CDU im Südwesten stürzt weiter ab
Bürger mit Landesregierung zufrieden – Grüne legen laut neuer Umfrage weiter zu
STUTTGART - Die CDU in BadenWürttemberg hat bei den Bürgern im Land derzeit so wenig Rückhalt wie noch nie. Nur 23 Prozent würden bei der Union ihr Kreuzchen machen, wenn jetzt Landtagswahl wäre. Zu dieser Erkenntnis kommt eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts für das Trendbarometer von RTL und n-tv. Schon bei der Landtagswahl 2016 hatte die CDU mit 27 Prozent einen Tiefstand erreicht.
Mit der grün-schwarzen Regierung sind drei von fünf Baden-Württemberger zufrieden. Den Grund dafür sehen die Meinungsforscher bei den Grünen: Mehr als die Hälfte der Befragten äußerten sich einverstanden mit der Arbeit des größeren Koalitionspartners, mit der CDU zeigten sich indes nur 42 Prozent zufrieden. Die Ökopartei konnte ihren Vorsprung als stärkste Kraft sogar ausbauen. Bei einer bevorstehenden Landtagswahl könnte sie laut Umfrage 33 Prozent der Stimmen auf sich vereinen – drei Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen 2016.
Den Abstieg der CDU erklärt Forsa-Chef Manfred Güllner mit deren politischen Ausrichtung. „Für die Union (...) hat sich ihr strikt konservativer Kurs (...) nicht ausgezahlt.“Güllner erklärt das anhand der Querschüsse gegen den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Weiteres Zeichen dafür sei die Unterstützung von Friedrich Merz im Kampf um den Vorsitz der Bundespartei – die Südwest-CDU war Speerspitze der MerzAnhänger. „Das sieht man auch daran, dass weiterhin mehr Bürger für die Bundes-CDU als für die Landespartei stimmen würden“, erklärt Güllner. Der Konstanzer Politikwissenschaftler Wolfgang Seibel unterstützt diese These. Die Südwest-CDU kopiere Fehler der SPD: „Distanzierung von der eigenen Parteispitze und Unterstützung für einen faktischen Quereinsteiger.“Forsa hatte auch gefragt, wen die Baden-Württemberger aktuell bei einer Bundestagswahl wählen würden. 33 Prozent der Baden-Württemberger würden der CDU, 23 Prozent den Grünen ihre Stimme geben.
Güllners Analyse für die SüdwestCDU könnte auch für die bayerische Schwesterpartei CSU gelten. Es war ebenfalls eine Forsa-Umfrage, die der CSU im August ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hatte: Sie und im Speziellen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatten die Befragten zum „größten Problem auf Landesebene“erklärt – zwei Monate vor der Landtagswahl. Die CSU verlor ihre absolute Mehrheit.
Die baden-württembergische CDU nimmt die Umfrage gelassen. Die Umfragewerte seien zwar nicht gut, erklärt eine Sprecherin. Gewählt werde allerdings erst in mehr als zwei Jahren. „Wir haben eine klare Idee für unser Land und an dieser arbeiten wir mit viel Energie und Lust auf Baden-Württemberg geschlossen weiter.“
STUTTGART - Bürger, Vereine, Unternehmen – sie alle haben sich 2018 mehr mit Datenschutz beschäftigen müssen, als ihnen lieb war. Grund ist die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die seit Mai gilt. Nun hat Stefan Brink, oberster Datenschützer im Land, eine erste Bilanz gezogen. Warum jetzt Krankenhäuser kontrolliert werden und wie Betriebe Mitarbeiter ausspionieren.
Was hat sich vor allem verändert? Seit Mai gilt in den EU-Staaten dasselbe Datenschutzrecht. Daran müssen sich alle Firmen halten, die in der EU Dienstleistungen anbieten – auch Webgiganten wie Google oder Facebook. Datenschützer haben mehr Befugnisse. So dürfen sie hohe Bußgelder verhängen – bis zu 20 Millionen Euro. Bislang waren 330 000 Euro in Deutschland die Höchststrafe.
Welche Vorteile hat die DSGVO? „Bis 2018 haben ein Drittel aller Betriebe auf den Datenschutz geachtet, heute sind es bereits zwei Drittel“, so Brink. Die hohen Bußen seien ein gutes Druckmittel. Die DSGVO sei gut für deutsche Firmen. Konkurrenten aus China oder den USA müssten sich auch an die EU-Regeln halten. Damit entfielen Wettbewerbsnachteile der Europäer. Brink wertet die DSGVO auch als Fortschritt bei den Bürgerrechten. Die Menschen hätten mehr Rechte, Auskunft über den Umgang mit ihren Daten zu erhalten und Löschungen zu verlangen – etwa bei Auskunfteien, die Daten zur Zahlungsfähigkeit speicherten.
Welche Probleme gibt es? „Leider haben kleine Unternehmen und Vereine dieselben Pflichten wie große Konzerne“, sagte Brink. Das führe zu viel Frustration. Unter anderem deswegen setzte Brink 2018 besonders auf Beratung. Nach seinen Angaben besuchten knapp 20 400 Menschen die 217 Infoveranstaltungen seiner Behörde. Insgesamt berieten seine Mitarbeiter in rund 4500 Fällen rund um Datenschutzfragen. Für die Vereine im Land bleibt das Thema DSGVO ein leidiges. „Viele Vereine haben schon vor der DSGVO über zu viel Bürokratie geklagt“, sagte Thomas Müller, Sprecher des Württembergischen Landessportbundes am Montag. Man müsse die Regeln ehrenamtsfreundlicher gestalten. Ähnlich äußerten sich Wirtschaftsverterer. Sie warnten vor zu viel Bürokratie.
Was monieren Bürger? 2018 nahm Brink mehr als 3500 Beschwerden entgegen, ein Drittel mehr als 2017. In 1200 Fällen ging es um Behörden, in 2700 Fällen und Unternehmen. Viele Bürger bekommen Werbung, obwohl sie ihre Einwilligung dafür nie gegeben haben. „Videoüberwachung mögen die Bürger nicht“, so Brink. Kameras in Geschäften etwa waren oft Grund für Klagen. Sehr stark nimmt der Streit zwischen Angestellten und Arbeitgebern zu. So setzen Firmen Programme ein, die jeden Tastaturanschlag aufzeichnen, den ein Beschäftigter am Computer macht. Andere Chefs werten laut Brink die Navigationsgeräte von Dienstwagen aus, um zu sehen, wo sich Mitarbeiter aufhielten. „Es gibt immer mehr Möglichkeiten, seine Angestellten illegal zu überwachen“, so Brink.
Was sind typische Pannen? Dank der DSGVO müssen Unternehmen Pannen melden, die ihnen unterlaufen. Das geschah 2019 knapp 780-mal. Besonders häufig gelangt Post an falsche Adressen. Ein Grund sind unzuverlässige Kuvertiermaschinen. Ein Beispiel: Eine Krankenkasse schreibt dem Versicherten, welche Therapien sie ihm zahlt. Die Post geht aber nicht an den Patienten, sondern dessen Arbeitgeber. Dieser erfährt Dinge, die er gar nicht wissen dürfte. Allein im Januar 2019 gab es 25 ähnliche Irrläufer. Oft werden Daten gestohlen, allein im Januar 2019 wurden fünfmal Hackerangriffe gemeldet. Außerdem gehen Daten verloren – etwa, wenn ein Personalchef seinen Laptop mit sensiblen Angaben zu Mitarbeitern in der Bahn vergisst.
Wer musste Strafen zahlen? Bis Ende 2018 verhängte Brink zwei große Bußgelder. 20 000 Euro musste der Betreiber der Social-MediaPlattform Knuddels.de zahlen. Es war bundesweit die erste Strafe nach DSGVO. Hacker hatten bei dem Flirtportal Mailadressen und Passwörter von 330 000 Nutzern erbeutet. Knuddels hatte die Daten unzureichend geschützt. 80 000 Euro muss ein Unternehmen zahlen, das sorglos mit Gesundheitsdaten, Adressen und Namen umging.
Wer wird 2019 kontrolliert? Brink widmet sich zunächst Unternehmen, die viele personenbezogene Daten verarbeiten. Vor allem Social-Media-Firmen gehören dazu. Außerdem nimmt sich der Datenschützer Krankenhäuser vor. Anlass ist ein Fall aus Portugal. Dort muss eine Klinik 400 000 Euro Bußgeld zahlen, weil zu viele Mitarbeiter Zugang zu den Patientendaten hatten. „Sie können davon ausgehen, dass ein Drittel der Krankenhäuser in Baden-Württemberg dasselbe Problem hat“, so Brink, Vereine und kleine Firmen stünden nicht im Fokus der Kontrolleure.