Nordmazedonien auf dem Weg nach Europa
Nach der Aussöhnung mit Griechenland ist für Nordmazedonien der Weg nach Europa frei. Heute wird im Nato-Hauptquartier in Brüssel das Beitrittsprotokoll unterzeichnet, im Juni sollen auch die EU-Verhandlungen beginnen.
„Am 6. Februar schreiben wir Geschichte“, twitterte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die frühere jugoslawische Teilrepublik Mazedonien wartet seit zwölf Jahren auf Beitrittsverhandlungen mit dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis. Den Weg freigemacht hat das sogenannte Prespa-Abkommen, in dem Griechenland und Mazedonien den 27 Jahre währenden Nachbarschaftskonflikt beigelegt und sich auf den neuen Staatsnamen Nordmazedonien geeinigt haben.
Ehe der kleine Balkanstaat, etwa halb so groß wie die Schweiz und zwei Millionen Einwohner, voraussichtlich 2020 als 30. Mitglied aufgenommen werden kann, müssen noch alle Nato-Mitgliedsstaaten zustimmen. Das dürfte glatt gehen: Denn die strategische Bedeutung Nordmazedoniens reicht weit über seine Größe hinaus. Seit Russland und China immer stärkeres geopolitisches und wirtschaftliches Interesse an der Balkanregion zeigen, kann sich Europa die Hinhaltepolitik in puncto Süderweiterung immer weniger leisten. Vor allem die USA haben zuletzt Druck auf Europa ausgeübt.
Russland warf der Nato mehrfach vor, sich Nordmazedonien „gewaltsam einverleiben“zu wollen. Im Gegenzug bezichtigten die USA den Kreml, das Prespa-Abkommen zu torpedieren. Moskau unterstützt die oppositionellen Nationalisten, die gegen die Aussöhnung mit Griechenland und den Nato-Beitritt sind, seit Jahren. Doch der sozialdemokratische Regierungschef Zoran Zaev glaubt, die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu haben: Laut offiziellen Angaben begrüßen 80 Prozent der Mazedonier den Nato-Beitritt. Kürzlich sagte Zaev in Wien, er erwarte, dass im Juni auch mit der EU-Kommission die Beitrittsverhandlungen beginnen können.
Mit Slowenien (2004), Kroatien (2009), Montenegro (2017) und bald auch Nordmazedonien gehören vier von ehemals sechs jugoslawischen Teilrepubliken zur Nato. Russlands Präsident Wladimir Putin hat zunehmend aggressiv auf die Nato-Südosterweiterung reagiert. Es begann im Oktober 2016 mit einem vom russischen Geheimdienst mit serbischer Mithilfe gesteuertem Putschversuch gegen die Führung Montenegros, um dessen Nato-Beitritt zu vereiteln.
Das geopolitische Gezerre um den Balkan dürfte sich weiter verschärfen. Für Russland bleibt Serbien als starker Verbündeter. Ohne die strategisch wichtigste Regionalmacht ist ein nachhaltiger Frieden auf dem Balkan wohl nicht denkbar. Der heißeste Zankapfel zwischen West und Ost ist das Kosovo, dessen nach dem Krieg 1998/99 errungene Eigenstaatlichkeit Serbien nach wie vor nicht akzeptiert. Ungewiss bleibt das Schicksal der geteilten Vielvölkerrepublik Bosnien-Herzegowina. Der serbische Teilstaat Republika Srpska will aus dem Gesamtstaat austreten. Eine zwischen muslimischen Bosniaken und katholischen Christen (Kroaten) geteilte Föderation wäre als eigener Staat aber wohl kaum überlebensfähig.