Streit um die Grundrente
Kanzlerin erwartet Klärung zur Finanzierbarkeit
BERLIN (AFP/dpa) - Die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene Grundrente wird zum Konfliktthema für die Große Koalition. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte Klarheit über die Finanzierung an. Vizeregierungssprecherin Martina Fietz verwies darauf, dass im Koalitionsvertrag eine Bedürftigkeitsprüfung für die Grundrente vorgesehen sei – eine solche enthält Heils Konzept nicht. Mit Blick auf die erwarteten Milliardenkosten von Heils Konzept verwies sie darauf, dass auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) weitere hohe Steuereinnahmen nicht als selbstverständlich erachte. Merkel lege Wert darauf, dass die Positionen von Scholz und Heil „zusammengeführt werden“.
Heils Konzept sieht vor, dass Millionen Geringverdiener nach mindestens 35 Jahren Beitragszahlung automatisch höhere Renten bekommen sollen. Gerechnet wird mit Kosten in mittlerer einstelliger Milliardenhöhe pro Jahr. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) bezeichnete das Konzept als „völlig falsch“.
BERLIN - Finanzminister Olaf Scholz hält die Pläne seines Arbeits-Kollegen Hubertus Heil (SPD) für eine Grundrente für „gut und richtig“. Der Vize-SPD-Vorsitzende hat ihm aber keine Finanzierungszusagen gemacht. Auch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt es keine Absprachen. Heil will kleine Renten nach 35 Beitragsjahren erheblich aufstocken. Er schätzt die jährlichen Kosten auf etwa fünf Milliarden Euro, die aus Steuern bezahlt werden sollen.
Heil hat sich für die Bekanntgabe seines Konzepts am Wochenende einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht: Am Montag wurde bekannt, dass im Bundeshaushalt bis 2025 ein Loch von fast 25 Milliarden Euro klafft, weil die Konjunktur schwächelt, was niedrigere Steuereinnahmen bedeuten könnte. Scholz hatte bisher für das SPD-Prestigeprojekt kein Geld eingeplant. Das dürfte sich so schnell nicht ändern.
Zudem kommt Gegenwind aus dem Kanzleramt. Zwar sei man sich in den Koalitionsparteien einig, dass die Lebensleistung besser honoriert werden solle, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Marina Fietz. Sie erinnerte aber daran, dass es nach dem Koalitionsvertrag die Grundrente nur nach einer Bedürftigkeitsprüfung geben soll.
Genau auf die will Heil jetzt aber ausdrücklich verzichten. Es gehe „nicht um Almosen, sondern um Lebensleistung, die wir anerkennen“. Es wäre respektlos, die Menschen zu zwingen, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Damit würde es keine Rolle spielen, wie gut gestellt der Ehepartner ist. Die Rentenversicherung soll nach Heils Plan automatisch auf bis zu knapp 900 Euro im Monat aufstocken, wenn während des Arbeitslebens mindestens 35 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt, Kinder betreut oder Angehörige gepflegt wurden. Davon sollen nach seinen Vorstellungen drei bis vier Millionen Senioren profitieren – neue wie bestehende Rentner.
Nicht nur aus der SPD, sondern auch von Sozialverbänden erhielt Heil viel Beifall. „Das ist SPD pur“, verteidigte die Parteivize Malu Dreyer das Konzept. Vereinzelt Applaus aus der CDU Dagegen ist sich die Union nicht ganz einig. Der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, sprach von einer „vernünftigen Diskussionsgrundlage“. Problematisch sei, dass Heil keine Bedürftigkeitsprüfung wolle. Nach Ansicht des CDU-Sozialexperten Peter Weiß soll die Grundrente aus Rentenbeiträgen finanziert werden. Das lehnte die Rentenversicherung ab.
Den Sozialpolitikern droht noch mehr Unheil: Neue Projekte können nur in Angriff genommen werden, wenn an anderer Stelle gespart wird, lautet die Ansage aus dem Finanzministerium. Zudem gibt es kein zusätzliches Geld für Tariferhöhungen.