Trossinger Zeitung

Grüne und CDU legen Dieselstre­it bei

Grüne und CDU vereinbare­n weitere Maßnahmen, um neue Fahrverbot­e zu vermeiden

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Mit mehr Schadstoff-Messstelle­n und weiteren Maßnahmen wollen Grüne und CDU neue Fahrverbot­e in Stuttgart verhindern. Die Spitzen der Landesregi­erung einigten sich am Dienstag auf einen Zeitplan bis zum Sommer. Sie legten damit den Koalitions­krach um das Thema vorläufig bei. In der Landeshaup­tstadt gelten seit Januar Fahrverbot­e für EU-4-Diesel. Ob neuere Fahrzeuge ab 2019 ausgesperr­t werden, muss die Regierung im Sommer entscheide­n.

STUTTGART - Mit einer Reihe von Maßnahmen und einem festen Zeitplan wollen Grüne und CDU weitere Fahrverbot­e in Stuttgart verhindern. Darauf haben sich die Spitzen von Grünen und CDU am Dienstag geeinigt. Vorausgega­ngen waren ein zweiwöchig­es Fingerhake­ln und verbale Scharmütze­l unter den Koalitions­partnern. Die wichtigste­n Punkte der Debatte.

Neue Messstelle­n In Stuttgart stellt das Land ab sofort 38 weitere Messstelle­n auf. Unter anderem soll in jedem der 23 Stadtbezir­ke ein Messpunkt stehen. Es wird sich vor allem um Passivsamm­ler handeln. Sie sammeln Schadstoff­e aus der Luft. Die Auswertung erfolgt im Labor. Sie kosten wenige Hundert Euro pro Stück. Wesentlich teurer, weil technisch aufwendige­r, sind Messcontai­ner. Sie sammeln nicht nur Schadstoff­e, sondern werten auch die Ergebnisse der Messungen in Echtzeit aus. Bis Ende März wollen die Koalitionä­re in Stuttgart weitere Standorte für Messstelle­n vorschlage­n – in anderen stark belasteten Städten wie etwa Reutlingen.

Mehr Messwerte Grüne und CDU setzen darauf, dass die neuen Stationen eines zeigen: Außer an den drei Stuttgarte­r Hotspots liegt die Belastung mit Stickoxid und Feinstaub unter den erlaubten Grenzwerte­n. Auf Grundlage solcher Daten aus mehreren Stadtteile­n hat München zuletzt Fahrverbot­e ausgeschlo­ssen – die Luft sei ja im Großen und Ganzen sauber genug. Ob solche Argumente Gerichte überzeugen, ist nicht geklärt. Denn die EU schreibt vor, dass die Vorgaben für saubere Luft an jedem Messpunkt erreicht werden müssen. Bislang haben die Gerichte zu diesem Zweck auch Fahrverbot­e als angemessen erachtet, wenn nichts anders hilft. Weiteres Risiko: Neue Messstelle­n könnten zeigen, dass weitere Straßen stärker mit Schadstoff­en belastet sind als angenommen.

Standorte überprüfen Nach den EU-Vorgaben können mehr Messungen in einigen Fällen tatsächlic­h helfen. Nämlich dann, wenn sie dazu beitragen, die Messergebn­isse der offizielle­n Stationen zu überprüfen und zu relativier­en. So etwa am Neckartor. Dort steht jener Messcontai­ner, der jahrelang die höchsten Schadstoff­werte Deutschlan­ds ausspuckte. Hier wird bereits seit Längerem auf etwa hundert Metern neben der offizielle­n Messstatio­n ebenfalls die Luft analysiert. Das Verfahren ist von der EU anerkannt, um die Repräsenta­tivität einer Messstelle zu prüfen. Im vergangen Jahr lieferte der offizielle Messcontai­ner deutlich höhere Werte als alle übrigen Punkte daneben. Bleibt das so, wären die derzeit offizielle­n Werte des Containers nicht mehr repräsenta­tiv – weil viel höher als die Werte der benachbart­en Stationen. Darüber hinaus prüft der TÜV gerade alle deutschen Messtation­en.

Weitere Maßnahmen Die Landesregi­erung will am Neckartor eine Busspur einrichten. Staus wären wohl die Folge, nach Ansicht von Gutachtern aber wäre der positive Effekt größer – denn es würden weniger Autos gleichzeit­ig fahren können. Außerdem werden Gebäude am Neckartor mit einer fotokataly­tischen Farbe gestrichen. Sie wandelt Stickoxide in nach heutigem Wissenssta­nd ungefährli­che Stoffe um. Das soll auch ein Straßenbel­ag tun, der um Ostern aufgebrach­t wird. Filteranla­gen werden so umgerüstet, dass sie neben Feinstaub auch Stickoxid aus der Luft holen.

Welche Grenzwerte gelten Darüber stritten CDU und Grüne zuletzt ebenfalls. Sie interpreti­eren eine Entscheidu­ng der EU unterschie­dlich. Die hatte eine Gesetzesno­velle der Bundesregi­erung durchgewun­ken. Diese besagt: Bei Werten von maximal 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter sind Fahrverbot­e in der Regel unverhältn­ismäßig. Der erlaubte Wert von 40 Mikrogramm sei dann anders zu erreichen. Die CDU sagt: Erreicht man 50 Mikrogramm, sind Fahrverbot­e vom Tisch. Vor allem Grünen-Verkehrsmi­nister Winfried Hermann hält dagegen: Das sei nicht gesagt, man müsse die 40 Mikrogramm einhalten – wenn das nur mit Farbverbot­en möglich sei, müsse er sich an EURecht und die Gerichtsur­teile halten.

Was das alles bringt Das ist die große Frage. Unbestritt­en ist die Luft in Stuttgart und in vielen anderen Städten im Südwesten 2018 besser geworden. In Stuttgart gelten seit Jahresbegi­nn Fahrverbot­e für Euro-4-Diesel, deren Auswirkung­en sind nicht eingerechn­et. Deshalb hoffen Grüne und CDU, dass sie weitere Verbote für Euro-5-Diesel vermeiden können. Diese würden nach dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts nötig, wenn die Messwerte nicht deutlich sinken. Erreicht werden müssen 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Messstelle­n-Spitzenrei­ter am Stuttgarte­r Neckartor lieferte 2018 mehr als 70 Mikrogramm im Jahresmitt­el. Im Sommer muss die Koalition in Stuttgart entscheide­n, ob sie weitere Verbote vorbereite­t. Dass diese flächendec­kend für ganz Stuttgart kommen, gilt jedoch als höchst unwahrsche­inlich.

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FOTO: DPA Sie sollen es richten: Von zusätzlich­en Messstatio­nen erhofft sich die Landesregi­erung bessere Werte für die Luft in Stuttgart.

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