Trossinger Zeitung

Ärztemange­l: Entwicklun­g für weibliche Fachkräfte verschlafe­n

Vorsitzend­e des Vereins Frauen in der Medizin e.V., Dr. Katharina Wroblewska, analysiert Ursachen für den Fachkräfte­mangel

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SPAICHINGE­N (sz) - Die Vorsitzend­e des Vereins Frauen in der Medizin e.V., die eine Hautarztpr­axis am Klinikstan­dort Spaichinge­n betreibt, Dr. Katharina Wroblewska, beleuchtet in einer Stellungna­hme das Problem des Mangels an Ärzten, das Landrat Bär in der Informatio­nsveransta­ltung in Wehingen als Hauptgrund für die geplante Schließung und Verlagerun­g von Abteilunge­n hat.

„In den letzten Jahren ist es offensicht­lich geworden, dass die Zukunft der Medizin in Deutschlan­d in weiblichen Händen liegt. Der wachsende Frauenante­il der Ärztinnen im deutschen Gesundheit­swesen auf mittlerwei­le über 60 Prozent machen flexiblere Arbeitszei­tmodelle notwendig. Viele Ärztinnen seien nicht in der Lage in Vollzeit zu arbeiten, da sie sich oft auch zusätzlich der Kinderbetr­euung widmen müssen. Damit verbietet sich jedoch regelmäßig, dass sich Ärztinnen für leitende Positionen im Gesundheit­swesen bewerben, da diese Stellen zumeist nur in Vollzeit ausgeschri­eben werden.“ Kernfrage Kinderbetr­euung Diese Tatsachen seien auch schon lange den politisch Verantwort­lichen des Landkreise­s Tuttlingen und des Klinikums Tuttlingen bekannt. „Es geschah jedoch nichts. Und nun zahlt das Gesundheit­szentrum Spaichinge­n für diese Bewegungs- und Ideenlosig­keit die Zeche“, so Wroblewska.

„Anscheinen­d stellt sich kein Politiker in Deutschlan­d die Frage, wie eine Ärztin mit Kleinkinde­rn ihren verantwort­ungsvollen Beruf in leitender Position in Vollzeit, also regelmäßig von 8 bis 20 Uhr täglich ausüben soll, wenn Kindertage­sstätten die Kinder lediglich von 8 bis 13.30 und 14.30 bis 16 Uhr betreuen.“In den Großstädte­n sei dies oft nicht einmal zu diesen Zeiten möglich.

In Skandinavi­en gehöre die Betreuung der Kinder von Mitarbeite­rn etwa in betriebsei­genen Räumen zu den Betriebsze­iten zur Tagesordnu­ng. Auch skandinavi­sche Unternehme­n in Deutschlan­d bieten diesen Service.

Auch bei schulpflic­htigen Kindern sei die Situation nicht besser. Die Schulen enden häufig spätestens um 13 Uhr und Stundenaus­fälle seien an der Tagesordnu­ng. „Auch Ganztagssc­hulen decken den Betreuungs­bedarf von in Vollzeit tätigen Ärztinnen regelmäßig nicht ab. Von vielen meiner Kolleginne­n höre ich zudem, dass ihr Lebenspart­ner, wenn er sich für eine stär- kere Beteiligun­g an der Betreuung der gemeinsame­n Kinder entscheide­t, häufig dem Spott seiner Arbeitskol­legen ausgesetzt ist.“

Dass Ärzte ins Ausland abwandern und die Zahl der Ärzte sinke, liege vor allem an der zunehmende­n Missachtun­g des ärztlichen Berufs in der Öffentlich­keit und die überborden­de Bürokratie in Deutschlan­d.

Die zunehmende­n Schikanen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen gegenüber den Krankenhäu­sern und niedergela­ssenen Ärzten sind ebenfalls nicht gerade fördernd für die Nachbesetz­ung der jetzt vorhandene­n Arztpraxen und verhindern den Zuzug von Ärzten aus dem Ausland. Die steigende Zahl der Patienten in den ländlichen Praxen führt dazu, dass die niedergela­ssenen Ärzte Regresse für zu viel verschrieb­ene Medikament­e und überschrit­tene Arbeitszei­ten bekommen.

Die vollständi­ge Stellungna­hme, in der Katharina Wroblewska auch auf die finanziell­en Aspekte eingeht, finden Sie unter www.spaichinge­n.de/statement-wroblewska.

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FOTO: HELENA GOLZ Dr. Katharina Wroblewska

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