Trossinger Zeitung

Ein Zeichen raus in die Welt

Deutsche Handballer starten souverän in Heim-WM – Koreaner schreiben Sportgesch­ichte

- Von Felix Alex

BERLIN - Es wurde richtig heiß auf der Platte, dabei hatten die deutschen Handballer bei ihrem ungefährde­ten 30:19 (17:10)-WM-Eröffnungs­sieg gegen Korea noch nicht einmal das Spielfeld betreten. Die Halle verdunkelt­e sich, Laser brachen sich in Rauchschwa­den, der Bass dröhnte, und Feuerstöße sorgten für Hitzewelle­n bis in den Publikumsb­ereich. Gleich der Eröffnungs­tag der 26. Handball-WM zeigte, was alles möglich ist, und dass die Fans bereit sind, abgeholt zu werden.

Abgeholt von der Euphorie einer Mannschaft, die sich zur Eröffnung ihres Heimturnie­rs vor allem Selbstvert­rauen holte. „Als wir aufs Feld gekommen sind, war der Augenblick, wo für uns alle ein Traum Wirklichke­it wurde“, beschrieb Linksaußen Matthias Musche den Start der HeimWM. „Und trotz allem muss man es dann irgendwie schaffen, fokussiert auf den Handball zu bleiben.“

Und das gelang dem DHB-Team: Im Angriff funktionie­rte das Anspiel auf die Kreisläufe­r glänzend. Und dass die Abwehrreih­e ein Trumpf und Torwart Andreas Wolff schon wieder in bestechend­er Form ist, dürfte niemanden wirklich überrascht haben, schon gar nicht die Koreaner, die zwar emsig kämpften, doch gegen den Gastgeber chancenlos waren. Doch ging es in der Berliner Arena zwar um WM-Meriten, aber nicht zuletzt auch um politische Versöhnung.

Kein Nord, kein Süd, einfach Korea war auf die Trikots der Gegner geflockt. Erstmals trat im Handball ein vereintes Team des seit fast 70 Jahren geteilten Korea an – auch wenn sie zwar in den Farben vereint, in den Schnürsenk­eln getrennt waren. 16 Spieler aus Süd- und vier aus dem so gegensätzl­ichen Nordkorea (erkennbar durch ihre roten Schuhbände­r) standen im Kader. Und so lauschten die politisch verfeindet­en Brüdernati­onen Hand in Hand statt einer Hymne dem koreanisch­en Volkslied „Arirang“. Die Fans im überschaub­aren koreanisch­en Block feierten in T-Shirts mit der Vereinigun­gsflagge.

Dass es überhaupt dazu kommen konnte, daran hatte die Internatio­nal Handball Federation (IHF) keinen geringen Anteil. „Wir glauben stark daran, dass Sport mehr ist als nur ein Spiel, dass dadurch Veränderun­gen angeschobe­n werden können, wenn ein Team unter einer Flagge spielt“, so IHF-Präsident Hassan Moustafa: „Beide Korea gemeinsam aufs Feld zu bekommen, war nicht einfach und hat viel Kommunikat­ion gebraucht – doch nun sind wir hier.“

Dass dieses „hier“ausgerechn­et Berlin war, unterstric­h den Grundgedan­ken der kleinen Wiedervere­inigung. „Mit dem Fall der Mauer ist man den Weg des Friedens gegangen. Deshalb möchten wir als gemeinsame­s Team zeigen, dass wir als Koreaner auch diesen Weg gehen können“, sagte Südkoreas Botschafte­r Jong Bum Goo dem „Tagesspieg­el“. Ein Traum ist wahr geworden Koreas Trainer Cho Young Shin wollte das Geleistete selbst nicht zu hoch hängen: „Die Vereinigun­g konzentrie­rt sich nur auf den Sport, nicht auf die Politik.“Doch kann dies wohl getrost unter Understate­ment gebucht werden. Auch Christian Prokop sah „ein Spiel voller Emotionen von beiden Seiten. Bei uns wegen der HeimWM, bei Korea wegen der historisch­en Umstände“, so der Bundestrai­ner, der die Partie ein „Zeichen hinaus in die Welt zum Auftakt“nannte.

Das jedoch kann man durchaus auch auf seine Mannschaft anwenden, denn die Koreaner hatten sportlich nicht viel zu jubeln – vom ersten Turniertor einmal abgesehen. Das DHB-Team um Kapitän und SiebenTore-Schütze Uwe Gensheimer und Routinier Martin Strobel dagegen umso mehr. Christian Prokop konnte angesichts der deutlichen Führung in Abwehr und Angriff verschiede­ne Varianten und unterschie­dliches Personal testen, sagte anschließe­nd: „Es war der Plan, dass wir alle Spieler ins Eröffnungs­spiel bringen. Meine Mannschaft war heute sehr clever und hat intensiv verteidigt. Die Chancenver­wertung hat mir heute nicht so gefallen, aber darüber brauchen wir gerade nicht zu reden“, so der zufriedene Bundestrai­ner.

Der Anfang für ein Wintermärc­hen ist also gemacht. Für Deutschlan­d trafen: Gensheimer (Paris/7/3), Pekeler (Kiel/4), Kohlbacher, Fäth (beide Rhein-Neckar Löwen/beide 4), Musche (Magdeburg/3), Groetzki (Rhein-NeckarLöwe­n/2), Wiencek (Kiel/2), Drux (Berlin/1), Weinold (Kiel/1), Böhm (Hannover/1), Semper (Leipzig/1).

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FOTO: AFP Mutmachen für einen historisch­en, sportlich heiklen Auftritt: Koreas vereinte Handballer vor dem Duell mit WM-Gastgeber Deutschlan­d.

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