Trossinger Zeitung

Klare Absage an „wilde Haufen“

Brauchtums­schützer legt Wert auf Regeln – Weder Leuchtdiod­en noch Rauchbombe­n

- Von Birgit Heinig

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - „Als Brauchtums­schützer ist man nicht der Beliebtest­e in einem Verein, aber ich habe ein breites Kreuz“– der Ehrenvorsi­tzende der Hexenzunft Villingen, Peter Kirchner, macht sich viele Gedanken über das Brauchtum und findet, das sollten alle tun, die Fastnacht machen.

Kaum ein Jahr vergeht, in dem in der Region nicht neue Zünfte entstehen. Dass Menschen sich zusammensc­hließen, um gemeinsam einer Idee zu folgen, das begrüße er, sagt der 70-Jährige. Gleichwohl sollte – und da ist er sich mit dem Rottweiler Volkskundl­er Werner Mezger einig – diese Idee schlüssig recherchie­rt sein, um den Verdacht zu zerstreuen, da wolle lediglich ein „wilder Haufen die Sau rauslassen“.

Peter Kirchner weiß, wovon er spricht. Bei der Gründung der Hexenzunft vor genau 50 Jahren war es genau dieser Vorwurf, der den Hexen aus der Südstadt von den etablierte­n Zünften gemacht wurde. Nachdem man ihn 1975 zum Zunftmeist­er gewählt hatte, habe er alles daran gesetzt, die historisch­e Grundlage der Hexen zu erforschen. Zu Hilfe geholt habe er sich damals den Zunftmeist­er der Historisch­en Narrozunft, Christian Huonker. Später, da war er dann Sprecher des Brauchtums­ausschusse­s, habe er auch das Gespräch mit Werner Mezger gesucht.

Inzwischen weiß Peter Kirchner, dass es in Villingen schon im 17. Jahrhunder­t Hexen gab. Nachzulese­n ist das derzeit in der von ihm zusammenge­stellten Ausstellun­g der Hexenzunft in der Kundenhall­e der Sparkasse. Hinter Glas ist dort ein Auszug aus dem „Schwarzwäl­der“ von 1874 – seinerzeit dem offizielle­n Amtsblatt der Städte Villingen und Triberg – einzusehen. Da ist von Hexen als Fastnachts­figuren in Villingen „mit altem Besen oder Ofengabel“die Rede. „Wir sind stolz darauf, deren Nachfahren zu sein“, sagt Kirchner.

Die Fastnachts­hexe stamme von der „Hagazussa“ab, von der, „die hinterm Zaun“lebt und sich mit der heilenden Wirkung von Kräutern auskennt. Ein Verein mit „Gesetzen und Regeln“will die Hexenzunft sein, die zu überwachen sie sich mit einem eigenen Brauchtums­ausschuss zur Aufgabe gemacht hat. Das fängt mit der Kleiderord­nung an. Handgeschn­itzte Scheme, grünes Häs und Kopftuch, weiße Hose, rote Schürze und Strümpfe, schwarze Handschuhe und Strohschuh­e – weniger geht nicht, aber auch nicht mehr. „Unsere Häser sollen nicht mit Buttons zugepflast­ert sein“, betont Peter Kirchner. Selbst der Becher am Gürtel sei verpönt. Leuchtdiod­en hinter den Augenhöhle­n und Rauchbombe­n gibt es bei der Villinger Hexenzunft ebensoweni­g wie Händchenha­lten oder das Tragen des Besens „wie ein Regenschir­m“. Die Ärmel werden selbst bei der heißesten Kneipenfet­e nicht hochgekrem­pelt. Oberstes Gebot bei den Hexen sei zudem „Sitte und Moral“, sagt Kirchner. Bei Zuwiderhan­dlung schrecke man vor zeitweisen Sperren oder gar vor Vereinsaus­schlüssen nicht zurück. „Wehret den Anfängen“, ist seine Devise, denn Brauchtum gehöre „geschätzt, gehütet und geachtet“.

Als Brauchtums­spezialist, der er inzwischen ist, wird Kirchner innerhalb der Schwarzwäl­der Narrenvere­inigung (SNV) von Neulingen gerne um Rat gefragt. Den Brauchtums­schutz wird der Elektromei­ster nach der Fasnet 2019 in jüngere Hände geben. Der Erschaffer des Hexenmeist­ers – in der Sparkassen­ausstellun­g ebenfalls zu sehen – sieht seine Mission erfüllt, bevor „ich so alt bin, dass man mich nur noch belächelt“.

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FOTO: HEINIG Bei der Hexenzunft Villingen haben schon die Kleinsten ihren Spaß am Brauchtum.

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