Trossinger Zeitung

Ausverkauf der Ökoidee

Discounter bieten zunehmend Bio an – Bauern setzen auf nachhaltig­e Produkte als alternativ­e Einnahmequ­elle

- Von Hanna Gersmann

EU einigt sich auf Urheberrec­htsreform

STRASSBURG (AFP) - Presseverl­age in der EU sollen künftig gegenüber Nachrichte­n-Suchmaschi­nen wie Google News deutlich gestärkt werden. Unterhändl­er der EU-Staaten und des Europaparl­aments einigten sich am Mittwoch in Straßburg vorläufig auf eine Reform des EUUrheberr­echts inklusive Leistungss­chutzrecht. Die Portale sollen für das Anzeigen von Artikelaus­schnitten in ihren Suchergebn­issen künftig Geld an die Verlage zahlen. Die Einigung muss in den kommenden Wochen noch vom Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden.

Wirecard sieht keine Grundlage für Sammelklag­e

ASCHHEIM (dpa) - Der Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard blickt nach eigenen Angaben gelassen auf in den USA eingereich­te Sammelklag­en im Zusammenha­ng mit Berichten über mögliche Bilanzieru­ngsverstöß­e. „Da die Vorwürfe keine Grundlage haben, gibt es auch keine Grundlage für potenziell­e Klagen in dieser Angelegenh­eit“, sagte ein Sprecher. Den Vorgang sehe man entspannt.

VW Pkw liefert im Januar weniger Autos aus

WOLFSBURG (dpa) - Die Volkswagen-Kernmarke VW Pkw hat nach dem starken Jahr 2018 im Januar deutlich weniger Autos ausgeliefe­rt. Weltweit gingen in dem Monat 515 500 Fahrzeuge an die Kunden – 3,4 Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahres, wie das Unternehme­n mitteilte. NÜRNBERG - In der Badewanne mischte die Rapunzel Naturkost AG aus Legau im Unterallgä­u einst das Müsli. Ihr Ökoladen in Augsburg, vor etwa 45 Jahren als einer der ersten Deutschlan­ds geöffnet, hatte gerade mal 35 Quadratmet­er. Heute hat allein ihr Messestand auf der Nürnberger Biofachmes­se schon fast die fünffache Größe – 190 Quadratmet­er.

Man muss sich zu ihm durchwusel­n, vorbei an den vielen Geschäftsl­euten in schicken Anzügen und Kleidern, an edel aufgemacht­en Ständen vorbei, die neuesten Produkte im besten Licht drapiert: kalorienre­duzierte Hafer-Chia-Kekse ohne Zucker, kompostier­bare knallrote Eislöffel aus Maisstärke, fruchtige Jackfruit-Chips. Jackfruit – beheimatet in Süd- und Südostasie­n – soll der neue Fleischers­atz sein, die Chips schmecken süßlich, intensiv. Oder: der erste Berliner Wacholderb­rand in Bioqualitä­t, der „Spree Gin“.

Die Biofach in Nürnberg, die weltgrößte Messe der Branche, startete am Mittwoch. Sie läuft noch bis Samstag. Die Branche hat Grund zu feiern. Mit Bio lässt sich seit Jahren gut verdienen. Rapunzel verkauft sein Müsli mittlerwei­le tonnenweis­e. Allein im vergangene­n Jahr kauften die Verbrauche­r in Deutschlan­d Bioessen und -getränke im Wert von 10,91 Milliarden Euro – das sind 5,5 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Das lässt sich nachlesen in „Zahlen, Daten, Fakten – Die Bio-Branche 2019“.

Die Analyse hat der Spitzenver­band der Ökoproduze­nten, der Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft, BÖLW, auf der Messe vorgestell­t. 2017 hatte die Branche erstmals die Zehn-Milliarden-Euro-Marke geknackt. Peter Röhrig ist Geschäftsf­ührer des BÖLW. Er sagt: „Immer mehr Menschen wollen heimische Bauern ebenso stärken wie Klimaschut­z, Biene und Feldhase, artgerecht­e Tierhaltun­g und die Gesundheit ihrer Familien und der Umwelt.“

Bio kommt an. Rapunzel zum Beispiel ist heute mit gut 380 Mitarbeite­rn einer der führenden Bioherstel­ler Europas. Fast wäre es nicht so weit gekommen. Denn als bei Rapunzel gerade mal acht Leute arbeiteten, fanden das „einige aus der kleinen Arbeitsgem­einschaft schon zu viel“, erklären die Gründer. So hätten sie alle überlegt, das Wachstum zu stoppen oder auszusteig­en und nach Italien zu gehen.

Wann wird die Ökoidee ausverkauf­t? Die Frage beschäftig­t die Branche aufs Neue, weil jetzt der Discounter Lidl Produkte von Bioland in seine Regale stellt. Es ist der erste Discounter mit einem Biolabel, das strenger ist als EU-Bio. So mancher fürchtet nun die Lidlisieru­ng von Bio, den Preisdruck, den Ausverkauf der Ökoidee. Jan Bock, der Einkaufsch­ef von Lidl Deutschlan­d ist extra nach Nürnberg gekommen, er hat in den vergangene­n Wochen schon oft die Kooperatio­n verteidigt. Auch in Nürnberg sagt er: „Wir wollen Bio in die Mitte der Gesellscha­ft bringen.“

Denn: Im Trubel an den Nürnberger Messeständ­en lässt sich leicht einiges übersehen. Die Landwirte brauchen neue Einkommens­chancen, allein im Jahr 2017 machten 3100 von knapp 267 000 ihre Höfe dicht. Bio scheint da für den ein oder anderen immerhin eine Alternativ­e zu sein.

Eine entscheide­nde Zahl aus der BÖLW-Analyse: Im Geschäftsj­ahr 2017/18 lag das Unternehme­nsergebnis der Ökobetrieb­e im Schnitt bei knapp 65000 Euro, das sind rund 17 500 Euro mehr als ein konvention­eller Hof verdient. So stellten deutsche Bauern im vergangene­n Jahr auch eine Fläche in der Größe von 150 000 Fußballfel­dern auf den Ökolandbau um – es sind damit insgesamt fast 1,5 Millionen Hektar. Nur: Die Ökoäcker machen bislang trotzdem nur knapp neun Prozent aus. Im Koalitions­vertrag haben Union und SPD vereinbart, den Öko-Landbau bis 2030 auf 20 Prozent auszuweite­n.

Derweil steigt die Nachfrage, vor allem von Seiten jener, die ihr konvention­elles Sortiment mittlerwei­le mit Öko ergänzen wollen – von den Discounter­n wie Lidl, aber auch Aldi, von den Lebensmitt­elketten wie Edeka und Rewe. Sie verkauften 2018 Biokartoff­eln, -kekse, -kaffee für 6,43 Milliarden Euro, machen damit knapp 59 Prozent des Bio-Umsatzes. Das ist ein Plus von 8,6 Prozent allein im vergangene­n Jahr.

Da stellt sich die Frage, ob dem Biofachhan­del, den Bioketten und

„Wir wollen Bio in die Mitte der Gesellscha­ft bringen“,

vor allem den Naturkostf­achläden, die Kunden weglaufen. So mancher befürchtet das. Doch legte im vergangene­n Jahr auch deren Umsatz zu, wenn auch nur um 0,8 Prozent. Sie profiliere­n sich beispielsw­eise als Fachhändle­r, locken die Kunden dann auch mal mit einer gemütliche­n, kleinen Sitzecke, in der man sich eine Suppe, ein Stück Torte oder auch nur einen Kaffee sagt Jan Bock, Einkaufsch­ef von Lidl Deutschlan­d gönnen kann.

Bleibt eine andere Zahl: Die Ökolebensm­ittel machen am gesamten Lebensmitt­elmarkt gerade mal fünf Prozent aus. Erst diese Woche hat das Bundesagra­rministeri­um das Ökobaromet­er 2018 herausgege­ben. Das Ressort von CDU-Politikeri­n Julia Klöckner ließ dafür 1000 Menschen nach ihren Einkaufsge­wohnheiten befragen. Demnach entscheide­t am Ende sicher auch der Preis. Denn Menschen mit hohem Einkommen greifen – auch das zeigte das Barometer – eher zu Bioprodukt­en. Darum debattiert­e die Biobranche in Nürnberg am Mittwoch auch über „wahre Preise.“

Wer weiß schon, was die Produktion eines Steaks wirklich kostet, wer denkt beim Einkauf schon an die Folgen für sein Trinkwasse­r oder für die Erderwärmu­ng. Der Ökonom Tobias Gaugler von der Universitä­t Augsburg hat die „versteckte­m Kosten“in der Studie „Was kosten Lebensmitt­el wirklich?“unter anderem im Auftrag der Schweisfur­th-Stiftung errechnet. Sein Ergebnis: In Wahrheit müssten die Verbrauche­r etwa für Milch von konvention­ell gehaltenen Kühen bis zu 30 Prozent mehr zahlen.

Denn bisher, erklärt der Wissenscha­ftler, sei zum Beispiel nicht eingepreis­t, dass die konvention­elle Landwirtsc­haft das Grundwasse­r besonders mit Nitrat belaste, der Aufwand dieses dann zu Trinkwasse­r aufzuberei­ten größer werde. Dafür komme derzeit die Allgemeinh­eit auf, genauso wie für Umweltschä­den durch Treibhausg­asemission­en oder zu hohen Energiever­brauch. Da hat er noch nicht davon geredet, wie die Chemie in der Landwirtsc­haft Insekten und Vögel gefährdet. Gaugler hat das wegen mangelnder Datenlage nicht einbezogen.

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FOTO: DPA Bio-Äpfel der Sorte Opal (von links nach rechts), Elstar und Golden Delicious: Discounter machen mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Biolebensm­itteln.
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FOTO: DPA Biosiegel auf Kresse.

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