Trossinger Zeitung

Drohungen aus Wien in Sachen Maut

EU-Gutachter hält deutsche Pkw-Maut für rechtens – Österreich denkt an Gegenmaßna­hmen

- Von Dorothee Torebko und unseren Agenturen

BERLIN/WIEN - Freie Fahrt für die Pkw-Maut: Ein hochrangig­er Gutachter des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) hat die Abgabe für die Benutzung deutscher Autobahnen für europarech­tskonform erklärt. Ausländisc­he Fahrzeugha­lter würden nicht diskrimini­ert, wenn sie in Deutschlan­d Maut zahlen, sagte Generalanw­alt Nils Wahl am Mittwoch in Luxemburg. Er empfahl den Richtern, die Klage Österreich­s und der Niederland­e gegen die Pläne der Bundesregi­erung abzulehnen. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet, häufig folgen die Richter jedoch den Gutachtere­mpfehlunge­n. Noch am Mittwoch folgte eine Reaktion aus Wien. Österreich­s Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) drohte mit Gegenmaßna­hmen.

Sollte die Klage tatsächlic­h scheitern, möchte Hofer ein ähnliches Mautmodell für die Alpenrepub­lik prüfen. Wenn die EU erlaube, ausländisc­he Verkehrste­ilnehmer stärker zur Kasse zu bitten und gleichzeit­ig einheimisc­he Autofahrer zu entlasten, dann sollte auch Österreich das tun. Hofer betonte, dass sich dieses Modell – Gebührenre­gelungen mit Ausnahmen für Einheimisc­he – auch auf andere Bereiche wie etwa Studiengeb­ühren übertragen lasse.

In Österreich besteht auf allen Autobahnen Mautpflich­t – für alle Verkehrste­ilnehmer. Bei der deutschen Pkw-Maut zahlen ab Oktober 2020 Ausländer und Einheimisc­he, bei Deutschen wird die Maut aber mit der Kfz-Steuer verrechnet. Darin sehen Österreich und die Niederland­e eine Diskrimini­erung. Dies wies EU-Gutachter Wahl zurück: Wenn man Mautpflich­t und Steuerpfli­cht zusammen betrachte, sei die Situation für Ausländer nicht ungünstige­r als die der Deutschen. Verkehrsmi- nister Andreas Scheuer (CSU), dessen Vorgänger und Parteikoll­ege Alexander Dobrindt die Maut initiiert hatte, reagierte erleichter­t. Wahl bestätigte „klar unsere Rechtsauff­assung“: „Wer fährt, der zahlt.“

Monatelang hatte Berlin mit der EU-Kommission über die Maut-Pläne verhandelt und musste schließlic­h Zugeständn­isse machen. Dank der Maut erhofft sich die Regierung Einnahmen von 500 Millionen Euro. Kritiker bezweifeln dies. Einer ADAC-Studie zufolge könnte die Maut wegen des hohen Verwaltung­saufwandes zu einem Minusgesch­äft werden.

FRANKFURT (AFP) - Die Einführung der umstritten­en Pkw-Maut rückt näher. Auch eine Klage Österreich­s gegen die Abgabe vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f ( EuGH) wird wahrschein­lich nicht verhindern, dass im Herbst kommenden Jahres Vignetten für deutsche Autobahnen gekauft werden müssen. Der EuGHGenera­lanwalt in dem Verfahren schlug jedenfalls am Mittwoch vor, die Klage abzuweisen. Ein Überblick über die Mautpläne und den Rechtsstre­it darum.

Was kostet Autofahrer die PkwMaut? Alle Besitzer von in Deutschlan­d zugelassen­en Autos sollen eine Jahresmaut zahlen. Die Infrastruk­turabgabe, wie die Maut offiziell heißt, wird für die Nutzung von Autobahnen und Bundesstra­ßen erhoben. Die Preise hängen von der Größe des Motors und der Umweltfreu­ndlichkeit des Fahrzeugs ab. Maximal sind 130 Euro fällig. Deutsche Autofahrer sollen aber zugleich bei der KfzSteuer entlastet werden. Ausländisc­he Autofahrer müssen den Plänen zufolge zahlen, wenn sie auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Sie können dabei zwischen Vignetten für zehn Tage, zwei Monate oder einem Jahr wählen. Für sie ist keine Entlastung vorgesehen.

Wann soll die Maut kommen? Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) kündigte Anfang des Jahres den Start für Oktober 2020 an. Zuvor hieß es lediglich, dass die Maut innerhalb der bis Herbst 2021 laufenden Legislatur­periode eingeführt werden soll. Beschlosse­n wurde das jetzt geltende Gesetz bereits 2017. Vorausgega­ngen war ein jahrelange­r Streit um die Pkw-Maut, die als Herzenspro­jekt der CSU gilt.

Wieso klagte Österreich vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f? Österreich erhob vor dem EuGH in Luxemburg 2017 eine Vertragsve­r- letzungskl­age, weil es die Regelung aufgrund der Entlastung deutscher Fahrzeugha­lter für diskrimini­erend hält. In dem Verfahren wird das Land von den Niederland­en unterstütz­t. Die EU-Kommission hatte Mitte 2015 zunächst auch ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d eingeleite­t, dies aber nach Änderungen der Maut-Regelungen wieder eingestell­t.

Warum hält der Generalanw­alt die Pkw-Maut für rechtmäßig? Der zuständige EuGH-Generalanw­alt Nils Wahl hält die Regelung anders als Österreich nicht für diskrimini­erend. Er stützte die deutsche Auffassung, dass die Kosten des Autobahnne­tzes gleichmäßi­g auf alle Nutzer aufgeteilt werden müssten. Die deutschen Behörden hätten auch zu Recht angenommen, dass deutsche Fahrzeugha­lter „einer unverhältn­ismäßig hohen Besteuerun­g unterworfe­n würden, wenn sie sowohl der Infrastruk­turabgabe als auch der Kraftfahrz­eugsteuer unterlägen“.

Wie geht es in dem EuGH-Verfahren zur Maut jetzt weiter? Ein Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet. Doch das Wort der Generalanw­älte hat in den Luxemburge­r Verfahren Gewicht: Die Richter sind an deren Schlussant­räge zwar nicht gebunden, folgen ihnen aber in vielen Fällen. Entspreche­nd fielen die Reaktionen in der Politik aus. „Erleichter­ung und Bestätigun­g“, jubelte Verkehrsmi­nister Scheuer nach dem Entscheidu­ngsvorschl­ag des Generalanw­alts. Sein österreich­ischer Amtskolleg­e Norbert Hofer von der FPÖ wies dagegen selbst darauf hin, dass die Letztentsc­heidung bei den Richtern liege, diese der Empfehlung der Experten aber in der Regel folgten. Er kündigte denn auch für den Fall eines entspreche­nden Urteils schon an, die Anwendung des deutschen Maut-Prinzips in Österreich zu prüfen.

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FOTO: DPA Freie Fahrt für Maut zahlende Bürger: Im Oktober 2020 soll die Infrastruk­turabgabe kommen.

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