Trossinger Zeitung

Theologe

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Der Bart ist ab, aber das Haar ist noch so silbrig und lang wie immer. Geschwächt ist Ernesto Cardenal, schließlic­h ist er inzwischen 94 Jahre alt, und pendelt zwischen seinem Haus in Nicaraguas Hauptstadt Managua und dem Krankenhau­s. Seit Anfang des Monats liegt er wieder wegen einer Niereninfe­ktion im Spital. Dort erreichte ihn jetzt eine Nachricht, von der man nicht so richtig weiß, ob sie ihm auf seine späten Tage noch wirklich wichtig ist. Denn der „Poet“, wie er in Nicaragua mit Zuneigung genannt wird, ist immer vor allem seinen Überzeugun­gen treu geblieben und nicht denen der Katholisch­en Kirche oder denen der sandinisti­schen Machthaber, für die er am Anfang ihrer Zeit stritt.

Papst Franziskus hob jetzt die Sanktionen gegen Cardenal auf, einen exponierte­n Vertreter der Befreiungs­theologie. Der Pontifex habe den Theologen von allen kirchenrec­htlichen Rügen freigespro­chen, teilte der Vertreter des Vatikans in Nicaragua, Stanislaw Waldemar Sommertag, am Montag (Ortszeit) mit. Cardenal war 1984 von Papst Johannes Paul II. seiner priesterli­chen Ämter enthoben worden, weil er sich während der nicaraguan­ischen Revolution auf die Seite der FSLN-Guerilla stellte und ihr in den Anfangsjah­ren als Kulturmini­ster diente.

Jahrzehnte­lang kannte man Cardenal mit silbrigem Bart und Haaren, Baskenmütz­e, Bauernhemd und den Sandalen als knorrigen Mann, der Ungerechti­gkeiten kritisiert­e, egal ob in der Kirche oder der Politik.

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