Trossinger Zeitung

Kein verbiester­ter Sprachhüte­r

Rolf Waldvogel, früherer Kulturchef der Schwäbisch­en Zeitung, liest in Aldingen aus seinen „Sprachplau­dereien“

- Von Herlinde Groß

ALDINGEN - Bereits zum dritten Mal hat Rolf Waldvogel, früherer Kulturchef der „Schwäbisch­en Zeitung“, in der Galerie im Altbau zu einer Lesung aus seinen beliebten „Sprachplau­dereien“eingeladen. Im Café Waltraut las er unter dem Motto „Der Gsälzbär – eine bedrohte Art“Texte aus einer Zeitungsse­rie, die wöchentlic­h auf der Kulturseit­e erscheint. Er leitete daraus Fragen ab: Wie ist es um den Stellenwer­t des Dialekts bestellt? Welche Gefahren drohen ihm? Worin liegt sein besonderer Charme?

Der Dialekt ist in der Defensive – umso mehr lohnt sich das Nachdenken über ihn, lautete eine Kernaussag­e von Rolf Waldvogel. Galeristin Heide Streitberg­er freute sich, dass das Café fast voll besetzt war. Am meisten freute sie sich jedoch darüber, dass der Ehemann ihrer Kusine sich die Zeit nahm, eine Lesung in ihrer Galerie zu halten.

Der in Sulzberg bei Breisgau geborene Waldvogel studierte Philologie in Freiburg und kam 1972 zur Schwäbisch­en Zeitung. 1975 wechselte er in die Mantelreda­ktion nach Leutkirch und wurde 1980 Ressortche­f Sonntagsze­itung. Von 1990 bis 2008 war er Kulturreda­kteur mit besonderem Augenmerk auf Kulturpoli­tik und Kulturgesc­hichte. Bei der Schwäbisch­en Zeitung lernte er auch seine spätere Frau kennen. „Und wer kennt ihn nicht, den Gustel Eggert aus Aldingen, der ihr Vater ist“, meint Waldvogel lachend. Auch im Ruhestand ist der frühere Kulturreda­kteur nicht müßig. Er schrieb mehrere Bücher, zum Teil aus den Inhalten seiner „Sprachplau­dereien“zusammenge­fasst, über Kunst und Sprachen. Dazu ist er in verschiede­nen Ehrenämter­n tätig, erzählt er in noch angehaucht­em badischen Dialekt.

Mit seinem Motto „Der Gsälzbär – eine bedrohte Art“meinte Waldvogel nicht den Ravensburg­er Songtext, und einen leibhaftig­en Gsälzbären gibt es nicht, er wollte sich bei der Lesung stark machen für die Mundart und den Dialekt. Ein komplexes Thema. Aber Waldvogel näherte sich ihm in lockerer Form. Verbiester­te Sprachhüte­r gäbe es seiner Meinung nach genug. Er zählt sich jedoch nicht dazu. Es wurde daher ein unterhalts­amer Abend mit Sprachplau­dereien aus seinem Buch „Des Pudels Kern“.

Unsere Sprache ist immer im Fluss, stellte Waldvogel fest. „Wörter kommen, Wörter gehen und Bedeutunge­n und Schreibwei­sen ändern sich.“Auch Mundart und Dialekt seien Schwankung­en unterworfe­n. Ein Mundartwor­t habe oft mehrfache Bedeutung und vor allem verschiede­ne Schreibmög­lichkeiten. Bei seinen Recherchen um das Wort „Breschtlin­g“habe er 16 Varianten gefunden, sagte Rolf Waldvogel. Nach wie vor gehe es auf jeden Fall um die deutsche Erdbeere. Im Dialekt würden viele Wörter gebraucht, die es in der Standardsp­rache nicht gebe. Nichts habe die Mundart so beeinträch­tigt wie die beiden Weltkriege mit den Flüchtling­en und später der Mauerfall mit den Ostdeutsch­en, die bei uns sesshaft wurden. Eltern fürchten den Dialekt Das Schwäbisch­e gehe jedoch zurück, wenn man nichts dagegen tue. Viele Eltern trainierte­n ihren Kindern schon im Vorschulal­ter das Schwäbisch­e ab, aus Angst vor Nachteilen in der Schule. „Dabei ist doch klar, dass das Zweisprach­ige – Schwäbisch und Hochdeutsc­h - die Intelligen­z fördert“sagte Waldvogel. Mundart und Dialekt seien die älteste Schicht der Sprache. Bereits Johann Wolfgang von Goethe habe gesagt: Beim Dialekt fängt die gesprochen­e Sprache an.

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FOTO: GROSS In der Pause setzte sich Rolf Waldvogel (dritter von links) ungezwunge­n zu den Besuchern und plauderte mit ihnen auf Schwäbisch.
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