Schwarz-Orange lobt sich
Nach 100 Amtstagen will Söder Bauern und Bienen retten
HILPOLTSTEIN (epd/sz) - Nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“gehen Vertreter der bayerischen Staatsregierung auf die Initiatoren zu. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte vor einem für nächsten Mittwoch geplanten runden Tisch, sein Ziel sei es, Bienen und Bauern zu retten. Am Donnerstag sind 100 Tage seit Antritt der Regierung aus CSU und Freien Wählern vergangen. Parteienvertreter lobten das Arbeitsklima. „So wie es angefangen hat, kann es weitergehen“, erklärte Umweltminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR). Söder sagte dem BR: „Der Stil der Zusammenarbeit hebt sich deutlich ab von dem anderer Koalitionen in Deutschland.“
BERG - Knarzend setzt sich ein Ochsenfuhrwerk in Gang und verlässt das Kloster Kellenried (bei Ravensburg). Geladen sind Möbel, Kreuze, Bilder und andere Kirchenutensilien. Die Nachbarschaft in den umliegenden Dörfern unterstützt die Nonnen, das Gebäude zu räumen. Auch der Vater von Roswitha Jehle (Foto: ric) karrt in dieser Nacht Kisten zu seinem Hof in Basenberg (Gemeinde Berg) und lagert sie auf dem Dachboden ein – so wie es andere auch getan haben. Was in dieser kalten Novembernacht 1940 passiert ist, hat Roswitha Jehle erst viele Jahre später begriffen, als der Zweite Weltkrieg vorbei war. „Als Kinder durften wir nicht an die Sachen ran. Das war meinem Vater wichtig. Ich weiß aber noch, dass meine Eltern sehr betroffen waren“, erzählt sie.
Nicht immer war das Kloster Kellenried ein Kloster. Als in Deutschland mit seinem „Dritten Reich“plötzlich alles anders wurde, begann auch für die Kirchen und ihre Einrichtungen eine dunkle Zeit. Die Schwestern aus Kellenried mussten nach Beginn des Zweiten Weltkrieges ins Exil. Aus ihrem Kloster sollte ein Übergangslager zur Umsiedlung der sogenannten „Volksdeutschen“in Osteuropa werden. Es sollte dazu dienen, die nationalsozialistische Rassenideologie durchzusetzen. Letztendlich kamen aber keine „Volksdeutschen“, sondern 300 Slowenen als sogenannte „Absiedler“, um im Deutschen Reich germanisiert und später als „Wehrbauern“im Osten eingesetzt zu werden. In Wirklichkeit mussten sie Zwangsarbeit für das Deutsche Reich leisten.
Bis heute wirkt die Geschichte in Kellenried nach, auch wenn dieses Kapitel bei vielen in Oberschwaben mittlerweile in Vergessenheit geraten ist. Roswitha Jehle kann und wird es nie vergessen. Seit ihrer Kindheit ist die Frau aus Fronhofen mit dem Kloster Kellenried und den Schwestern eng verbunden. Als Kind hat sie die Kriegszeit miterlebt. Bis heute hält sie den Kontakt nach Slowenien, der in den 40er-Jahren seinen Anfang genommen hat.
Damals, erzählt die heute 82-Jährige, durften die Höfe in der Region Hilfe im Lager Kellenried anfordern, wenn sie Unterstützung in der Landwirtschaft brauchten. „Meine Mutter wollte damals ein Mädchen, das etwas älter war als wir, die auf uns Kinder aufpasst. Und die Nachbarn wollten einen Jungen, der auf das Vieh aufpasst. Wir haben die Rosa bekommen und die Nachbarn den Vojko“, sagt sie. Ob Rosa auch wirklich Rosa geheißen hat, da ist sie sich nicht mehr so sicher. „Es ist so schade, dass wir keinen Kontakt haben. Wir haben schon nach ihr gesucht, weil wir sie so gern gehabt haben. Leider haben wir sie nicht gefunden“, erzählt sie.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurde es im Deutschen Reich für die Kirchen immer düsterer. Sie passten nicht zur NS-Ideologie, zeigten sich außerdem oft kritisch gegenüber dem neuen Regime. Viele Kirchenangehörige engagierten sich im Widerstand – unter anderem der katholische Bischof der Diözese Rottenburg, Joannes Baptista Sproll. Spätestens von 1940 an, kurz nachdem Österreich und das Sudetenland ans Deutsche Reich angegliedert wurden, begann für die Klöster die Zeit der Angst. Nach und nach beschlagnahmte das NS-Regime immer mehr Klöster. Am 31. Oktober 1940 erfuhr der Konvent in Kellenried, dass diese Gefahr mittlerweile in der Nachbarschaft Realität wurde: Unter anderem wurden die Klöster Weingarten, Reute und Blönried beschlagnahmt.
Nur einen Tag nach dieser Nachricht, am 1. November 1940, erschien eine Kommission der Ravensburger NSDAP mit Kreisleiter Carl Rudorf in Kellenried. Sie erzwangen den Zutritt zum Benediktinerinnenkloster, um das Gebäude zu inspizieren. Rudorf soll auf den Boden gestampft und geschrien haben: „Machen Sie die Tür auf, sonst schlagen wir sie ein!“ Der Räumungsbefehl kommt Das Gebäude wurde beschlagnahmt, der Protest der Äbtissin und der Schwestern nützte so wenig wie ein Widerspruch der Bistumsleitung. Am 2. November 1940 kam ein Telegramm: „Das Kloster muss bis Dienstag, 12. November, nachmittags 14 Uhr, einem von mir Beauftragten übergeben werden. Heil Hitler! Drauz, Einsatzführer.“Allein in der Diözese Rottenburg wurden 23 Klöster und katholische Einrichtungen beschlagnahmt – reichsweit waren es deutlich mehr als 200. Nur ein paar Schwestern durften auf dem benachbarten Hof Marschall weiter wohnen, um die zum Hof gehörende Landwirtschaft zu bewirtschaften.
Die Gebäude sollten Umsiedlungszwecken dienen. Nach Hitlers Vorstellungen sollten die Deutschen die annektierten Gebiete in Osteuropa besiedeln („Lebensraum im Osten“), und die „Volksdeutschen“, die in Osteuropa lebten, „heim ins Reich“geholt werden. Das Kloster Kellenried sollte Deutschen aus Bessarabien, einem Gebiet in der heutigen Republik Moldau, als vorübergehende Unterkunft dienen. Im Hitler-Stalin-Pakt wurde Bessarabien der Sowjetunion zugesprochen und damit gleichzeitig die Umsiedlung der Deutschen festgelegt, die dann in Lagern unterkommen mussten.
Nach dem Räumungsbescheid begannen für die Schwestern fünf Jahre im Exil. In bis zu zehn Zufluchtsorten sind die Nonnen aus Kellenried untergekommen. Von Anfang an war Schloss Zeil bei Leutkirch ein solcher Ort, wo Erich Fürst von Waldburg zu Zeil einigen Schwestern ein Dach anbot. Er war Neffe von Priorin Placida zu Salm-Reifferscheid. Mit der Zeit wurde Schloss Zeil der größte Zufluchtsort und zwischenzeitlich sogar zur „Abtei“erhoben. Wie alle im Reich mussten auch die Schwestern für die Kriegswirtschaft arbeiten. Sie waren dort in der Waldwirtschaft eingesetzt, konnten aber auf Schloss Zeil ein fast normales klösterliches Leben führen.
Das Kloster Kellenried stand ein Jahr lang leer, da die geplanten Umsiedler aus Bessarabien nie angekommen waren. Erst 1941, am 25. November, wurde das Kloster schließlich doch bevölkert. Es kamen die ersten Slowenen in Kellenried an, Lagerleiter Sailer holte sie persönlich in Zagreb ab. Es handelte sich aber laut NaziIdeologie nicht um sogenannte „volksdeutsche“Umsiedler, sondern um zwangsdeportierte Slowenen aus dem damaligen Jugoslawien. Die jugoslawische Region Slowenien war zu dieser Zeit bereits von der Wehrmacht besetzt. Wie alle slowenischen Deportierten sollten auch die in Kellenried „eingedeutscht“werden. Auch die slowenischen Regionen Untersteiermark und Oberkrain sollten nach den Plänen Hitlers wieder „deutsch“werden – wie vor dem Ersten Weltkrieg, als diese Teil von Österreich waren. Das slowenische Volkstum sollte verschwinden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lager Kellenried schließlich aufgelöst. Im August 1945 durften die Slowenen in ihre Heimat zurück. Nach Aufzeichnungen der Klosterchronik waren die Zimmer des Klosters verwüstet und voll mit Ungeziefer. Sie mussten von den Schwestern mit großem Aufwand und sogar professionell mit Gas gereinigt werden. Ende November 1945 konnte die Gemeinschaft endlich wieder einziehen. Doch der komplette Wiederaufbau dauerte fast zwei Jahrzehnte. Der Kontakt bleibt bestehen Die Slowenen waren weg, doch auch nach dem Krieg blieb der Kontakt zwischen einigen Menschen bestehen. Sowie der von Roswitha Jehle mit Vojko, der als Viehhüter bei den Nachbarn unterkam. In den 50er-Jahren kam Vojko Cerovsek wieder für ein Praktikum nach Ravensburg und durfte wieder bei den Nachbarn wohnen. „Immer wenn er da war, sind wir am Wochenende zusammen weggegangen, zum Tanzen oder zu Festen, sogar sonntags ist er mit uns in die Kirche gegangen, auch wenn das nicht so sein Ding war“, berichtet Roswitha Jehle. „Wir haben uns immer gefreut, wenn er kam. Da war was los.“Auch während seines Architekturstudiums in Ljubljana kam er immer wieder nach Oberschwaben, um sich etwas dazuzuverdienen.
Nach dem Studium hat Vojko Cerovsek sogar für eine Weile in Aulendorf als Architekt gearbeitet. Erst vor einigen Jahren waren Roswitha Jehle und ihr Mann zu Besuch in Slowenien, wo sie Vojko und seine Familie besuchten. „Wir sind so herzlich empfangen worden und er hat uns so viel gezeigt – jeden Tag“, erzählt Roswitha Jehle. Auch Vojkos Schwester Ivanka, die in Oberschwaben zur Welt kam, haben sie besucht. Selbst nach seinem Tod blieb der Kontakt zu Vojkos Ehefrau und seiner Schwester erhalten – und er hält bis heute. Seine Geschichte, wie er nach Kellenried deportiert wurde, hat Vojko nie aufgeschrieben. „Ich habe ihn immer darum gebeten. Aber er sagte nur: ,Das kann ich nicht.’ Da wäre wahrscheinlich zu viel wieder hochgekommen“, sagt Roswitha Jehle. Ihre Geschichte wird aber immer lebendig bleiben.
„Wir haben die Rosa bekommen und die Nachbarn den Vojko.“Roswitha Jehle über die Zwangsarbeiter aus Slowenien „Ich habe ihn immer darum gebeten. Aber er sagte nur: Das kann ich nicht.“Jehle über ihren Wunsch nach einer Biografie Vojko Cerovseks
Weitere Texte und Videos rund um das Kloster Kellenried gibt es in einem Onlinedossier unter www.schwäbische.de/kellenried