Trossinger Zeitung

Wandergese­llen bringen die Welt mit

Zimmerer Markus Haller gibt viel auf die uralte Tradition

- Von Regina Braungart

REGION SPAICHINGE­N - Sie sind meist an ihrer Kluft zu erkennen, stützen sich auf einen gewellten Stab und haben ein rundes Bündel dabei, in dem Ersatzklei­der und Toilettens­achen stecken: Handwerksg­esellen auf der Walz. Eine Firma im Raum Spaichinge­n, die gern und mit Überzeugun­g wandernde Gesellen einsetzt, ist die von Markus Haller aus Aldingen, der derzeit unter anderem das neue DLRG-Heim in Spaichinge­n baut.

In den modernen, auch im Handwerk eng getakteten und digitalisi­erten Arbeitsabl­äufen kommt es einem wie ein Anachronis­mus vor: Da kommt jemand vorbei, unangemeld­et, klopft an und fragt nach Arbeit. „Das ist nicht planbar“, sagt Markus Haller. Und dann sind es sogar meist zwei Gesellen; einer, der neu ist, und einer, der schon länger unterwegs ist. Aber, selbst wenn es einfach kein Projekt und Arbeit gibt, bekommen sie ein paar Tage Unterkunft und Verpflegun­g und/oder einen Obolus für die Weiterreis­e, so wichtig ist Haller diese Tradition. Kost und Logis Früher reisten die Gesellen nach ihrer Freisprech­ung und arbeiteten bei den Betrieben gegen Kost und Logis. Heute bekommen sie meist befristete Verträge und werden nach Tarif bezahlt, so die Sprecherin der Handwerksk­ammer Konstanz, Petra Schlitt-Kuhnt, auf unsere Anfrage. Traditione­ll kommen sie dann auch auf den Rathäusern oder bei Institutio­nen wie der Handwerksk­ammer vorbei, bekommen etwas Geld, meist im Zehn-Euro-Bereich, und einen Stempel mit Datum in ihr Wanderbuch, in dem alle Stationen eingetrage­n werden.

400 bis 600 Gesellen seien deutschlan­dweit auf der Walz, so genau wisse das keiner, so die Handwerksk­ammer. Organisier­t sind sie in Gesellscha­ften, „Schächten“. Wer von unserer Region auf der Walz ist, werde nicht erfasst, so Schlitt-Kuhnt. „Ich erinnere mich allerdings noch an einen Gesellen aus dem Landkreis Waldshut, der von mindestens 30 Gesellen an seinen Heimatort zurück begleitet wurde und auf der letzten Etappe bei uns vorbei kam.“ „Werden häufig bestaunt“Obwohl in vielen Ländern, außer Deutschlan­d, Österreich, Schweiz und Frankreich, die aus dem Mittelalte­r stammende Tradition der Wandergese­llen unbekannt ist, reisen inzwischen viele ins sehr ferne Ausland und werden dort „häufig bestaunt und müssen die Tradition erst einmal erklären“, so Schlitt-Kuhnt.

Wie oft in unserer Region Wandergese­llen beschäftig­t werden, wird nirgends erfasst. Es geschieht aber nicht selten, dass man welche auf der Durchreise sieht, auch Frauen. Markus Haller begegnet den Wandergese­llen gern, die meisten seien tüchtig.

Aber etwas ganz anderes freut den Zimmerer, der mit seiner Familie solche Gesellen Zuhause oder in einer Wohnung unterbring­t: Sie bringen die Welt mit. Man könne am Vespertisc­h über Gott und die Welt reden und sie hätten oft Interessan­tes von ihren Reisen zu berichten, so Haller. Er selbst war nicht auf der Walz: „Ich habe damals gemeint, ich hätte keine Zeit.“Außerdem fuhr er damals noch Motocrossr­ennen, ein Hobby, das man ganz oder gar nicht macht und das sich nicht mit dem Reisen vereinbare­n lässt. „Das sind oft tolle Leut’“Fachlich bringe die Walz manchmal nicht die großen Fortschrit­te, aber sie präge die Persönlich­keit, hat Haller beobachtet. „Das sind oft tolle Leut’.“ Am heutigen Samstag ist der Neujahrsem­pfang der Kreishandw­erkerschaf­t um 19 Uhr in der Spaichinge­r Stadthalle.

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FOTO: HALLER Markus Haller mit Kennet, der eine gewisse Zeit in der Zimmerei mitgearbei­tet hat.

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