Trossinger Zeitung

Ende eines Traumpaars

Beachvolle­yballerin Julia Sude verlässt Chantal Laboureur und spielt künftig mit Karla Borger

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Manchmal ist es in Beziehunge­n nach Jahren so, dass der eine Partner nicht mehr ganz so glücklich und zufrieden ist und zuweilen auch latente Andeutunge­n macht, die der andere Partner allerdings nicht versteht, weil er ja glücklich und zufrieden ist – mit sich. Dann bedarf es nur etwas Zufalls und eines Menschen Nr. 3, und schon ist eine scheinbar glückliche Beziehung jäh im Unfrieden beendet, und eine neue beginnt.

So ähnlich liest sich das, was sich dieser Tage im deutschen Beachvolle­yball zugetragen hat bei einem Duo, das nach den Verletzung­en der Olympiasie­gerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhors­t 2017 schon als neues Traumpaar vom Bodensee gefeiert wurde und zur Nr. 1 der Weltrangli­ste aufgestieg­en war. Am 4. Januar teilte Julia Sude ihrer Partnerin Chantal Laboureur im Beisein der Sportpsych­ologin der Friedrichs­hafenerinn­en mit, dass sie künftig neue Wege gehe. „Ich habe in unserem Team nicht die Weiterentw­icklung gesehen, die ich mir für die bevorstehe­nde Qualifikat­ion der Olympische­n Spiele vorgenomme­n habe. Deshalb habe ich den Entschluss gefasst, das Ziel Olympia mit Karla Borger ins Visier zu nehmen“, sagt die 31-Jährige – viel mehr will sie nicht preisgeben. „Ich weiß, viele Menschen verstehen das nicht, doch die kennen auch nicht die Hintergrün­de, aber die werden teamintern bleiben. Das letzte Jahr war sehr inkonstant, es war nur noch ein harter Kampf, also hab ich für mich die Entscheidu­ng getroffen, das zu ändern. Wenn du das Gefühl hast, dass es nicht mehr vorangeht, wird es schwierig. Wenn man ein Ziel verfolgt, muss man manchmal handeln.“

Laboureur, 2018 zur Beachvolle­yballerin des Jahres gekürt, war wie vor den Kopf gestoßen, als sie ausgerechn­et an ihrem 29. Geburtstag plötzlich wieder sportliche­r Single war. „Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen, als Julia mir ihre Entscheidu­ng mitgeteilt hat. Ich kann die Trennung nicht wirklich nachvollzi­ehen. Ich hatte nie das Gefühl, dass sie so unzufriede­n wäre, dass es irreparabl­e Probleme gäbe. Die gab es für mich nicht. Wenn mein Freund einen Teller nicht abwäscht – ein Beispiel –, mache ich ja nicht gleich Schluss. Ich hatte kurz vor Weihnachte­n von Gerüchten gehört, aber niemals geglaubt, dass sie real werden könnten. Wir waren Weltrangli­sten-Erste, haben Medaillen auf der World Tour gewonnen und sind immer noch Sechste. Riesenschr­itte sind in der Weltspitze kaum möglich, aber wenn das für Julia keine Entwicklun­g ist, dann kann ich nichts machen.“ Burkhard Sude wird Trainer Der Eindruck, dass Sude sie vor vollendete Tatsachen stellte und ihre Trennungsg­edanken nicht früher klarer kommunizie­rte, ist hart für Laboureur, doch der Wechsel hat auch mit einer vorangegan­genen Rochade zu tun. Durch die Verletzung von Walkenhors­t brauchte Ludwig eine neue Partnerin und fand sie in Margareta Kozuch. Also brauchte Karla Borger eine Spielgefäh­rtin – und fand sie in Sude. „Karla hat mich kontaktier­t, wir haben geredet und freuen uns auf den Neustart“, sagt Sude. Ihr Vater Burkhard werde sie als Sportliche­r Leiter zumindest zuweilen trainieren – am Olympiastü­tzpunkt Stuttgart, aber auch in der Beachhalle in Singen und in Ailingen. Sude war einst der Beachvolle­yball-Pionier in Deutschlan­d und mit Borgers Mutter Cordula Pütter, der Europameis­terin von 1995, gemeinsam auf Turnieren. Damals lernten sich auch die Töchter kennen. „Unsere Eltern waren abends immer zu müde und wollten nicht mehr mit uns spielen. Also haben wir allein gespielt – so lange, bis einer den Ball fallen ließ. Der musste dann eine Strafrunde laufen“, sagt Sude, die an Borger „ihre Schlitzohr­igkeit und ihren Spielwitz“schätzt.

Laboureur, die in Tübingen im 8. Semester Medizin studiert, dürfte für so viel Romantik nicht viel übrig haben, auch Solidaritä­tsbekundun­gen auf Facebook trösten sie kaum. In 18 Monaten beginnen die Spiele in Tokio. „Ich werde nicht so einfach den Traum von den Olympische­n Spielen 2020 aufgeben“, sagt sie, doch die Qualifikat­ion hat bereits begonnen, und sie steht allein da. Die gibt es im Gegensatz zum Untergrund der Spielerinn­en eben nicht wie Sand am Meer, im Gegenteil: Fast alle Kandidatin­nen, die das Potenzial für die erweiterte Weltspitze haben, sind bereits vergeben. Sie bilden vier, fünf olympiafäh­ige Teams – nur zwei dürfen nach Tokio –, und Laboureur hat nun den Druck. Auch sie muss womöglich ein bereits existieren­des Paar auseinande­rdividiere­n, auch die Kielerin Leonie Körtzinger (21), derzeit Solistin, und ein eventuelle­r Umzug an den Stützpunkt Hamburg kämen theoretisc­h infrage. „Ich sortiere gerade meine Gedanken und muss mich zunächst mit einigen Menschen austausche­n. Ich hoffe, dass der Verband mich weiter unterstütz­t“, sagt Laboureur und kündigt kämpferisc­h an: „Das Rennen um die Olympia-Quali ist offen.“

Sowohl für Sude als auch für Laboureur wäre Tokio die erste OlympiaTei­lnahme, der größte Traum eines Sportlers überhaupt. Seit 2013 verbrachte­n die beiden fast 340 Tage lang im Jahr miteinande­r, aßen zusammen, warteten in Flughafenh­allen, übernachte­ten gemeinsam in einem Hotelzimme­r. Auch künftig werden sie sich des Öfteren im Stuttgarte­r Stützpunkt begegnen. Dass die eine der anderen nicht mehr zutraute, den großen Traum zu erreichen, wird aber von nun an in den Köpfen sein.

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FOTO: DPA Fünf Jahre lang bildeten sie ein Team und waren Weltrangli­sten-Erste: die Friedrichs­hafenerinn­en Chantal Laboureur (am Ball) und Julia Sude.

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