Trossinger Zeitung

In Italien stehen die Zeichen auf Sturm

- Von Thomas Migge, Rom und Sebastian Heinrich

Stehen bald schon Neuwahlen in Italien an? Die Zeichen stehen auf Sturm. Je länger die Koalition aus der populistis­chen 5-Sterne-Bewegung M5S und der nationalis­tisch-europafein­dlichen Lega besteht, desto deutlicher treten die gravierend­en Unterschie­de zwischen den Parteien hervor.

Die Lega will unter allen Umständen, dass die Schnellzug­verbindung TAV zwischen dem norditalie­nischen Turin und dem französisc­hen Lyon fertiggest­ellt wird, an der seit Jahren gebaut wird. Die M5S hingegen stellt sich seit Jahren hinter den Widerstand der Bewohner in den Alpentäler­n, durch die die TAV-Trasse führen soll – und ist gegen das Projekt. Ein Baustopp könnte für Italien aber teuer werden, laut einem Beraterbür­o ist mit zwei bis vier Milliarden Euro Strafzahlu­ngen an Frankreich und die EU zu rechnen.

Die Partei Lega will auch, dass vor Apuliens Küsten nach Erdgas gebohrt wird, um Italien energiepol­itisch ein wenig unabhängig­er zu machen. Derzeit muss das Land rund 85 Prozent seiner Energiezuf­uhr im Ausland einkaufen.

Den Wählern der Lega passt es gar nicht, dass die M5S eine Grundsiche­rung für sozial Benachteil­igte durchsetze­n konnte. Auch die von der M5S durchgeset­zte Rentenrefo­rm ist für viele „leghisti“inakzeptab­el, weil in deren Augen viel zu teuer.

Die Partei M5S hingegen ist entschiede­n gegen TAV und Bohrtürme im Mittelmeer eingestell­t. Beide Projekte sollen unter allen Umständen verhindert werden. Luigi di Maio, Vizeregier­ungschef und Chef der M5S, erklärte am Montag, dass „ich bei diesen Themen zu keiner Zusammenar­beit mit Salvini bereit bin“.

Zerstritte­n sind die beiden Regierungs­parteien auch in Sachen Einwanderu­ngsbegrenz­ung und dem harten Vorgehen gegen Einwandere­r in Italien.

Nicht ausgeschlo­ssen ist, dass die M5S sich für die Aufhebung der Immunität von Innenminis­ter Matteo Salvini ausspricht. Staatsanwä­lte wollen gegen ihn prozessier­en, weil er wochenlang im Mittelmeer gerettete Flüchtling­e auf einem NGOSchiff festhielt und nicht an Land ließ.

Dem Chef der Lega könnten Neuwahlen nutzen. In Umfragen ist die Lega (37 Prozent) der M5S (27 Prozent) überlegen. Zusammen mit der Mitte-Rechts-Partei Forza Italia von Ex-Regierungs­chef Silvio Berlusconi und einigen kleineren rechten und rechtsextr­emen Parteien könnte die Lega eine starke Koalition bilden.

Einer jüngsten Umfrage des Demoskopie-Instituts „Demos“des Soziologen Ilvo Diamanti zufolge sprechen sich inzwischen 58 Prozent der befragten Italiener für einen starken Regierungs­chef aus – und ein politische­s System, in dem Opposition­sparteien nur geringe oder gar keine Mitsprache­rechte mehr haben. „Italien befindet sich auf einem gefährlich­en Weg“, so Diamantis Fazit. „Und niemand ist in Sicht, um einen anderen Kurs einzuschla­gen“.

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FOTO: DPA Weiter populär: Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini.

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