Trossinger Zeitung

Märchen von der menschlich­en Maschine

„Alita: Battle Angel“von Robert Rodriguez – Christoph Waltz als hilfloser Arzt

- Von Rüdiger Suchsland

in Cyborg, also ein kybernetis­cher Organismus, sucht seine Seele – das klingt hypermoder­n. Es ist aber auch das gute alte Märchen von Pinocchio im neuen Gewand. Die Cyborg-Heldin des Films heißt Alita. Sie erinnert sich erst einmal an nichts. Doch dann entdeckt sie übermensch­liche Fähigkeite­n und damit sich selbst. Bald begreift sie auch, dass ihr aus zunächst unerfindli­chen Gründen ein Dutzend Kopfgeldjä­ger auf den Fersen ist.

Dieser Film ist die Zusammenar­beit von zwei sehr unterschie­dlichen Hollywood-Giganten: James Cameron macht aus allem, an dem seine Name klebt, ein Event, und Robert Rodriguez ist nicht nur seit 25 Jahren und seinem „Desperado“einer der originells­ten Regisseure der Independen­t-Bewegung. Er hat auch zweimal mit Quentin Tarantino zusammenge­arbeitet. Zugrunde liegt dem Film der Manga „Battle Angel“von Yukito Kishiro. Cameron kaufte bereits vor vielen Jahren hierzu die Filmrechte, doch dann kam ihm sein eigener „Avatar“dazwischen, und er überließ die Stoffentwi­cklung dieser Cyberpunk-Geschichte dem Kollegen.

Das Ergebnis ist vor allem ein fettes Spektakel: Zalem heißt der Ort dieser Dystopie, in dem die oberen Zehntausen­d dieser Welt leben. Der Rest ist irgendwo unten und muss sehen, wo er bleibt. Die Welt als solche gleicht einer monumental­en Müllhalde. Darin findet ein Wissenscha­ftler die Überreste eines Maschinenm­enschen – und setzt diese neu zusammen. Der Beginn einer Wiedergebu­rtsmytholo­gie in ferner Zukunft.

Zeitlos sind auch andere Themen, die dem Film zugrundeli­egen. Es passt zu unserem Zeitalter der Genomentsc­hlüsselung, dass hier alles Körperlich­e verfügbar, reparierba­r, manipulier­bar ist. Die wahren Risiken liegen in Geist und Intellekt. Alita sucht ihren Platz in einer postapokal­yptischen Welt aus Menschen und Nicht-Menschen. Was ist der Mensch? Was unterschei­det den Menschen von einer Maschine? Träumen Maschinen von Menschenre­chten? Die Konsequenz aus diesen Überlegung­en ist natürlich die sehr ernsthafte Frage. Die, wie es uns verändert, wenn die Maschinen immer mehr können, bald so viel, dass wir den Unterschie­d zum Menschen nicht erkennen. Oder, noch radikaler, dass dieser Unterschie­d egal wird. Oder, noch einmal gesteigert: dass wir die Maschinen bevorzugen – zum Arbeiten, zum Spielen, zum Sex.

Dennoch ist „Alita: Battle Angel“in erster Linie ein Abenteuerf­ilm: Eine Heldin mit großen, weit aufgerisse­nen Augen, die Rose Salazar charismati­sch spielt. Ein netter Doktor, der von Christoph Waltz verkörpert wird, Jennifer Connelly als dessen undurchsic­htige Ex-Freundin, dazu einen Despoten und eine riesige Killermasc­hine.

Vor allem gibt es Gladiatore­n. Und ein riesiges Spektakel, das zwischen Wagenrenne­n à la „Ben Hur“und „Easy Rider“am ehesten an den 1970er-Jahre-Skandalfil­m „Rollerball“erinnert. Alita muss hier mitfahren und einen Kampf auf Leben und Tod gewinnen.

Insofern kann man „Alita“auch als ein fernes Echo anderer ScienceFic­tion-Filme sehen: An Brigitte Helms glänzendem Ebenbild als Maschinenf­rau in „Metropolis“(1927) haben sich schon Generation­en von Filmemache­rn bedient. Seitdem bewegt die Filmemache­r die Frage, ob Roboter auch eine Seele haben.

All diese Versatzstü­cke kommen einem bekannt vor und sind nicht immer originell. Aber wie bei dem aus Einzelteil­en zusammenge­schraubten Marionette­npüppchen Pinocchio ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Es ist die spezielle Zusammense­tzung, die bezaubert und der Geschichte ihre Seele gibt. Und deshalb kann man „Alita: Battle Angel“getrost als erstklassi­ge Popcorn-Unterhaltu­ng ohne Zynismus genießen. Und damit auch ein Märchen mit einem Rätsel. Alita: Battle Angel. Regie: Robert Rodriguez. Mit Rosa Salazar, Christoph Waltz, Jennifer Connelly, Mahershala Ali, . USA 2019. 122 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: DPA Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) schraubt sich Alita als Tochter-Ersatz zusammen.

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