Teure Trassen
Für die Energiewende muss das Leitungsnetz ausgebaut werden – Eine Studie offenbart nun neue Milliardenkosten
BERLIN - Damit die Energiewende gelingt, muss das deutsche Stromnetz deutlich vergrößert werden. Das geht aus dem Entwurf des „Netzentwicklungsplan 2030“hervor, den die Stromnetzbetreiber am Montag vorgelegt haben. Weil die bisher bis 2025 geplanten drei Hochleistungstrassen nicht ausreichen, müssten bis 2030 zwei weitere Trassen gebaut werden. „In allen Szenarien ist ein weiterhin steigendes innerdeutsches Gefälle bei der Stromerzeugung zu beobachten“, haben die Netzbetreiber festgestellt. Zusätzlich 1160 Kilometer Leitung sollen deswegen vier Gigawatt Strom entlang eines Korridors von Schleswig-Holstein bis ins badenwürttembergische Altbach (Landkreis Esslingen) transportieren.
Bisher waren mit „Korridor A“im Westen, „Südlink“in Mitteldeutschland und „Südostlink“in Ostdeutschland drei Stromautobahnen geplant. Weil CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag jedoch beschlossen haben, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 65 Prozent auszubauen, reicht deren Kapazität von acht Gigawatt wohl nicht aus. In früheren Netzentwicklungsplänen rechneten die Netzbetreiber mit einem kleineren Anteil.
Hinzu kommt, dass Deutschland wegen neuer EU-Regelungen in Zukunft mehr Strom aus dem Ausland transportieren muss. Die Ergebnisse der Kohlekommission konnten in dem neuen Plan noch nicht berücksichtigt werden. „Der Szenariorahmen hat aber bereits eine signifikante Reduktion des Kohlekraftwerksparks angenommen“, teilen die Betreiber mit. So soll „Südostlink“von Sachsen-Anhalt nach Bayern mit zusätzlichen Leerrohren verbaut werden, um die Kapazität der Leitung zu einem späteren Zeitpunkt unkompliziert vergrößern zu können.
Ein Sprecher der Bundesnetzagentur bestätigte der „Schwäbischen Zeitung“, dass ein zusätzlicher Netzausbau nötig ist. Aussagen zu konkreten Leitungen wollte er jedoch nicht machen. Im April will die für den Netzausbau zuständige Behörde den Plan der Netzbetreiber prüfen. Hinterher müsste die Große Koalition ihn per Gesetz absegnen. Das könnte teuer werden: Weil der Ausbau vor allem über Erdverkabelung vorgesehen ist, sind die Kosten immens. Statt etwa 35 Milliarden Euro, wie bisher geschätzt, könnten sie bis zu 52 Milliarden Euro betragen. Hinzu kommen 18 bis 27 Milliarden Euro, die für Leitungen zu den Windparks an den Küsten vorgesehen sind. Zusammengerechnet beträgt die Rechnung für die nächsten elf Jahre bis zu 79 Milliarden Euro. Bezahlen werden das letztendlich die Stromkunden über die Netzentgelte, die Teil jeder Stromrechnung sind.
Die Opposition kritisierte deswegen die Bundesregierung: Der Kohleausstieg sowie der schnellere Ausbau erneuerbarer Energien ließe „die Kosten explodieren“, sagte Martin Neumann, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er forderte deswegen, dass die Koalition „ein Preisschild an die gesamte Energiewende machen“müsse. Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, will hingegen, dass die Politik sich nun „mit aller Kraft für den erforderlichen Leitungsbau“einsetze und „vor Ort um Akzeptanz“werbe. Der Bau der Trassen wird oft durch Klagen aus der Bevölkerung verzögert.