türkischer Großmutter gewesen, sagte Kelz. Im weiteren Verlauf des ersten Verhandlun­gstags wurde ein Kriminalbe­amter zum Tatort befragt. Bis Mitte März sind zwölf weitere Verhandlun­gstermine angesetzt.

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FOTO: DPA Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“, die aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen wurde, ist vermutlich schon zerteilt und eingeschmo­lzen.

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