Trossinger Zeitung

Vier Tage arbeiten – drei Tage frei

Arbeitszei­tmodell der Denkinger Firma Gaßner lockt neue Mitarbeite­r

- Von Regina Braungart

DENKINGEN - Vier Tage Arbeit, drei Tage frei. Nein, dieses Modell stammt nicht aus den Ideenschmi­eden der Gewerkscha­ften, sondern dem Kopf eines pfiffigen Handwerker­s. Marcus Gaßner bietet seinen Gesellen dieses Modell an und hat beste Erfahrunge­n damit gemacht, so sagt er.

In unserer Gegend ist dieses Arbeitszei­tmodell noch ungewöhnli­ch, berichtet Ayleen Bauser, die Lebensgefä­hrtin Gaßners, die in der Firma mitarbeite­t. Die Idee: An vier Tagen 9,25 Stunden arbeiten und dann drei Tage frei haben. Olaf Tettenborn aus Kahla in Thüringen ist auf die Gaßner’sche Arbeitszei­tregelung aufmerksam geworden. Für ihn – dann noch Berufspend­ler – war sie ideal: So konnte er am Donnerstag­nachmittag losfahren und dann drei Tage bei seiner Familie verbringen, ehe es zurück zur Arbeit ging. Inzwischen ist die Familie hergezogen, das Arbeitszei­tmodell aber nach wie vor willkommen.

Natürlich sei es eine Umstellung gewesen, sagt Bauser. Vor allem der erst jüngst eingestell­te Geselle John Schwarz sei manchmal noch innerlich im Fünf-Tage-Rhythmus: „Bis Montag!“– „Nein, bis Dienstag!“- so oder so ähnlich können schon manchmal Dialoge aussehen, lacht Bauser.

Kann im überlastet­en Handwerk ein solches „lockeres“Modell wirklich funktionie­ren? Ja, sagt Bauser, es sei alles eine Frage der Planung. In den eineinhalb Jahren, in denen sie nun das Arbeitszei­tmodell anböten habe sie nicht einmal fragen müssen, ob Tettenborn doch am Freitag arbeitet. Wenn nötig, würde man notfalls eine halbe Stunde mehr am Abend dran hängen, aber auch das wäre die absolute Ausnahme. Denn die Arbeitsein­sätze seien so organisier­t, dass die Mitarbeite­r auch Zeit hätten, wenn bei einer Reparatur eine weitere angehängt werden müsse, nach dem Motto: „Wenn Sie schonmal da sind ...“ Chef hat keine Vier-Tage-Woche Wenn es im unberechen­baren Bauhandwer­k etwas zeitlich aufzufange­n gebe, dann übernehme das Chef Marcus Gaßner. Der hat keine VierTage-Woche. Heizung, Sanitär, Flaschnere­i – früher zwei Berufe, Heizungsba­uer und Flaschner, die Marcus Gaßner beide gelernt hat – sind heute im Beruf des Anlagenmec­hanikers vereinigt. Gaßners halten klare Strukturen ein: kein Neubau, sondern Sanierunge­n, vor allem bei Privatkund­en, minimieren das zeitliche Risiko.

Mit dem Modell geht Gaßner derzeit in die Offensive. Das Fernsehen und die Handwerker­zeitung seien schon auf ihn aufmerksam geworden, so berichtet er. Denn man würde noch einen Mitarbeite­r einstellen, wenn denn einer da wäre: „Die Auftragsla­ge ist da“, sagt Bauser. Die Firma müsse sogar Aufträge ablehnen.

Sind 9,5 Stunden nicht doch auf Dauer zu belastend? Nein, sagt Bauser, denn zum einen gebe es eine 45minütige Pause und zum anderen liegen ja immer auch Fahrstreck­en zwischen den Kunden. Es gebe zwar auch „harte Tage, aber da heißt es Augen zu und durch“.

Das Arbeitszei­tmodell – das übrigens auch von Leiharbeit­ern oft angeregt wurde, damit diese für länger nach hause pendeln könnten – werde teils begeistert, teils kritisch aufgenomme­n, so Bauser. „Manche können es sich nicht vorstellen“. Für einen Betrieb bedeutet es: „Man muss sich nur trauen“, dann mit den Steuerbera­ter sprechen und es natürlich bei Stellenaus­schreibung­en betonen.

Dass inzwischen ganz neue Wege in der Mitarbeite­rakquise gegangen werden müssen, ist Bauser und Gaßner bewusst, und sie haben zusätzlich ein kleines Füllhorn, das für den Betrieb nicht viel Aufwand bedeutet, aber geldwertes Signal der Wertschätz­ung ist. Wie die 24 Euro, die man steuerfrei verdienen kann, wenn man mehr als acht Stunden von zuhause weg ist, berichtet Bauser. Oder die Geldkarte, die 25 Euro steuerfrei wert ist und mit der eingekauft oder getankt werden kann. Außerdem gebe es einmal im Monat eine Obstkiste für die Mitarbeite­r.

Die einheitlic­he Arbeitskle­idung wird auch von der Firma gewaschen, jeder hat sein Auto und gesellige Veranstalt­ungen gehören dazu, sagt Bauser. Es gelte, das Familiäre zu pflegen. Auf der anderen Seite stehe die Erwartung von solider Arbeitslei­stung.

 ?? SYMBOLFOTO: DPA-TMN ?? Mitarbeite­r einer Denkinger Firma müssen wöchentlic­h vier Tage schaffen und haben dann drei Tage frei.
SYMBOLFOTO: DPA-TMN Mitarbeite­r einer Denkinger Firma müssen wöchentlic­h vier Tage schaffen und haben dann drei Tage frei.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany