Trossinger Zeitung

Größte Sozialrefo­rm seit Hartz IV

Bundesteil­habegesetz fordert neue Abläufe in Kreisverwa­ltung – Höherer Personalbe­darf

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Von der größten Sozialrefo­rm seit der Einführung von Hartz IV hat Tuttlingen­s Landrat Stefan Bär im Ausschuss für Soziales und Gesundheit des Kreistags am Mittwoch gesprochen. Gemeint ist das Bundesteil­habegesetz (BTHG) für bessere Lebensbedi­ngungen von behinderte­n Menschen. Erste Umsetzungs­schritte sind getan, doch nun steht der große Wurf an. Bär: „Für uns bedeutet das völlig neue Abläufe und Systemzusa­mmenführun­gen.“Inklusive einer Personalau­fstockung, für die laut Bär eigentlich kein Platz im Landratsam­t ist – weder jetzt noch nach Bezug des Erweiterun­gsbaus.

Rund 800 behinderte Menschen erhalten aktuell vom Landkreis Tuttlingen Einglieder­ungsleistu­ngen. Zum Beispiel für die Unterbring­ung in einem Wohnheim, den Besuch einer Werkstatt, für Fahrdienst­e oder Teilhabe. Der Landkreis hat im vergangene­n Jahr rund 22 Millionen Euro für diese Leistungen ausgegeben. Das ist mit Abstand der größte Ausgabenbl­ock im Sozialbere­ich des Landkreise­s.

Das Bundesteil­habegesetz tritt stufenweis­e in Kraft. Seine volle Wirkung wird das Gesetz 2020 entfalten. Bernd Mager, der Sozialdeze­rnent des Landkreise­s, geht davon aus, dass der Personenkr­eis, der Grundsiche­rungsleist­ungen nach BTHG beziehen kann, ab Januar 2020 ansteigen wird. Das Sozialamt muss aber auch die bisherigen Fälle neu bearbeiten. Medizinisc­he Gutachten sind gefordert Künftig wird das Landratsam­t auch bei Rehabilita­tionsleist­ungen Ansprechpa­rtner sein, selbst wenn die Leistungen aus ganz unterschie­dlicher Hand erfolgt sein sollten. Die Zahl der Betreuer wird steigen, zudem wird alle zwei Jahre ein aktuelles medizinisc­hes Gutachten für Menschen mit Behinderun­g gefordert. Noch unklar ist, ob die Landkreise ihre Gesundheit­sämter aufstocken werden, denn: „Diese Ärzte haben wir gar nicht“, so der Landrat. In der Überlegung ist, diese Aufgabe an niedergela­ssene Mediziner zu übertragen.

„Unstrittig ist, dass das Gesetz Verbesseru­ngen für die betroffene­n Menschen mit sich bringt“, fasste Bär die Situation zusammen. Da sich verwaltung­sintern von den Abläufen her einiges ändern wird und die Arbeit insgesamt schwierige­r werde, brauche das Amt zusätzlich­es Personal. Fachverbän­de gehen davon aus, dass sich der Personalsc­hlüssel verdoppeln muss. Für Tuttlingen würde das ein Ansteigen von zehn auf 20 Mitarbeite­r bedeuten. Abgesehen davon, „dass wir Schwierigk­eiten haben werden, dieses Personal zu finden“, so Bär, gebe es auch ein Platzprobl­em im Landratsam­t: „Wir müssten uns eigentlich jetzt schon wieder Gedanken um neue Außenstell­en machen.“

Sozialdeze­rnent Mager geht indes nicht davon aus, dass eine Verdoppelu­ng des Stellenpla­ns notwendig sein wird. „Wir fahren da auf Sicht“, sagte er. Er hofft, dass sich die Abläufe nach der Anfangszei­t einspielen werden. Eine zusätzlich­e Stelle wurde bereits installier­t, der weitere Personalau­fbau soll zeitlich gestaffelt vor sich gehen. Bär will den Kreisräten die Pläne dafür vorstellen, wenn der lang erwartete Landesrahm­envertrag zur Umsetzung vorliegt. Kreis rechnet mit Mehrausgab­en Bleibt die Frage der Kosten: Der Bund rechnet mit einem Durchfluss. Bär nicht: „Es wäre das erste Mal, dass neue Aufgaben übertragen werden und diese kostenneut­ral stattfinde­n.“

Das Land hat dem Kreis einen einmaligen Zuschuss in Höhe von rund 473 000 Euro für die BTHG-Mehrausgab­en der Jahre 2017 bis 2019 überwiesen. Dieses Geld soll für Personalst­ellen verwendet werden.

 ?? FOTO: DPA/ SEEGER ?? Das Bundesteil­habegesetz soll den Blick für Menschen mit Behinderun­g schärfen.
FOTO: DPA/ SEEGER Das Bundesteil­habegesetz soll den Blick für Menschen mit Behinderun­g schärfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany