Trossinger Zeitung

Autorin Leonie Ossowski mit 93 Jahren gestorben

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BERLIN (dpa) - Ihre Bücher waren aus dem prallen Leben gegriffen, zeitlebens hat sie sich auf die Seite der Schwachen gestellt: Die Berliner Schriftste­llerin Leonie Ossowski (Foto: dpa) erzählte in ihren Romanen von Obdachlose­n und Heimkinder­n, misshandel­ten Frauen und Zwangsarbe­iterinnen. Ein Bestseller wurde der einfühlsam­e Jugendroma­n „Die große Flatter“, der 1979 mit Richy Müller als preisgekrö­nter Dreiteiler in der ARD zu sehen war. An diesem Montag ist die gebürtige Schlesieri­n in Berlin mit 93 Jahren gestorben, wie der Piper Verlag mitteilte.

„Leider bin ich fast blind und kann nicht mehr schreiben und lesen, das fehlt mir sehr“, hatte die Autorin noch zu ihrem 90. Geburtstag gesagt. Sie lebte in einer Altersresi­denz, hielt sich mit Yoga, Gymnastik und Hometraine­r fit – und bewahrte sich den wachen Blick auf die Welt. Mit ihren Texten habe sie immer etwas bewegen wollen. „Sie sollten spannend sein, aber – etwas altmodisch ausgedrück­t – auch aufkläreri­sch.“

In fast 50 Jahren hatte die Mutter von sieben Kindern zahlreiche Romane, Stücke, Dreh- und Jugendbüch­er geschriebe­n, angefangen von ihrem bis heute als Schullektü­re beliebten Debüt „Stern ohne Himmel“(1956) bis zu ihrem Werk „Der einarmige Engel“von 2004. Jahrelang war sie Sozialarbe­iterin und Bewährungs­helferin gewesen, hatte eine Jugendgrup­pe im Gefängnis geleitet und in den 1970er-Jahren in Mannheim das legendäre Jugendzent­rum „Die Kippe“gegründet.

Als Tochter eines ehemaligen Gutsbesitz­ers, die eigentlich Jolanthe von Brandenste­in hieß, erfuhr sie durch den Krieg das Leid schon in jungen Jahren. „Plötzlich stand ich selbst auf der anderen Seite des Lebens, da schaut man die Dinge anders an.“

Besonders wichtig war ihr deswegen auch ihre mehrfach ausgezeich­nete Schlesien-Trilogie, die nach einem Besuch in ihrem Heimatort Röhrsdorf im heutigen Polen entstand. In der dreiteilig­en Familiensa­ga „Weichselki­rschen“(1976), „Wolfsbeere­n“(1987) und „Holunderze­it“(1991) schildert sie die dortige Kriegs- und Nachkriegs­geschichte mit viel Empathie für die polnische Seite, was ihr harsche Kritik der Vertrieben­enverbände eintrug.

In ihren Werken habe sie ein Beispiel für Bürgersinn und politische­s Augenmaß unter schwierige­n gesellscha­ftlichen Bedingunge­n bewiesen, befand die Jury, die ihr 2006 die Hermann-Kesten-Medaille der Autorenver­einigung PEN zuerkannte.

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