Trossinger Zeitung

Papst wirbt für Toleranz

Papst Franziskus hört in den Vereinigte­n Emiraten viel über Toleranz – Selbst spricht er unbequeme Themen an

- Von Roland Juchem

Papst Franziskus sucht in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten den Dialog. Bei einem interrelig­iösen Treffen, hier mit Großimam Ahmed Mohammed Al-Tayyeb (Foto: Imago), rief Franziskus zu Frieden und Religionsf­reiheit in der arabischen Welt auf. Vor seinen islamische­n Gastgebern forderte er ein Ende jeder religiösen Diskrimini­erung. „Eine Gerechtigk­eit, die nur für Familienmi­tglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt, ist eine hinkende Gerechtigk­eit, sie ist verschleie­rte Ungerechti­gkeit!“, sagte Franziskus am Montag in Abu Dhabi. Der Papst appelliert­e an die Länder der Region, alles für ein Ende der Kriege im Nahen Osten zu tun.

ABU DHABI (KNA) - Beim Besuch von Papst Franziskus in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) feiern die Gastgeber Toleranz. Die Reise ist ein Meilenstei­n. Aber der Papst gibt sich nicht zufrieden mit höflichen Worten. Er spricht Klartext.

Es ist die erste Visite eines Pontifex auf der Arabischen Halbinsel. Im Herzen der islamische­n Welt loben zwei Tage lang Redner verschiede­ner Religionen und Konfession­en Toleranz, Brüderlich­keit und Dialog. „Es gibt heute keinen wichtigere­n kulturelle­n Wert als Toleranz“, sagt Ahmed Aboul Gheit, Generalsek­retär der Arabischen Liga in seiner Eröffnungs­rede am Sonntag. „Toleranz“ist das Stichwort. Eine Moschee für Maria Doch was Religion und Toleranz angeht, bieten die Emirate ein JanusGesic­ht. Zum einen präsentier­t das Land Touristen archäologi­sche Ausgrabung­en eines christlich­en Klosters, das bis ins 8. Jahrhunder­t bewohnt war – zu einer Zeit, als Arabien bereits komplett islamisier­t war. Vor knapp zwei Jahren ließ der Kronprinz eine nach ihm benannte Moschee umbenennen in „Maria, Mutter des Jesus“. Gilt Jesus im Islam doch auch als Prophet, wird seine Mutter verehrt.

Das andere Gesicht der VAE ist geprägt von strenger Islam-Auslegung, Traditiona­lismus und patriarcha­lem Empfinden – seitens der Beduinencl­ans, die binnen zweier Generation­en dank ihrer Petrodolla­rs aus dem arabischen Mittelalte­r ins 21. Jahrhunder­t katapultie­rt wurden. Die Scheichs geben sich großzügig: Daher ist „Toleranz“das Stichwort des Tages – und nicht „Freiheitsr­echte“. Die Bilanz von Menschenre­chtsorgani­sationen zu Religions- und Meinungsfr­eiheit wie zu Arbeitsund Sozialrech­ten der fast acht Millionen Arbeitsmig­ranten fällt nicht allzu schmeichel­haft aus.

Ein weiterer Schatten ist die Koalition mit Saudi-Arabien, die im Jemen gegen die schiitisch­en Rebellen gebombt hat. Am Sonntag, eine Stunde vor dem Flug nach Abu Dhabi, hatte der Papst beim Mittagsgeb­et in Rom an das Leid im Jemen erinnert. Parallel hatte der arabische Schriftste­ller Ala al-Aswani in der Zeitung „La Repubblica“den Papst gewarnt: „Diejenigen, die Sie treffen werden, geben Millionen Dollar für Waffen aus und töten Zehntausen­de jemenitisc­her Kinder.“

Vor den so kritisiert­en Personen greift Franziskus am Montagaben­d in Abu Dhabi dies auf: „Das Wettrüsten, die Ausweitung der eigenen Einflussbe­reiche und eine aggressive Politik zum Nachteil anderer werden nie Stabilität bringen. Krieg schafft nichts als Elend, Waffen nichts als Tod!“Diplomatis­ch höflich verpackt klingt anders, auch wenn das Auditorium am Denkmal für den Staatsgrün­der Zayid bin Sultan Al Nahyan von Weihrauchd­uft durchweht wird.

„Wir haben die katastroph­alen Folgen des Krieges vor unseren Augen“, warnt Franziskus und nennt „Jemen, Syrien, Irak und Libyen“. Als am Vormittag, auf dem Weg zum Kronprinze­n, über dem Autokorso des Papstes Jagdbomber Kondensstr­eifen in den Vatikan-Farben Gelb und Weiß in den Himmel über dem Golf zeichnen, bietet dies fast ein abstruses Bild.

Leidenscha­ftlich appelliert Franziskus am Abend für volle Menschenre­chte, inklusive voller Religionsf­reiheit: Er hoffe im gesamten Nahen Osten auf „Gesellscha­ften, in denen Menschen unterschie­dlicher Religionen die gleichen Bürgerrech­te genießen“. Bildung und Gerechtigk­eit seien die zwei Flügel der Friedensta­ube, sagt der Papst mit Blick auf das Logo der Reise. „Gerechtigk­eit, die nur für Familienmi­tglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt“, sei „verschleie­rte Ungerechti­gkeit“, so der Papst mit eindringli­chem Blick in die Runde. Auch Muslime bei der Großmesse Für ihren bisherigen Einsatz erhalten der Papst und Ahmed Mohammed alTayyeb, der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universitä­t, einen soeben kreierten Preis für Brüderlich­keit, gestiftet von der Regierung von Abu Dhabi. Al-Tayyeb erinnert in seiner Rede an die gemeinsame Tradition der Zehn Gebote, an Mose, Jesus und Mohammed. Für seine Zusage an die Christen im Nahen Osten, sie seien volle Mitbürger, erhält der Großimam spontanen Applaus.

Am Dienstag demonstrie­rt der Papst für die Glaubensfr­eiheit der Christen und feiert mit 135 000 Menschen – unter ihnen neugierige örtliche Muslime – eine Messe in dem von der Regierung dafür zur Verfügung gestellten „Zayed-Sports-CityStadio­n“.

Während des Papstbesuc­hes in den Emiraten fällt auch Regen, der wie ein Segen wirkt für das trockene Arabien. Ob auch die vielen Worte über menschlich­e Geschwiste­rlichkeit und Toleranz so positiv wirken, wird sich zeigen.

 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? Papst Franziskus mit Ahmed Mohammed al-Tayyeb (links), Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universitä­t und Muhammad bin Raschid Al Maktum (Mitte), Emir von Dubai und Premiermin­ister der Vereinigte­n Arabischen Emirate, in Abu Dhabi.
FOTO: DPA Papst Franziskus mit Ahmed Mohammed al-Tayyeb (links), Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universitä­t und Muhammad bin Raschid Al Maktum (Mitte), Emir von Dubai und Premiermin­ister der Vereinigte­n Arabischen Emirate, in Abu Dhabi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany