Baden-Württembergs Wäschehersteller sind im Aufwind
Schiesser, Trigema und Mey verzeichnen seit Jahren wachsende Umsätze – und das in einem nicht gerade einfachen Umfeld
RADOLFZELL (dpa) - Am Ende ging es auch ohne Wolfgang Joop. Eigentlich hatte der Potsdamer Modemacher dem Wäschehersteller Schiesser nach überstandener Insolvenz 2011 als Berater und Kreativdirektor zur Seite stehen wollen. Doch dann platzte die Zusammenarbeit. Schiesser schaffte es auch so wieder in die Erfolgsspur – auch mit dem Dauerbrenner „Feinripp“.
Vor zehn Jahren, am 9. Februar 2009, hatte die Traditionsfirma aus Radolfzell am Bodensee Insolvenz angemeldet. Nach gut anderthalb Jahren galt das Unternehmen als saniert, 2012 wurde ein Börsengang abgesagt und der israelische Konzern Delta Galil übernahm die Firma.
Seitdem geht es mit Schiesser bergauf – und das ist kein Einzelfall: Auch andere Wäschehersteller aus Baden-Württemberg sind im Aufwind. Die Hersteller Mey und Trigema, beide noch in Familienhand, verzeichnen seit Jahren wachsende Umsätze.
Dabei ist das Umfeld nicht gerade einfach. „Der Markt für Wäsche war 2018 eher leicht rückläufig“, sagt Richard Federowski von der Unternehmensberatung Roland Berger. „Mode als Differenzierungsmerkmal funktioniert nicht mehr wie früher.“Unterwäsche hat es da noch einmal schwerer. Denn was drunter getragen wird, sieht man nicht. Hinzu kommt neue Konkurrenz: „Große vertikale Modeketten wie H&M oder Primark haben viele klassische Wäschelieferanten teilweise ersetzt“, sagt Federowski. Problematisches Lizenzgeschäft Die Probleme eingebrockt hatte Schiesser damals das Lizenzgeschäft, bei dem Hersteller ihre Produkte für andere Marken hergeben: Die finanzielle Schieflage war vor allem durch unrentable Lizenzfertigung für Marken wie Puma oder Tommy Hilfiger entstanden. Hinzu kam die Kreditklemme in der Finanzkrise. Heute verkauft Schiesser Lizenzen nur noch an ausgewählte Marken wie den Hemdenhersteller Seidensticker oder Lacoste – und setzt auf eigene Läden. So wie Konkurrent Trigema. Dessen populärer Chef Wolfgang Grupp erklärt, warum er den Handel inzwischen lieber selbst in die Hand nimmt: „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir dreimal große Kunden ausgetauscht, zuerst die Kaufhaus- und Versandhauskönige, dann SB-Warenhäuser und dann zum Schluss die Discounter.“Dann habe er erkennen müssen, dass er auch als Produzent einen Teil des Handels übernehmen müsse, um nicht in totale Abhängigkeit von einzelnen Großkunden zu geraten.
Gut zwei Drittel der Trigema-Wäsche vertreibt er nun selbst – in eigenen Läden und online, der Rest geht an Handel und Industrie. „Kunden wie Bosch bestellen bei Trigema Shirts für die Mitarbeiter für besondere Anlässe.“Gefertigt wird mit 1200 Mitarbeitern nach wie vor in Baden-Württemberg. Das bringe vor allem eines, sagt Grupp: Flexibilität. Denn wer die Produktion kontrolliert, kann schnell auf neue Trends reagieren. „Ob sich die Produkte in Rot oder Grün verkaufen, merke ich anhand der Nachfrage, und kann die Produktion sofort anpassen.“
Diesen Vorteil hat man auch beim Wäschehersteller Mey in Albstadt. Zwar lässt Mey im Gegensatz zu Trigema auch im europäischen Ausland nähen, doch 150 Näherinnen beschäftigt Mey nach wie vor in BadenWürttemberg. „Wir können damit schneller reagieren“, sagt Geschäftsführer Matthias Mey. Das wiege den Nachteil der hohen Kosten in Deutschland auf. Gewinnen in der Nische Ähnlich wie Trigema hat Mey entschieden, auf Qualität zu entsprechenden Preisen zu setzen. 85 Prozent der Stoffe werden selbst hergestellt, eingesetzt wird beispielsweise handgepflückte Baumwolle aus Peru. Nach Einschätzung des Modeexperten Federowski der richtige Weg: „Nur Hersteller und Retailer, die auf Innovation und besondere Produkte setzen, können sich von den Wettbewerbern abheben“, sagt der Berater. „Gewinner finden ihren Platz eher in der Nische.“
Dabei macht man sich bei Mey keine Illusionen über die Zahlungsbereitschaft. 2017 wurden zum Firmenjubiläum T-Shirts mit den Porträts verschiedener Mey-Mitarbeiter verkauft – der Preis konnte frei gewählt werden, der Erlös wurde gespendet. „Es war erschreckend zu sehen, wie wenig die Leute bezahlt haben“, sagt Mey. Trotzdem schaffte es seine Firma, ihren Umsatz in den vergangenen acht Jahren um fast die Hälfte auf 97,4 Millionen Euro zu steigern.
Trigema-Chef Grupp denkt inzwischen lieber auch schon über andere Einnahmequellen nach: Angesichts der wachsenden Digitalisierung müsse sich auch sein Unternehmen auf Wandel einstellen. „Vor Kurzem erst hat ein großer Autohersteller angefragt, ob Trigema für ihn Sitze nähen könnte.“